Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Werbungskostenabzugsverbot für die steuerfreie Reisekostenerstattung übersteigende Dienstreisekosten eines hauptamtlichen Bürgermeisters. Nachrang von § 3 Nr. 12 gegenüber § 3 Nr. 13 EStG

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Mit der gemäß § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG steuerfreien Dienstaufwandsentschädigung nach § 10 Abs. 1, § 11 Abs. 1 der Landeskommunalbesoldungsverordnung des Landes Baden-Württemberg soll der gesamte durch das Amt verursachte persönliche Aufwand abgegolten werden. Aufwendungen eines hauptamtlichen Bürgermeisters für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, Arbeitsmittel, Fortbildungskosten sowie durch das Amt verursachte sonstige Werbungskosten (u.a. Telefonkosten) sind daher nach § 3c Abs. 1 EStG nicht abzugsfähig.

2. Soweit anlässlich von Dienstreisen angefallene Reisekosten und sonstige Mehraufwendungen nicht durch die nach § 3 Nr. 13 EStG steuerfreie Reisekostenerstattung abgegolten sind, resultiert hingegen aus § 3c EStG kein Werbungskostenabzugsverbot. § 3 Nr. 12 EStG ist im Verhältnis zu § 3 Nr. 13 EStG nachrangig.

 

Normenkette

EStG § 3 Nr. 12 S. 2, Nr. 13, § 3c Abs. 1, § 9 Abs. 1 S. 1; LKomBesVO BW § 10 Abs. 1, § 11 Abs. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 19.10.2016; Aktenzeichen VI R 23/15)

 

Tenor

Der Einkommensteuerbescheid für 2009 vom 4. März 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23. März 2012 wird dahingehend abgeändert, dass bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit weitere Werbungskosten in Höhe von 2.837 EUR berücksichtigt werden.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen der Beklagte zu 2/3 und der Kläger zu 1/3.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann der vorläufigen Vollstreckung widersprechen, wenn der Kläger nicht zuvor in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Kostenanspruchs Sicherheit geleistet hat.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob Reisevergütungen im Sinne des § 3 Nr. 13 EStG unter die Vorschrift des § 3 Nr. 12 EStG subsumiert werden können.

Der Kläger war im Streitjahr 2009 hauptamtlicher Bürgermeister des Dezernats × der Stadt Y und erzielte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Er bezog Aufwandsentschädigungen, die vom Arbeitgeber als steuerfrei behandelt wurden, in Höhe von 4.116 EUR (Reisekosten) sowie zusätzlich in Höhe von 7.993 EUR gemäß der im Streitjahr gültigen §§ 10 Abs. 1, 11 Abs. 1 der Landeskommunalbesoldungsverordnung des Landes Baden-Württemberg (LKomBesVO). Demnach wird den Ersten Beigeordneten als Entschädigung für den durch das Amt allgemein verursachten erhöhten persönlichen Aufwand, dessen Bestreitung aus den Dienstbezügen dem Beamten nicht zugemutet werden kann, eine Dienstaufwandsentschädigung in Höhe von 9 v.H. des festgesetzten Grundgehalts gewährt.

In der Einkommensteuererklärung für 2009 machte der Kläger folgende Werbungskosten aus nichtselbständiger Arbeit geltend:

Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte

245 EUR

Arbeitsmittel

142 EUR

Fortbildungskosten

150 EUR

sonstige Werbungskosten (Telefonkosten etc.)

220 EUR

Reisekosten

12.578 km * 0,68 EUR/km =

8.553,04 EUR

Nebenkosten

132,00 EUR

8.685,04 EUR

8.685 EUR

./. Erstattungen

./. 4.116 EUR

4.569 EUR

4.569 EUR

Verpflegungsmehraufwand

72 EUR

./. Erstattungen

./. 15 EUR

57 EUR

57 EUR

5.383 EUR.

Dabei wurde der Kilometersatz wie folgt errechnet:

Abschreibung 5 Jahre aus 37.054 EUR

7.412,00 EUR

Sonstiges (Bl. 19 ESt-Akten)

5.742,05 EUR

13.154,05 EUR

/ 19.390 km =

0,68 EUR/km.

Im Einkommensteuerbescheid für 2009 vom 4. März 2011 berücksichtigte der Beklagte lediglich den Arbeitnehmerpauschbetrag in Höhe von 920 EUR. Die Summe der geltend gemachten Aufwendungen liege unterhalb der steuerfreien Dienstaufwandsentschädigung, mit der grundsätzlich alle durch das Amt entstandenen Aufwendungen abgegolten seien.

Dagegen legte der Kläger mit einfacher E-Mail vom 6. April 2011 Einspruch ein.

Der Einspruch wurde in der Einspruchsentscheidung vom 23. März 2012 als unbegründet zurückgewiesen. Die Dienstaufwandsentschädigung sei gemäß § 3 Nr. 12 Satz 2 Einkommensteuergesetz (EStG) steuerfrei; somit dürften hiermit zusammenhängende Ausgaben gemäß § 3c EStG nicht als Werbungskosten abgezogen werden. Die Entschädigung werde für jeden durch das Amt versurachten persönlichen Aufwand bezahlt, auch für die nicht durch Reisekostenerstattungen abgegoltenen Reisekosten.

Dagegen erhob der Kläger am 24. April 2012 zur Niederschrift der Geschäftsstelle des Finanzgerichts Baden-Württemberg Klage. Das Nebeneinander der steuerfreien Tatbestände in § 3 Nr. 12 EStG und § 3 Nr. 13 EStG bedeute gerade nicht, dass die Aufwandsentschädigung die Reisekosten inkludiere. Diese beiden Bereiche bildeten keine gemeinsame Schnittmenge. Wenn die gesamten Reisekosten von der Aufwandsentschädigung erfasst werden würden, gebe es für eine steuerfreie Erstattung von Reisekosten keinen Raum mehr. Soweit der Beklagte der vermeintlich allumfassenden Aufwandsentschädigung nur den Teil der Reisekosten unterwerfe, der keine...

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