rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Strohmänner als Lieferanten. kein Vorsteuerabzug für Altgoldlieferungen bei Angabe falscher Namen, unrichtiger/unvollständigen Adressen der Lieferanten bzw. von Adressen von Briefkastenfirmen in den Eingangsrechnungen sowie bei „Kennenmüssen” des Leistungsempfängers über die Einbeziehung in einen Umsatzsteuerbetrug. kein Vorsteuerabzug aus ohne Zustimmung des leistenden Unternehmers vom Leistungsempfänger erstellten Gutschriften bzw. aus für Lieferungen eines Kleinunternehmers erstellten Gutschriften

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Umsatzsteuerrechtlich kommt eine von den vertraglichen Vereinbarungen abweichende Bestimmung der Person des leistenden Unternehmers in Betracht, wenn das Rechtsgeschäft zwischen dem Leistungsempfänger und dem Strohmann nur zum Schein abgeschlossen worden ist und der Leistungsempfänger weiß oder davon ausgehen muss, dass der Strohmann keine eigene – ggf. auch durch Subunternehmer auszuführende – Verpflichtung aus dem Rechtsgeschäft übernehmen und dementsprechend auch keine eigenen Leistungen versteuern will.

2. Ein Vorsteuerabzug über Altgoldlieferungen ist nicht möglich, wenn in den Rechnungen bzw. Gutschriften nicht der vollständige (wahre) Name und die vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers enthalten ist bzw. wenn es sich bei dem in den Rechnungen einer GmbH angegebenen Sitz um einen bloßen Scheinsitz diverser Briefkastenfirmen handelt.

3. Gutschriften berechtigen nicht zum Vorsteuerabzug, wenn der leistende Unternehmer der Berechtigung des Leistungsempfängers zur Erstellung von Gutschriften niemals zugestimmt hat oder wenn der leistende Unternehmer ein Kleinunternehmer i. S. v. § 19 Abs. 1 UStG ist.

4. Der Vorsteuerabzug aus Altgoldlieferungen bestimmter Lieferanten ist zu versagen, wenn der Leistungsempfänger hätte erkennen müssen, dass er sich mit den Erwerben an Umsätzen beteiligt, die in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen sind; die Beweislast für das „Kennenmüssen” trifft insoweit die zuständigen Steuerbehörden (vgl. EuGH-Rspr.). Einer Gesellschaft als Leistungsempfängerin ist dabei nicht nur das etwaige Wissen ihres Geschäftsführers als ihres gesetzlichen Vertreters, sondern auch das ihrer für die betreffenden Geschäfte zuständigen sonstigen Angestellten in analoger Anwendung von § 166 BGB zuzurechnen.

5. Wurde dem branchenerfahrenen Geschäftsführer schon anlässlich von Ermittlungen der Steuerfahndung gegen Lieferanten in seinem Haus das Geschäftsmodell „Umsatzsteuerbetrug durch Altgoldhandel” erläutert, so hätte sich ihm die Einbeziehung in einen Umsatzsteuerbetrug aufdrängen müssen, wenn u. a. Anbieter mit ausländischen Wurzeln in großen Mengen Altgold gegen Barzahlung an ihn liefern, obwohl sie erst wenige Wochen zuvor in den Goldhandel eingestiegen sind und weder über ausreichende Branchen- und Materialkenntnisse noch über kaufmännische Kenntnisse verfügen, und wenn der Geschäftsführer hierauf trotz ausdrücklicher Hinweise durch die Steuerfahndung nicht reagiert, z. B. durch Einholung weiterer Informationen über seine neuen Lieferanten usw.

6. Die von der Klägerin eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde wurde durch den BFH (Beschluss v. 19.12.2014, XI B 12/14) als unbegründet zurückgewiesen.

 

Normenkette

UStG 2008 § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Sätze 1-2, § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 4 S. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 2, § 2 Abs. 1 S. 1, § 19 Abs. 1 Sätze 1, 4; RL 2006/112/EG Art. 178 Buchst. a, Art. 226 Nr. 5, Art. 220 Abs. 1, Art. 224

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 19.12.2014; Aktenzeichen XI B 12/14)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, inwieweit der Kl im Streitjahr 2010 aus Altgoldlieferungen ein Vorsteuerabzug zusteht.

I.

Die Kl ist eine Gesellschaft, die Gold an- und verkauft.

Ab 2008 wurde ihr und weiteren Unternehmen ihrer Branche zunehmend Altgold, vor allem in Gestalt von Schmuck, von Personen angeboten, die dort zuvor noch nicht in Erscheinung getreten waren. Sie nahm das Material entgegen, analysierte es, ließ es bei einer Scheideanstalt scheiden und verkaufte das gewonnene Edelmetall an eine Bank. Ihren Lieferanten zahlte sie ein Entgelt, das sich nach den Tagespreisen richtete.

2. a) Ende 2008 erhielt die Steuerfahndung X einen Hinweis, dass bei einer ortsansässigen Bank regelmäßig und in kurzen Zeitabständen von der Kl ausgestellte Barschecks mit hohen sechsstelligen Beträgen vorgelegt würden. Nach dem Eindruck der Bank handelte sich bei den Scheckvorlegern vornehmlich um Personen ausländischer Abstammung, denen oft deutsche Sprachkenntnisse fehlten. Den Bankangestellten fiel auf, dass die genannten Personen häufig von offensichtlich ebenfalls aus dem Ausland stammenden Personen begleitet wurden, die angeblich als Dolmetscher oder Beauftragte fungierten. Das ihr für Edelmetallhändler ungewohnt vorkommende Erscheinungsbild der Scheckvorleger ließ die Bank den Verdacht der Geldwäsche schöpfen.

Bei ihren Ermittlungen stellte...

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