Entscheidungsstichwort (Thema)

Erhebung des Solidaritätszuschlags im Jahr 2020 bzw. ab 2021 weiter verfassungsrechtlich zulässig

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Das Solidaritätszuschlaggesetz 1995 (SolZG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 15.10.2002, BGBI 2002 I S. 4130, ab dem Jahr 2021 in der Fassung des Art. 1 des Gesetzes zur Rückführung des SolZ (RückfSolZG) v. 10.12.2019, BGBl 2019 I S. 2115 und des 2. Familienentlastungsgesetzes (FamEntlG) v. 1.12.2020, BGBl 2020 I S. 2616, ist verfassungsgemäß. Der Solidaritätszuschlag als Ergänzungsabgabe darf trotz des im Jahr 2019 ausgelaufenen Solidarpakts II und der Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen auch im Jahr 2020 und ab 2021 weiter erhoben werden. Eine Rechtfertigung für die weitere Erhebung ergibt sich aus den Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie und den hieraus resultierenden belastenden Folgen für die Staatsfinanzen, vor allem die des Bundes.

2. Es ist von Verfassungs wegen nicht geboten, eine Ergänzungsabgabe von vornherein zu befristen oder sie nur für einen kurzen Zeitraum zu erheben.

3. Es ist unschädlich, dass in der Gesetzesbegründung die mit dem Solidaritätszuschlag zu finanzierenden Aufgaben nicht genau bezeichnet werden. Die Entscheidung darüber, welche Aufgaben in Angriff genommen werden und wie sie finanziert werden sollen, gehört zur Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, die sich grundsätzlich der gerichtlichen Nachprüfung entzieht.

4. Mit der Erhöhung der Freigrenzen in § 3 Abs. 3 Satz 1 SolZG und der Schaffung einer sogenannten Milderungszone (§ 4 Satz 2 SolZG) durch das RückfSolZG verstößt der Gesetzgeber nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) und berücksichtigt in verfassungsrechtlich zulässiger Weise soziale Gesichtspunkte. Es erfolgt auch kein unzulässiger Eingriff in den Belastungsverlauf der Einkommensteuer.

5. Die fehlende Einbeziehung von Körperschaften in die – aus sozialstaatlichen Erwägungen geplante -Abschmelzung des SolZ ist zulässig. Es liegt keine verfassungsrechtlich relevante Ungleichbehandlung (von wesentlich Gleichem) vor.

6. Es begegnet auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass der Solidaritätszuschlag weiterhin in voller Höhe auf die Kapitalertragsteuer erhoben wird (§ 3 Abs. 1 Nr. 5 SolZG).

7. Es verstößt auch nicht gegen die Verfassung, dass bei Ehegatten, die zur Ausnutzung der sogenannten Null- bzw. Milderungszone die Einzelveranlagung (§ 26a EStG) wählen, die Höhe des Solidaritätszuschlags bei gleichem zu versteuernden Einkommen nicht stets identisch ist, sondern durch die unterschiedlichen Beiträge der Ehepartner zum – rein rechnerisch einheitlich betrachteten – zu versteuernden Einkommen beeinflusst werden kann.

 

Normenkette

SolZG § 1 Abs. 1, 2 S. 1, Abs. 4 S. 1, § 3 Abs. 1 Nrn. 1, 5, Abs. 2, 3 S. 1 Nr. 1, § 4 Sätze 1-2, § 6 Abs. 21; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 Sätze 1-2, Art. 106 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 3 Sätze 2-3

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 26.09.2023; Aktenzeichen IX R 9/22)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits werden den Klägern auferlegt.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob für die Kläger ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage gegen die Festsetzung des Solidaritätszuschlags (SolZ) für das Jahr 2020 und von Vorauszahlungen zum SolZ ab dem Jahr 2021 besteht und ob das Solidaritätszuschlaggesetz 1995 (SolZG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Oktober 2002 (Bundesgesetzblatt –BGBI– I 2002, 4130), ab dem Jahr 2021 i.d.F. des Art. 1 des Gesetzes zur Rückführung des SolZ (RückfSolZG) vom 10. Dezember 2019 (BGBl I 2019, 2115) und des 2. Familienentlastungsgesetz (FamEntlG) vom 1. Dezember 2020 (BGBl I 2020, 2616), verfassungsgemäß ist.

Die Kläger sind verheiratet und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.

Die Einkommensteuererklärung für das Jahr 2018, in der sie Einkünfte aus mehreren Einkunftsarten erklärten, reichten sie am 11. Dezember 2019 beim Beklagten ein.

Der Beklagte erließ am 1. April 2020 einen Bescheid für 2018 über Einkommensteuer und SolZ. Dabei folgte er im Wesentlichen den Angaben der Kläger.

Zudem setzte er Vorauszahlungen zur Einkommensteuer und zum SolZ für das zweite bis vierte Quartal 2020 sowie für 2021 und weitere Jahre fest.

Gegen die Festsetzung von Vorauszahlungen für den SolZ legten die Kläger mit Schreiben vom 4. Mai 2020 durch ihre Prozessbevollmächtigte Einspruch ein und trugen vor, der SolZ stelle ab dem Jahr 2020 keine verfassungsrechtlich zulässige Ergänzungsabgabe im Sinne des Art. 105 Abs. 2, 106 Abs. 1 Nr. 6 Grundgesetz (GG) dar.

Mit Einspruchsentscheidung vom 15. Juni 2021 erklärte der Beklagte die Festsetzung der Vorauszahlungen zum SolZ gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Abgabenordnung (AO) für vorläufig hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit des SolZG. Er verwies auf eine beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) anhängige Verfassungsbeschwerde (Az. 2 BvR 1505/20) sowie auf ein beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängiges Revisionsverfahren (Az. IX R 15/20). Unter Bezugna...

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