rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Ausschluss der Abzugsfähigkeit von Kinderbetreuungskosten einer Europaabgeordneten aufgrund mandatsbedingter Aufwandsentschädigung

 

Leitsatz (redaktionell)

Kinderbetreuungskosten einer Europaabgeordneten, die nach § 9c EStG wie Werbungskosten zu berücksichtigen sind, fallen nicht unter das Abzugsverbot des § 22 Nr. 4 S. 2 EStG, da es sich nicht um mandatsbedingte Aufwendungen handelt, für die eine Aufwandsentschädigung gezahlt wurde.

 

Normenkette

EStG § 9c Abs. 1, § 22 Nr. 4 S. 2, § 32 Abs. 1, § 9 Abs. 5 S. 1

 

Tenor

1) Der Einkommensteuerbescheid 2010 vom 30.03.2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 07.09.2012 wird insoweit abgeändert, als Kinderbetreuungskosten in Höhe von zwei Drittel von 1.595 EUR wie Werbungskosten bei der Ermittlung der sonstigen Einkünfte gem. § 22 Nr. 4 EStG der Klägerin berücksichtigt werden. Dem Beklagten wird aufgegeben, die geänderte Steuerfestsetzung nach Maßgabe der Urteilsgründe zu errechnen, ferner der Klägerin das Ergebnis dieser Berechnung unverzüglich mitzuteilen und den Bescheid mit dem geänderten Inhalt nach Rechtskraft dieses Urteils neu bekanntzugeben.

2) Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

3) Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

4) Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 EUR, hat die Klägerin in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruches Sicherheit zu leisten. Bei einem vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruch bis zur Höhe von 1.500 EUR kann der Beklagte der vorläufigen Vollstreckung widersprechen, wenn die Klägerin nicht zuvor in Höhe des vollstreckbaren Kostenanspruchs Sicherheit geleistet hat, §§ 151 FGO i.V.m. 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.

5) Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Anerkennung von erwerbsbedingten Kinderbetreuungskosten.

Die Klägerin war im Streitjahr Mitglied des Europäischen Parlaments und erzielte mit ihren Abgeordnetenbezügen sonstige Einkünfte im Sinne des § 22 Nr. 4 Einkommensteuergesetz (EStG).

In der Einkommensteuererklärung 2010 machte sie Kinderbetreuungskosten in Höhe von 1.595 EUR geltend und legte eine Bescheinigung der X, Belgien vor (Bl. 11 der EStAkte), wonach ihre 2010 geborene Tochter, die unstreitig zum Haushalt der Eltern gehört, im Zeitraum vom 07.11. – 31.12.2010 an 31 Tagen in dieser Einrichtung betreut wurde. Der Vater des Kindes war in diesem Zeitraum ebenfalls erwerbstätig. Als Abgeordnete des Europäischen Parlaments erhielt die Klägerin neben der nach § 22 Nr. 4 EStG steuerpflichtigen Abgeordnetenentschädigung auch eine allgemeine Kostenvergütung in Form eines Pauschalbetrages, welche aufgrund Artikel 20 Abs. 3 des Abgeordnetenstatuts des Europäischen Parlaments gewährt wird (Beschluss des Europäischen Parlaments vom 28.09.2005, 2005/684/EG, Euratom) und der wie folgt lautet:

Artikel 20

(1) Die Abgeordneten haben Anspruch auf Erstattung der Kosten, die ihnen durch die Ausübung des Mandats entstehen.

(2) Für Reisen zu und von den Arbeitsorten und für sonstige Dienstreisen erstattet das Parlament die tatsächlich entstandenen Kosten.

(3) Die übrigen mandatsbedingten Aufwendungen können pauschal erstattet werden.

(4) Das Parlament legt die Bedingungen für die Wahrnehmung dieses Anspruchs fest.

In den hierzu mit Beschluss des Präsidiums des Europäischen Parlaments vom 19.05. und 09.07.2008 (2009/C 159/01) erlassenen Durchführungsbestimmungen ist u.a. folgendes geregelt:

Artikel 25

Anspruch auf allgemeine Kostenvergütung

Die Abgeordneten haben Anspruch auf eine pauschale allgemeine Kostenvergütung zur Deckung der mit ihrer Tätigkeit als Mitglieder verbundenen Kosten, die nicht durch andere Vergütungen gemäß diesen Durchführungsbestimmungen oder sonstigen Regelungen des Parlaments abgedeckt sind.

Artikel 26

Zeitraum der Erstattung

(1) Die allgemeine Kostenvergütung ist für die Dauer des Mandats der Abgeordneten zahlbar.

(2) Der monatliche Betrag der Vergütung gemäß Artikel 25 wird auf 4.202 EUR festgesetzt.

[…]

Artikel 28

Gedeckte Kosten

Die allgemeine Kostenvergütung ist unter anderem zur Deckung folgender Kosten bestimmt:

  • Bürounterhaltungskosten, namentlich Büromiete und Nebenkosten (Heizung, Strom, Versicherung und Reinigung),
  • Kosten für den Kauf oder die Miete von Büroausstattungsgeräten,
  • Kosten für Telefon, einschließlich Mobiltelefon, und Postgebühren,
  • Kauf von Büromaterial,
  • Kosten für den Kauf von Büchern, Zeitschriften und Zeitungen,
  • Kosten für die Benutzung öffentlicher Netze zum Abruf von Daten,
  • Kosten für die Ausstattung der Abgeordneten mit Kommunikationsmaterial und dessen Wartung, z. B. Kauf oder Miete eines Telefons, eines Telefaxes, eines Computers, eines Modems oder einer Kommunikationssteckkarte, eines Druckers, von sonstigem EDV-Material, PC-Material und Software,
  • Kosten eines Internetanschlusses und eines Anschlusses an Datenbanken,
  • Kosten für Repräsentationstätigkeiten,
  • Hotel- und sonst...

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