Entscheidungsstichwort (Thema)

Tageweise für den Europarat bzw. die WHO tätiger Konferenzdolmetscher kein „Beamter”. leichtfertige Steuerverkürzung durch Unterschreiben der von Steuerberater erstellten Steuererklärung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Einkünfte, die ein im Inland wohnender Dolmetscher für seine tageweise Beschäftigung als Konferenzdolmetscher beim Europarat erzielt, sind nicht nach Art. 18 Buchst. b des Allgemeinen Abkommens über die Vorrechte und Befreiungen des Europarates vom 2.9.1949 (BGBl. II 1954, 494) steuerbefreit (Anschluss an BFH-Urt. v. 6.8.1998 IV R 75/97, BStBl. II 1998, 732).

2. Die Einkünfte, die ein im Inland wohnender Dolmetscher für seine tageweise Beschäftigung als Konferenzdolmetscher bei der Weltgesundheitsorganisation (WHO) erzielt, sind nicht nach Art. VI § 19 des Abkommens über die Vorrechte und Befreiungen der Sonderorganisationen der Vereinten Nationen vom 21.11.1947 steuerbefreit.

3. Der Tatbestand der leichtfertigen Steuerverkürzung ist erfüllt, wenn dem Steuerpflichtigen, der selbst alle Einnahmen aufgeschlüsselt und dabei zwischen „steuerfrei” und „Ausland” differenziert hat, aus den Vorjahren die Steuerbarkeit von im Ausland erzielten Umsätzen bekannt sein muss und er die von seiner Steuerberaterin erstellte, die Auslandsumsätze offensichtlich nicht erfassende Steuererklärung trotzdem unterschrieben hat.

 

Normenkette

EStG § 2 Abs. 1 Nr. 3; EuRatVorRAbk Art. 18 Buchst. b; AO § 169 Abs. 2 S. 2, § 378

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 26.02.2008; Aktenzeichen VIII B 194/06)

BFH (Beschluss vom 26.02.2008; Aktenzeichen VIII B 194/06)

 

Tenor

1. Die Einkommensteueränderungsbescheide für 1992 und 1993 jeweils vom 6. März 2002 werden aufgehoben. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens tragen zu 62 % der Kläger und zu 38 % das Finanzamt.

3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 EUR, gilt dies nur unter der Bedingung einer Sicherheitsleistung in Höhe des darin festgesetzten Erstattungsbetrags. In anderen Fällen darf das FA die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des festgesetzten Kostenerstattungsbetrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob Bezüge, die der Kläger in den Streitjahren 1992–1994 und 1996–1998 für seine kurzfristigen Dolmetschertätigkeiten bei dem Europarat und der Weltgesundheitsorganisation (WHO) erhalten hat, steuerfrei sind, und ob für die Streitjahre 1992 bis 1994 die verlängerte Festsetzungsfrist gemäß § 169 Abs. 2 Satz 2 der Abgabenordnung (AO) gilt.

Der Kläger hatte in den Streitjahren seinen Wohnsitz in D. Er war als selbständiger Dolmetscher u.a. für den Europarat und die WHO aufgrund kurzfristiger Verträge an folgenden Tagen tätig:

Tätigkeit für den Europarat:

1992

1993

1994

1996

1997

1998

vom 17.02. bis 21.02.

vom 28.04. bis 30.04.

am 29.04.

am 20.01.

vom 23.06. bis 24.6.

vom 20.04. bis 23.04.

vom 12.05. bis 16.05.

vom 08.06. bis 09.06.

vom 28.11. bis 29.11.

am 21.11.

vom 25.11. bis 27.11.

am 13.10.

vom 09.12. bis 11.12.

vom 14.10. bis 16.10.

am 01.12.

vom 28.10. bis 29.10.

Tätigkeit für die WHO:

6. bis 8.9.1993 sowie mehrere Tage im Jahr 1994 (Datum unbekannt).

Die Bezüge des Klägers aus seiner Dolmetschertätigkeit beim Europarat und der WHO beliefen sich auf folgende Summen:

Einnahmen Europarat

Einnahmen WHO

1992

21.341 DM

1993

22.108 DM

1.386 DM

1994

4.287 DM

3.162 DM

1996

6.150 DM

1997

7.398 DM

1998

15.926 DM

Der Europarat nahm in seinen Auftragsbestätigungen für die kurzfristigen Einsätze des Klägers jeweils auf die zwischen dem Europarat und dem internationalen Verband der Konferenzdolmetscher „A II C” vereinbarten Beschäftigungsbedingungen Bezug (s. z.B. Engagement N. 3801 vom 6. November 1997, Engagement vom 10. Juni 1997, Engagement N. 4290 vom 24. November 1997, Engagement N. 1649 vom 30. März 1998 und Engagement N. 1212 vom 5. März 1998, Betriebsprüfungshandakte Band 1, Akt.- Bl. 98 ff.). Der Kläger erhielt zudem eine Bescheinigung des Vorstehers des Übersetzungsdienstes des Generalsekretariats des Europarates mit Datum vom 11. März 2003, wonach das Entgelt für seine Übersetzungsdienste gemäß Art. 18 Buchst. b des Abkommens über die Vorrechte und Befreiungen des Europarates (Bundesgesetzblatt – BGBl – II 1954, 494) und der Verfügung des Generalsekretärs des Europarates Nr. 203 vom 18. Januar 1954 von der Steuer auf Gehälter und sonstige Bezüge befreit sei (Gerichtsakte Akt.- Bl. 55).

Die Tätigkeit des Klägers als Konferenzdolmetscher war bereits Gegenstand einer im Jahr 1987 für die Veranlagungszeiträume 1983–1985 durchgeführten Außenprüfung. Damals stellte der Betriebsprüfer in seinem Bericht vom 30. Juni 1989 (Betriebsprüfungsakte Akt.- Bl. 1 ff.) fest: „zu a) Mehreinnahmen 1984: Europarat, Europaparlament: 29.292 DM; Mehreinnahmen 1985: Europarat, Europaparlament: 1.475 ...

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