Entscheidungsstichwort (Thema)

Nahe stehende Personen” i.S. des § 32d Abs. 2 Nr. 1 S. 1 Buchst. a EStG

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Sind Schuldner und Gläubiger von Kapitalerträgen Geschwister, ist nach § 32d Abs. 2 Nr. 1 a EStG auf die erzielten Zinsen nicht der Abgeltungssteuersatz von 25 %, sondern der progressive Steuersatz anzuwenden. Aufgrund der typisierenden Betrachtungsweise ist unerheblich ist, ob die Geschwister sich tatsächlich nahe stehen.

2. § 32d Abs. 2 Nr. 1a EStG ist verfassungskonform einschränkend dahingehend auszulegen, dass nur die Fälle eines potentiellen Gesamtbelastungsvorteils erfasst werden.

 

Normenkette

EStG § 32d Abs. 2 Nr. 1 S. 1a, § 20 Abs. 1 Nr. 7; AStG § 1 Abs. 2; AO § 15; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 6, 2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 29.04.2014; Aktenzeichen VIII R 35/13)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob Zinsen aus der Stundung eines Kaufpreises zwischen Geschwistern dem linearen Abgeltungssteuersatz von 25 % unterliegen oder nach § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der Fassung des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 vom 14. August 2007 (BGBl I 2007, 1912) mit dem progressiven, tariflichen Steuersatz zu besteuern sind.

Die Kläger sind zusammen veranlagte Eheleute. Die Klägerin war zusammen mit ihrem Vater A.X. und ihrem Bruder C.X. als Kommanditistin an der X GmbH & Co. KG (KG) beteiligt. Daneben hielt sie – ebenfalls zusammen mit ihrem Vater und ihrem Bruder – eine Beteiligung an der X Verwaltungs-GmbH (Komplementärin der KG) sowie an der grundbesitzenden XY GbR (GbR). Der Grundbesitz der GbR war an die KG verpachtet.

Mit Anteilsübertragungsvertrag vom 29. Mai 2008 zwischen der Klägerin, A. und C.X. veräußerte sie – ebenso wie ihr Vater A.X. – mit Wirkung zum 1. Juni 2008 diese Beteiligungen an ihren Bruder C.X..

Der Kaufpreis betrug für die KG-Beteiligung 180.000 EUR und für die GbR-Beteiligung 460.000 EUR. Er war in drei gleichen Raten zum 15. Januar 2009, zum 31. Dezember 2009 und zum 31. Dezember 2010 zu zahlen. Das Auseinandersetzungsguthaben war vom Tage des Ausscheidens an mit dem Zinssatz für Kontokorrentkredite der Hausbank zu verzinsen (Nr. III § 3 Abs. 3 und Nr. IV § 3 Abs. 3 des Anteilsübertragungsvertrags). Diese Regelungen beruhen auf § 15 des Gesellschaftsvertrags über die Errichtung der KG vom 7. September 1989 und dem Gesellschaftsvertrag der GbR vom 21. Dezember 1998 (Verweis auf den Gesellschaftsvertrag der KG in § 12).

Der Erwerber C.X. leistete an die Klägerin vereinbarungsgemäß im Streitjahr die erste und zweite Rate zuzüglich Zinsen in Höhe von insgesamt 39.704 EUR.

Die Klägerin erklärte in der Einkommensteuererklärung 2009 vom 19. Mai 2010 die Zinsen als Einkünfte aus Kapitalvermögen, die dem Abgeltungssteuersatz von 25 % unterfallen.

Der Beklagte unterwarf die Zinsen im Einkommensteuerbescheid 2009 vom 14. Oktober 2010 dagegen dem – höheren – tariflichen Steuersatz, weil C.X. eine nahe stehende Person der Klägerin sei (Hinweis auf § 15 der AbgabenordnungAO –) und die Zinsen bei ihm als Betriebsausgaben abzugsfähig seien.

Den dagegen am 18. Oktober 2010 (Eingang beim Beklagten) erhobenen Einspruch begründeten die Kläger damit, dass zur Bestimmung der nahe stehenden Person nicht auf die Definition der Angehörigen in § 15 AO zurückgegriffen werden dürfe. Erforderlich sei nach dem zu § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG ergangenen Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 22. Dezember 2009 (BStBl I 2010, 94, Tz. 136) vielmehr, dass die Person auf den Steuerpflichtigen einen beherrschenden Einfluss ausüben könne oder umgekehrt der Steuerpflichtige auf diese Person einen beherrschenden Einfluss ausüben könne oder eine dritte Person auf beide einen beherrschenden Einfluss ausüben könne oder die Person oder der Steuerpflichtige imstande sei, bei der Vereinbarung der Bedingungen einer Geschäftsbeziehung auf den Steuerpflichtigen oder die nahe stehende Person einen außerhalb dieser Geschäftsbeziehung begründeten Einfluss auszuüben, oder wenn einer von ihnen ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Erzielung der Einkünfte des anderen habe. Das sei zwischen der Klägerin und C.X. nicht der Fall gewesen. Die Anteilsübertragung habe ihren Grund in der Entfremdung der Parteien. Die Klägerin und C.X. hätten seit dem Tag der Anteilsübertragung außer über ihre Anwälte keinen Kontakt mehr miteinander gehabt.

Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 9. August 2011 als unbegründet zurück. Nach dem BMF-Schreiben vom 22. Dezember 2009 (BStBl I 2010, 94, Tz. 136) sei typisierend davon auszugehen, dass Angehörige i.S. des § 15 AO einander nahe stehende Personen seien. Der Gesetzgeber bediene sich hier zur Entlastung der Steuerverwaltung einer Typsierung, die verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei.

Mit der dagegen am 31. August 2011 erhobenen Klage verfolgen die Kläger ihr Ziel weiter. Die Klägerin sei keine ihre...

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