Leitsatz

1. Die Festsetzung von Hinterziehungszinsen für verkürzte Einkommensteuervorauszahlungen neben der Festsetzung von Hinterziehungszinsen für verkürzte Jahreseinkommensteuer desjenigen Veranlagungszeitraums, für den die Vorauszahlungen zu leisten gewesen wären, bewirkt keine Doppelverzinsung desselben Steueranspruchs, wenn sich die den Festsetzungen zugrunde liegenden Zinsläufe nicht überschneiden.

2. Für den (bedingten) Vorsatz, durch die Nichtangabe von Einkünften in der Jahressteuererklärung eines Vorjahres auch Einkommensteuervorauszahlungen gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO zu hinterziehen, ist grundsätzlich erforderlich, dass gegenüber dem Steuerpflichtigen regelmäßig Einkommensteuervorauszahlungen festgesetzt werden und ihm bekannt ist, dass Einkünfte, die in der Einkommensteuererklärung für einen früheren Veranlagungszeitraum nicht angegeben werden, auch für die Festsetzung der Vorauszahlungen nicht ­berücksichtigt werden. Die sichere Kenntnis, in welcher Höhe künftige Einkommensteuervorauszahlungen verkürzt werden, wenn in der Jahressteuererklärung eines Vorjahres Einkünfte nicht angegeben werden, ist für die Annahme des Vorsatzes nicht erforderlich.

 

Normenkette

§ 37 Abs. 1 und 3 EStG, § 3 Abs. 1, § 233a Abs. 2, § 235 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, 3 und 4, § 239 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, § 369 Abs. 2, § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO, § 15 StGB

 

Sachverhalt

Die verheirateten und zusammen veranlagten Kläger erstatteten für die VZ 2003 bis 2013 Selbstanzeigen. In diesen erklärten sie bisher nicht versteuerte ausländische Kapitalerträge der Klägerin nach. Das FA setzte gegen die Kläger sowohl Hinterziehungszinsen aufgrund der Hinterziehung der Jahressteuer als auch der ESt-Vorauszahlungen fest. Das FG gab der hiergegen erhobenen Klage teilweise statt (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 9.2.2018, 13 K 3586/16, Haufe-Index 11844741, EFG 2018, 1430).

 

Entscheidung

Der BFH hat der Revision der Kläger teilweise stattgegeben. Grund hierfür war, dass die Feststellungen des FG für die Festsetzung von Hinterziehungszinsen für einzelne Zinszeiträume nicht dessen Würdigung getragen haben, dass die Kläger den objektiven und subjektiven Tatbestand der Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO verwirklicht haben. Der BFH hat insoweit das FG-Urteil aufgehoben und den Rechtsstreit zurückverwiesen. Im Übrigen wurde die Revision als unbegründet zurückgewiesen.

 

Hinweis

1. Wie der vorliegende Fall zeigt, können bei der Hinterziehung einer Steuer nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 AOzwei Hinterziehungstatbestände vorliegen, die zur Festsetzung von Hinterziehungszinsen gemäß § 235 Abs. 1 Satz 1 AO führen. Dies ist der Fall, wenn auf die Jahressteuer Vorauszahlungen zu leisten sind. Denn die unrichtigen Angaben in der Jahressteuererklärung führen auch dazu, dass die gesetzlich geschuldeten Vorauszahlungen für einen nachfolgenden VZ von der Finanzbehörde nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden.

2. Durch die Festsetzung von Hinterziehungszinsen gemäß § 235 Abs. 1 Satz 1 AO soll der Vorteil abgeschöpft werden, den der Täter durch die verspätete Zahlung der verkürzten Steuer erlangt. Auch hinterzogene ESt-Vorauszahlungen sind hinterzogene Steuern i.S.d. § 235 AO und können Gegenstand einer eigenständigen Verzinsung sein. Dies gilt auch dann, wenn ESt-Vorauszahlungen und die Jahres-ESt für denselben VZ kumulativ hinterzogen werden.

3. Eine systemwidrige Doppelbelastung desselben Steueranspruchs mit Hinterziehungszinsen kann durch die Abgrenzung der Zinsläufe vermieden werden. Der Zinslauf für die Hinterziehungszinsen zu den ESt-Vorauszahlungen gemäß § 235 Abs. 2 und Abs. 3 AO beginnt zum jeweiligen gesetzlichen Fälligkeitstag i.S.d. § 37 Abs. 1 Satz 1 EStG (10.3./­10.6./10.9./10.12.). Er endet in dem Zeitpunkt, in dem gemäß § 235 Abs. 2 AO der Zinslauf für die Hinterziehungszinsen zur verkürzten Jahres-ESt beginnt. Für die hinterzogene Jahres-ESt beginnt dieser Zinslauf gemäß § 235 Abs. 2 Halbsatz 1 AO entweder mit der Bekanntgabe des unzutreffenden Jahressteuerbescheids oder bei Festsetzung einer Abschlusszahlung mit deren Fälligkeit (§ 36 Abs. 4 Satz 1 EStG i. V. m. § 235 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 AO). Zudem endet der Zinslauf der Hinterziehungszinsen für die hinterzogenen Vorauszahlungen mit dem Ablauf der Karenzzeit des § 233a Abs. 2 Satz 1 AO, falls dieser Zeitpunkt vor der Bekanntgabe des Jahressteuerbescheids oder der Fälligkeit der Abschlusszahlung liegt.

4. Die Festsetzung der Hinterziehungszinsen zu den ESt-Vorauszahlungen muss zudem vor dem Ablauf der Festsetzungsfrist gemäß § 239 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO erfolgen. Diese beträgt ein Jahr. Sie beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Festsetzung der hinterzogenen Vorauszahlungen unanfechtbar geworden ist, jedoch nicht vor Ablauf des Kalenderjahres, in dem ein eingeleitetes Strafverfahren rechtskräftig abgeschlossen worden ist. Beide Voraussetzungen waren vorliegend nicht erfüllt, sodass die Jahresfrist nicht zu laufen begann. Der in der Literatur vertretenen Auffassung, dass die Jah...

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