Entscheidungsstichwort (Thema)

Berücksichtigung des Arbeitgeberanteils an vermögenswirksamen Leistungen beim Kinderfreibetrag

 

Leitsatz (redaktionell)

Der von dem Arbeitgeber getragene Anteil an vermögenswirksamen Leistungen zählt nicht zu den für die Gewährung des Kinderfreibetrages schädlichen Einkünften des Kindes nach § 32 Abs. 4 S. 2 EStG.

 

Normenkette

EStG § 32 Abs. 4 S. 2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 22.09.2011; Aktenzeichen III R 23/09)

 

Tenor

Die Beklagte wird verpflichtet, den Bescheid vom 18. Oktober 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28. Dezember 2005 mit der Maßgabe aufzuheben, dass Kindergeld für den Zeitraum von Januar 2003 bis Dezember 2003 bewilligt wird.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann der vorläufigen Vollstreckung widersprechen, wenn der Kläger nicht zuvor in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Kostenanspruchs Sicherheit geleistet hat.

Die Revision wird zugelassen.

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Tochter des Klägers im Kalenderjahr 2003 Einkünfte und Bezüge über dem Grenzbetrag von 7.188 EUR erzielt hat.

Die am 17. Dezember 1983 geborene Tochter des Klägers, Frau A.B., befand sich im Kalenderjahr 2003 in Ausbildung und erzielte ein Jahresbruttoeinkommen in Höhe von 10.444,80 EUR. Darin enthalten ist ein Arbeitgeberanteil bezüglich vermögenswirksamer Leistungen (vL) in Höhe von 13,29 EUR × 12 = 159,48 EUR. A.B. führte 39,88 EUR × 12 = 478,56 EUR vL an eine Bausparkasse sowie weitere vL im Rahmen einer Kapitalbeteiligung ab.

Der Arbeitnehmeranteil am Gesamtsozialversicherungsbeitrag betrug 2.172,49 EUR. Zudem wurde Lohnsteuer i.H.v. 17 EUR und Kirchensteuer i.H.v. 3,60 EUR einbehalten.

Des Weiteren leistete A.B. folgende Versicherungsbeiträge:

Privathaftpflichtversicherung

82,68 EUR

Sonstige Unfallversicherung

162,37 EUR

Lebens- und Rentenversicherung

600,00 EUR

845,05 EUR

Der Kindergeldantrag vom 1. August 2005 für das Kalenderjahr 2003 wurde mittels Bescheides vom 18. Oktober 2005 abgelehnt, da die Aufwendungen für eigene Versicherungen keine Werbungskosten seien. Mit Schreiben vom 21. Oktober 2005 wurde hiergegen Einspruch eingelegt. Der Einspruch wurde in der Einspruchsentscheidung vom 28. Dezember 2005 als unbegründet zurückgewiesen. Der Grenzbetrag von 7.188 EUR sei überschritten:

Bruttoarbeitslohn

10.444,80 EUR

Arbeitnehmerpauschbetrag

- 1.044,00 EUR

Arbeitnehmerbeitrag zur Sozialversicherung

- 2.172,49 EUR

7.228,31 EUR

Die Klage vom 26. Januar 2006 ging am selben Tage bei Gericht ein. Nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 11. Januar 2005 2 BvR 167/02, Entscheidungen des BVerfG (BVerfGE) 112, 164 seien bei der Ermittlung der Einkünfte und Bezüge eines Kindes sämtliche Aufwendungen abzuziehen, denen sich das Kind nicht entziehen könne und die damit zum Unterhalt nicht zur Verfügung stünden. Dies betreffe neben den gesetzlichen Sozialabgaben nach Auffassung des Klägers auch freiwillige Versicherungsbeträge, also die Privathaftpflichtversicherung, die sonstige Unfallversicherung sowie die Lebens- und Rentenversicherung. Außerdem seien die gezahlten Steuern sowie die vL, die der späteren Altersversorgung dienten, bei der Einkunftsermittlung zu berücksichtigen.

Im Übrigen werde selbst nach der Berechnung der Beklagten die Freigrenze um lediglich 40,31 EUR überschritten; wenn der gesamte Kindergeldanspruch von 1.848 EUR gestrichen werde, entstünden dadurch gleichheitswidrige Progressionssprünge, die verfassungswidrig seien.

Der Kläger beantragt,

den Ablehnungsbescheid vom 18. Oktober 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28. Dezember 2005 aufzuheben und Kindergeld für den Zeitraum von Januar 2003 bis Dezember 2003 zu bewilligen,

die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären,

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Abgesehen von den gesetzlichen Pflichtbeiträgen zur Sozialversicherung seien alle anderen Versicherungsbeiträge nicht von den Einkünften des Kindes abziehbar. VL zählten zu den Einkünften. Das Kindergeld sei dazu gedacht, die Unterhaltslasten der Eltern zu verringern, nicht aber dazu, den Vermögensaufbau des Kindes zu fördern.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze, die sich in der finanzgerichtlichen Akte befinden, die von der Beklagten vorgelegten Kindergeldakten sowie die Niederschrift über den Verhandlungstermin vom 16. Februar 2009 Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet. Der Bescheid vom 18. Oktober 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28. Dezember 2005 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, da die Einkünfte und Bezüge des Kindes A.B. den Grenzbetrag von 7.188 EUR nicht übersteigen, §§ 32 Abs. 4 Satz 2 Einkommensteuergesetz (EStG) 2003, 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).

1. Gemäß § 32 Abs. 4 ...

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