Leitsatz

Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden folgende Rechtsfragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Steht die Kapitalverkehrsfreiheit des Art. 73b EGV (ab 1.5.1999 Art. 56 EG) einer nationalen Regelung (hier: § 18 Abs. 3 AuslInvestmG), wonach für inländische Beteiligte an ausländischen Investmentfonds unter bestimmten Voraussetzungen zusätzlich zu den Ausschüttungen fiktive Einnahmen in Höhe von 90 % der Differenz zwischen dem ersten und dem letzten Rücknahmepreis des Jahres, mindestens aber 10 % des letzten Rücknahmepreises (oder des Börsen- oder Marktwerts) anzusetzen sind, bei Beteiligungen an Drittstaatenfonds deshalb nicht entgegen, weil die seit dem 31.12.1993 im Wesentlichen unveränderte Regelung im Zusammenhang mit der Erbringung von Finanzdienstleistungen im Sinne der Bestandsschutzregelung des Art. 73c Abs. 1 EGV (ab 1.5.1999 Art. 57 Abs. 1 EG) steht?

Sofern die Frage 1 nicht bejaht wird:

2. Stellt die Beteiligung an einem solchen Investmentfonds mit Sitz in einem Drittland stets eine Direktinvestition i.S.d. Art. 73c Abs. 1 EGV (ab 1.5.1999 Art. 57 Abs. 1 EG) dar oder ist die Antwort hierauf davon abhängig, ob die Beteiligung dem Anleger aufgrund von nationalen Vorschriften des Sitzstaates des Investmentfonds oder aus anderen Gründen die Möglichkeit gibt, sich effektiv an der Verwaltung oder der Kontrolle des Investmentfonds zu beteiligen?

 

Normenkette

§ 17, § 18 AuslInvestmG, Art. 73b, 73c, 73d (ab 1.5.1999: EG Art. 56, 57, 58) EGV

 

Sachverhalt

Die verstorbene Mutter der Klägerin unterhielt in den Streitjahren unter anderem ein Depot bei einer Bank in Liechtenstein. In diesem befanden sich auch Anteile an Investmentfonds, die ihren Sitz auf den Kaimaninseln hatten. Diese Investmentfonds sind ihren Anzeige-, Zulassungs- und Nachweispflichten i.S.d. § 17 Abs. 3 AuslInvestmG in Deutschland nicht nachgekommen. Sie bestellten auch keinen Vertreter des Investmentfonds i.S.d. § 18 Abs. 2 Satz 3 AuslInvestmG. Aufgrund dessen gehörten die Fonds zu den sogenannten "schwarzen Fonds" i.S.d. § 18 Abs. 3 AuslInvestmG.

Die Mutter der Klägerin erklärte gegenüber dem FA im Nachhinein Erträge aus diesen Fonds anhand von Unterlagen, welche die Liechtensteinische Bank zur Verfügung gestellt hatte, jedoch unter Anwendung des § 18 Abs. 3 AuslInvestmG. Das FA legte der Veranlagung diese Erträge zugrunde. Im Einspruchsverfahren begehrte die Mutter der Klägerin den Ansatz ihrer Kapitalerträge nach Maßgabe des § 18 Abs. 1 AuslInvestmG und stellte dem FA die dafür erforderlichen Unterlagen und Berechnungen zur Verfügung. Das FA wies den Einspruch als unbegründet zurück.

Das FG war der Auffassung, dass § 18 Abs. 3 AuslInvestmG gegen die Kapitalverkehrsfreiheit verstoße, die auch für Drittstaaten gelte. Aufgrund dessen setzte das FG die von der Mutter der Klägerin ermittelten tatsächlichen Kapitalerträge für die Fonds an (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 27.2.2012, 9 K 4048/09, Haufe-Index 3514848).

Dagegen hat das FA Revision eingelegt. Das BMF ist dem Revisionsverfahren beigetreten.

 

Entscheidung

Der BFH hat dem EuGH die im Leitsatz erwähnten Rechtsfragen zur Vorabentscheidung vorgelegt. Dazu wird auf die Praxis-Hinweise verwiesen.

 

Hinweis

1. Erträge aus inländischen und ausländischen Investmentfonds wurden bis Ende 2003 nach dem AuslInvestmG unterschiedlich besteuert. Wenn die Erträge aus inländischen Fonds nicht nachgewiesen wurden, waren (und sind sie auch heute) notfalls zu schätzen. Für ausländische Fonds schrieb das AuslInvestmG dagegen besondere Anzeige- und Bekanntmachungspflichten vor. Außerdem hatten ausländische Fonds einen inländischen Vertreter zu bestellen. Waren diese Voraussetzungen nicht erfüllt, handelte es sich um "schwarze" Fonds. Für sie schrieb § 18 Abs. 3 AuslInvestmG eine fiktive pauschale Ertragsermittlung vor, die regelmäßig zu höheren Erträgen führte als bei inländischen Fonds. Die tatsächliche Höhe der erzielten Erträge war für die Besteuerung ohne Bedeutung.

2. Der BFH (der hier entscheidende VIII. Senat wie auch zuvor schon der I. Senat) sieht in dieser Pauschalbesteuerung einen offensichtlichen Verstoß gegen die europarechtliche Kapitalverkehrsfreiheit, weil inländische Anleger durch die verschärfte Besteuerung solcher ausländischer Erträge davon abgehalten werden können, sich an ausländischen "schwarzen" Fonds zu beteiligen. Diese Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit ist nicht zu rechtfertigen. Beteiligungen an inländischen und ausländischen Fonds sind grundsätzlich objektiv vergleichbar. Auch ist der Nachweis von Erträgen aus ausländischen Fonds nicht von vornherein unmöglich. Das Gesetz nimmt zu Unrecht keine Rücksicht darauf, ob mit dem jeweiligen Drittstaat ein Amtshilfeabkommen besteht, dass eine Nachprüfung der Erträge ermöglicht. Jedenfalls ist die Pauschalbesteuerung unverhältnismäßig, weil sie den Nachweis der tatsächlichen Erträge für die Besteuerung ausnahmslos ausschließt.

3. Ein Verstoß einer inländischen Steuerrechtsnorm gegen europarechtliche Grundfreiheiten hat grundsätzli...

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