rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Vergütungen der für eine gemeinnützige Einrichtung im Bereich der teilstationären Tagespflege im Fahrdienst tätigen Fahrer nach § 3 Nr. 26 EStG steuerfrei

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Bürgerschaftlich engagierte Fahrer, die in neunsitzigen Bussen an weniger als 12 Stunden pro Wochen und damit nebenberuflich für eine in der Altenhilfe tätige gemeinnützige Einrichtung im Bereich der teilstationären Tagespflege ältere pflegebedürftige Menschen an ihrer Wohnung abholen und zur Tagespflege bringen bzw. von der Tagespflege wieder zur Wohnung bringen und u. a. den Menschen beim Ein- und Aussteigen sowie beim Anschnallen helfen sowie sich mit ihnen unterhalten, erbringen eine im Rahmen des § 3 Nr. 26 EStG steuerfreie „nebenberufliche Pflege alter, kranker oder behinderter Menschen”.

2. Der Umstand, dass der Hol- und Bringdienst anders als Kranken- oder Behindertentransporte jeweils von nur einem Fahrer allein durchgeführt wird, lässt nicht die Schlussfolgerung zu, diese Tätigkeit nicht mehr als Pflege, sondern als Sachleistung (Beförderung) anzusehen. Pflege im Sinne des § 3 Nr. 26, 3. Alt. EStG verlangt anders als die Tätigkeiten der in § 3 Nr. 26 1. Alt. EStG genannten Übungsleiter, Ausbilder, Erzieher, Betreuer keine bestimmte Intensität der Betreuung im Sinne einer Einflussnahme auf die geistigen und körperlichen Fähigkeiten der gepflegten Person.

3. In Übereinstimmung mit der gesetzgeberischen Zielsetzung, das bürgerschaftliche Engagement für alte Menschen zu stärken und anzuerkennen, ist der Begriff der „Pflege” in § 3 Nr. 26 EStG weit auszulegen (vgl. FG Köln, Urteil v. 25.2.2015, 3 K 1350/12; FG Hamburg, Urteil v. 23.3.2006, II 317/04).

 

Normenkette

EStG § 3 Nrn. 26, 26 Alt. 3, § 42d Abs. 1 Nr. 1; SGB XI § 41 Abs. 1 S. 2; SGB XII § 71 Abs. 2 Nr. 5

 

Tenor

1. Der Lohnsteuer-Haftungsbescheid vom 12. November 2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. Februar 2016 wird dahingehend geändert, dass der Haftungsbetrag für das Jahr 2011 auf 0 EUR, für das Jahr 2012 auf 16,20 EUR (davon Lohnsteuer 15 EUR, pauschale Kirchensteuer 1,20 EUR), für das Jahr 2013 auf 83,87 EUR (davon Lohnsteuer 77,66 EUR, pauschale Kirchensteuer 6,21 EUR) und für das Jahr 2014 auf 45,36 EUR (davon Lohnsteuer 42,00 EUR, pauschale Kirchensteuer 3,36 EUR) herabgesetzt wird.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

3. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

4. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 EUR, hat die Klägerin in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruches Sicherheit zu leisten. Bei einem vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruch bis zur Höhe von 1.500 EUR kann der Beklagte der vorläufigen Vollstreckung widersprechen, wenn die Klägerin nicht zuvor in Höhe des vollstreckbaren Kostenanspruchs Sicherheit geleistet hat.

5. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist im Rahmen der Überprüfung der Rechtmäßigkeit eines Lohnsteuer-Haftungsbescheids, ob Vergütungen für Fahrer, die für eine Einrichtung der teilstationären Tagespflege im Fahrdienst tätig waren, nach § 3 Nr. 26 des Einkommensteuergesetzes in den für die Jahre 2011 bis 2014 jeweils geltenden Fassungen (EStG) steuerfrei sind.

Die Klägerin, eine gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung in der Trägerschaft der A – Genossenschaft X e.V., ist im Bereich der Altenhilfe tätig und betreibt in X das Seniorenzentrum A (www….A.de). Angeboten werden u.a. vollstationäre Dauerpflege (… Plätze), Kurzzeitpflege (… Plätze), Betreutes Wohnen (… Wohneinheiten), ein ambulanter Pflegedienst sowie … Gruppen (insgesamt Plätze) teilstationäre Tagespflege (vgl. § 41 des Elften Buches SozialgesetzbuchSGB XI–). Die Klägerin ist nach § 5 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) von der Körperschaftsteuer befreit.

Die Einrichtung der Tagespflege ist von Montag bis Freitag bzw. Samstag ab 8 Uhr bis 17 Uhr geöffnet. Sie wird an einem oder mehreren Tagen pro Woche von älteren (von Einzelfällen abgesehen Jahrgang 1935 und älter) pflegebedürftigen Menschen, den „Gästen”, besucht. Von den Gästen (133) sind mindestens 82 % (109) über 75 Jahre alt (Jahrgang 1935 und älter). 58 % (77) der Gäste waren bei Abschluss der Nutzungsverträge bereits in die Pflegestufen I, II oder III (vgl. § 14, § 15 SGB XI i.d.F. des Gesetzes vom 26. März 2007 –SGB XI a.F.–) eingestuft, teilweise war eine entsprechende Einstufung zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch in Vorbereitung. Auf die dahingehenden Angaben in den mit den Gästen abgeschlossenen Nutzungsverträgen (LO – Anlagenkonvolut 7) wird Bezug genommen. Wegen der von der Klägerin zu erbringenden Leistungen wird auf den Rahmenvertrag für teilstationäre Pflege gemäß § 75 Abs. 1 SGB XI (im Folgenden Rahmenvertrag; Anlage 4 zur Klagebegründung, Gerichtsakten Bl. 47 ff.) verwiesen.

Teil der im Rahmen der Tagespflege von der Klägerin zu erbringend...

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