Entscheidungsstichwort (Thema)

Leitender Angestellter einer Schweizer AG bei arbeitvertraglicher Festlegung von 3 Arbeitstagen pro Monat und mindestens 1 Arbeitstag pro Monat in der Schweiz als Grenzgänger im Sinne des Art. 15a Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein in Deutschland ansässiger leitender Angestellter einer Schweizer AG (hier: Prokurist), der für die AG nach dem maßgeblichen Arbeitsvertrag „3 Arbeitstage (24 Stunden) pro Monat, je nach Bedarf… und nicht an feste Tage gebunden” arbeiten muss und die Grenze zur Schweiz zur Ausübung seiner Arbeit für die AG monatlich an 1 bis 2 Tagen und damit zumindest an einem Drittel der vereinbarten Arbeitstage überquert hat, ist ein Grenzgänger im Sinne von Art.15a Abs. 2 Satz 1 DBA-Schweiz. „Regelmäßig” im Sinne dieser Vorschrift bedeutet lediglich „jeweils nach Arbeitsende”. D.h. dass eine Rückkehr aus dem Tätigkeitsstaat an den Tagen nicht verlangt wird, an denen sich der Grenzgänger aus beruflichen oder privaten Gründen nicht in den Tätigkeitsstaat begeben hat. Am Arbeitsort arbeitsfreie Tage (insbesondere Urlaubs- und Krankheitstage; arbeitsfreie Samstage, Sonntage und Feiertage; Arbeitstage im Wohnsitzstaat oder einem Drittstaat) sind in diese Beurteilung nicht einzubeziehen.

2. Die Regelung in § 7 der im Rang einer Rechtsverordnung stehenden KonsVerCHEV kann kein anderes Ergebnis begründen, da sie dem im Rang eines Gesetzes stehenden DBA-Schweiz (Art. 15a Abs. 2 DBA-Schweiz) widerspricht bzw. dessen Lücken ergänzt. Die Gerichte sind zur Verwerfung derartiger abkommensändernder Rechtsverordnungen befugt. Soweit § 7 KonsVerCHEV dahin zu verstehen ist, dass das Tatbestandsmerkmal der „regelmäßigen Rückkehr” eine Mindesteinsatzzeit im anderen Vertragsstaat von 1 Tag pro Woche oder 5 Tagen pro Monat voraussetzt, lässt sich dieses Erfordernis aus dem Wortlaut von Art. 15a Abs. 2 DBA-Schweiz unter Berücksichtigung der im Verhandlungsprotokoll von den Vertragsparteien getroffenen verbindlichen Festlegungen für die Anwendung und Auslegung von Art. 15a Abs. 2 DBA-Schweiz nicht ableiten.

3. Bei einem Teilzeitbeschäftigten, der nur tageweise im anderen Staat beschäftigt ist, ist die Anzahl von 60 unschädlichen Tagen im Sinne des Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz durch proportionale Kürzung im Verhältnis der Arbeitstage herabzusetzen.

 

Normenkette

DBA CHE 1978 Art. 15a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Sätze 1-2, Art. 15 Abs. 4, Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 Buchst. d; KonsVerCHEV § 7; AO § 2 Abs. 2; GG Art. 20 Abs. 3

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 28.06.2022; Aktenzeichen I R 24/21)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger im Jahr 2013 (Streitjahr) als Grenzgänger im Sinne von Art. 15a Abs. 2 Satz 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 11. August 1971 (BGBl II 1972, 1022, BStBl I 1972, 519) i.d.F. des Revisionsprotokolls vom 12. März 2002 (BGBl II 2003, 68, BStBl I 2003,166) –DBA-Schweiz– anzusehen ist.

Der 1961 in A/Deutschland geborene Kläger ist seit dem Jahr 2002 verheiratet. Er wurde im Streitjahr antragsgemäß einzeln zur Einkommensteuer veranlagt. Seinen alleinigen Wohnsitz (§ 8 der Abgabenordnung –AO–) hat er gemeinsam mit seiner Ehefrau und seinen drei Kindern in dem im Jahr 2007 von ihm und seiner Ehefrau erworbenen Zweifamilienhaus … straße x, X.

Der Kläger ist Alleingesellschafter der auf seine Initiative gegründeten B Inc., USA (B Inc.). Diese Gesellschaft betrieb im Streitjahr eine unselbständige Zweigniederlassung in Y, die beim Finanzamt Z steuerlich geführt wird (vgl. Gewerbeanmeldungen, Vertragsakten B Inc.). In den USA übte die B Inc. im Streitjahr weder betriebliche Aktivitäten aus noch befand sich dort die Geschäftsleitung. Im Oktober 2007 gründete der Kläger darüber hinaus die Schweizer Kapitalgesellschaft C AG (C AG). Nach den Feststellungen der Steuerfahndungsstelle des Finanzamts O in dem wegen Hinterziehung von Einkommensteuer 2006 bis 2011 gegen den Kläger in den Jahren 2011 bis 2013 geführten Ermittlungsverfahren befand sich der Ort der Geschäftsleitung der C AG in den Jahren 2008 bis 2011 nicht in der Schweiz, sondern unter der Wohnanschrift des Klägers in X /Deutschland. In Bezug auf den in den Jahren 2008 bis 2011 vom Kläger von der C AG bezogenen Arbeitslohn war Gegenstand der tatsächlichen Verständigung im Steuerfahndungsverfahren, dass neben den als Einkünfte aus Kapitalvermögen beim Kläger zu berücksichtigenden verdeckten Gewinnausschüttungen der B Inc. keine zusätzlichen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit für die C AG der Einkommensteuer unterworfen wurden. Wegen der Einzelheiten wird auf den geänderten Bericht vom 21. Januar 2014 und die tatsächliche Verständigung von 13. Dezember 2013 verwiesen (Steuerfahndungsakte Bl. 27 ff., 38 ff.).

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