Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeld. Auslandspraktikum als Berufsausbildung. Berücksichtigung der Aufwendungen für Auslandspraktikum bei der Einkunftsgrenze des Kindes. keine Verlagerung des Wohnssitzes durch Auslandspraktikum

 

Leitsatz (redaktionell)

1.Ein im Ausland absolviertes Berufspraktikum, das dem späteren Berufseinstieg in hohem Maße förderlich ist, kann als Berufsausbildung i. S. d. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG zu qualifizieren sein, auch wenn es nicht Voraussetzung für die Zulassung zur Universitätsprüfung ist.

2. Bei einem bezahlten Auslandspraktikum sind bei der Einkunftsgrenze des Kindes nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG Aufwendungen für die auswärtige Unterkunft und Verpflegung nach reisekostenrechtlichen Grundsätzen als ausbildungsbedingter Mehrbedarf auch dann zu berücksichtigen, wenn das Kind im Inland keinen eigenen Hausstand unterhält und in den Hausstand seiner Eltern eingegliedert ist.

3. Ein zeitlich befristetes Auslandspraktikum lässt den Wohnsitz im Inland unberührt.

 

Normenkette

EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2a, Sätze 2, 5, § 70 Abs. 4, § 2 Abs. 2, § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5, Abs. 5, § 4 Abs. 5 Nr. 5 Sätze 2, 4-5; AO § 8

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 09.06.2011; Aktenzeichen III R 28/09)

 

Tenor

1. Unter Aufhebung des Kindergeldaufhebungsbescheids des Beklagten vom 19. Juli 2006 und der Einspruchsentscheidung vom 15. November 2006 wird der Beklagte verpflichtet, Kindergeld zugunsten des Klägers für das Kind X von Januar 2005 bis Dezember 2005 festzusetzen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 EUR, hat der Kläger in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruches Sicherheit zu leisten. Bei einem vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruch bis zur Höhe von 1.500 EUR kann der Beklagte der vorläufigen Vollstreckung widersprechen, wenn der Kläger nicht zuvor in Höhe des vollstreckbaren Kostenanspruchs Sicherheit geleistet hat, §§ 151 FGO i.V.m. 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob das Kind des Klägers gemäß § 32 Abs. 4 S. 2 EStG Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind, von nicht mehr als 7.680 EUR im Kalenderjahr 2005 hatte.

Der Sohn des Klägers, geboren am 15. September 1980, studierte ab dem 1. Oktober 2001 bis zur Erlangung des Diploms im Jahr 2007 Informatik an der Universität A. (vgl. Blatt 54 der Besoldungsakten und Blatt 29 FG-Akten). In der Zeit vom 3. Oktober 2005 bis Ende März 2006 absolvierte der Sohn ein Praktikum bei der Firma (B.) in C. in den Vereinigten Staaten von Amerika. In dieser Zeit war er an der Universität A. immatrikuliert aber beurlaubt.

Der Sohn hatte bei Studienbeginn in A. gemeinsam mit zwei Freunden eine Wohnung in der V.straße in A. gemietet. Dieses Mietverhältnis beendete der Sohn Ende September 2005. Seine Möbel stellte er zum Teil bei einem Freund in A. und zum Großteil bei den Eltern unter. Während des USA-Aufenthalts mietete der Sohn ein 11 Kilometer von seiner Praktikumsstelle in C. entferntes möbliertes Zimmer an. Nach der Beendigung des Praktikums Ende März 2006 kehrte der Sohn nach A. zurück und mietete nun eine Wohnung in der K.straße. Während der gesamten Zeit – also insbesondere auch während des USA-Aufenthaltes – stand dem Sohn sein Zimmer im Haus des Klägers zur Verfügung. Er war dort auch während der gesamten Zeit mit seinem ersten Wohnsitz gemeldet und hatte dort unverändert seinen Lebensmittelpunkt.

Während der Dauer des Praktikums erhielt der Sohn von der B. monatlich 1.400 US-Dollar sowie einen Mietwagen unentgeltlich zur Nutzung. Ausweislich eines Schreibens der B. erhalten Praktikanten keinen Lohn, sondern einen Zuschuss für Unterkunft und Verpflegung von 1.700 US-Dollar im Monat wahlweise auch 1.400 US-Dollar pro Monat sowie die Nutzung eines Mietwagens (Blatt 12 der FG-Akten). Der Sohn des Klägers wählte die zweite Alternative.

Auf entsprechende Aufforderung reichte der Kläger am 17. Juli 2006 eine von ihm und seinem Sohn X unterschriebene Erklärung zu den Einkünften und Bezügen des Sohnes für das abgelaufene Kalenderjahr 2005 und das laufende Kalenderjahr 2006 (Prognose) bei der zuständigen Familienkasse (Beklagter) ein. In dieser Erklärung gaben der Kläger und sein Sohn an, der Sohn habe während des gesamten Kalenderjahres 2005 eine Hochschulausbildung durchgeführt. Ergänzend teilte der Kläger mit, die in den USA entstandenen Aufwendungen seien – als Teil eines studienbedingten Auslandspraktikums – vergleichbar einem Auslandsstudium als besondere Ausbildungskosten anzurechnen. In einer Anlage zu dieser Erklärung findet sich eine Einnahmen/Ausgabenrechnung für eine vom Sohn ausgeübte selbständige Tätigkeit, wonach die Einnahmen aus der selbständigen Tätigkeit 7.647,50 EUR und die Ausgaben 246,62 EUR betrugen. Außerdem findet sich dort folgender Vermerk:

„Bilanz U...

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