Entscheidungsstichwort (Thema)

Fusionsrichtlinie, Besteuerung der Veräußerungsgewinne einer gebietsfremden Betriebsstätte, Veräußerungsgewinne bei Einbringung von Unternehmensteilen, Zeitpunkt, zu dem der Veräußerungsgewinn realisiert wird

 

Leitsatz (amtlich)

Art. 49 AEUV ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden ‐ die in dem Fall, dass eine gebietsansässige Gesellschaft im Rahmen der Einbringung von Unternehmensteilen eine gebietsfremde Betriebsstätte an eine ebenfalls gebietsfremde Gesellschaft überträgt, zum einen die sofortige Besteuerung des anlässlich dieser Übertragung entstandenen Veräußerungsgewinns vorsieht und zum anderen keinen Aufschub bei der Beitreibung der geschuldeten Steuer gestattet, während ein solcher Veräußerungsgewinn bei einem entsprechenden inländischen Sachverhalt erst bei der Veräußerung der eingebrachten Vermögensgegenstände besteuert wird ‐ dann entgegensteht, wenn diese Regelung keinen Aufschub bei der Beitreibung einer solchen Steuer ermöglicht.

 

Normenkette

AEUV Art. 49

 

Beteiligte

A Oy

Finnischer Staat

A Oy

 

Verfahrensgang

Helsingin hovioikeus (Finnland) (Beschluss vom 20.05.2016; Abl.EU 2016, Nr. C 270/31)

 

Tatbestand

„Vorlage zur Vorabentscheidung ‐ Niederlassungsfreiheit ‐ Direkte Besteuerung ‐ Körperschaftsteuer ‐ Richtlinie 90/434/EWG ‐ Art. 10 Abs. 2 ‐ Einbringung von Unternehmensteilen ‐ Gebietsfremde Betriebsstätte, die bei einer Einbringung von Unternehmensteilen an eine ebenfalls gebietsfremde übernehmende Gesellschaft übertragen wird ‐ Recht des Mitgliedstaats der einbringenden Gesellschaft zur Besteuerung der anlässlich der Einbringung von Unternehmensteilen entstandenen Gewinne oder Veräußerungsgewinne dieser Betriebsstätte ‐ Nationale Regelung, die die sofortige Besteuerung der Gewinne oder Veräußerungsgewinne ab dem Jahr der Übertragung vorsieht ‐ Beitreibung der Steuer als Einkünfte des Steuerjahrs, in dem die Einbringung von Unternehmensteilen erfolgt ist“

In der Rechtssache C-292/16

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Helsingin hallinto-oikeus (Verwaltungsgericht Helsinki, Finnland) mit Entscheidung vom 20. Mai 2016, beim Gerichtshof eingegangen am 25. Mai 2016, in dem Verfahren

A Oy

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter C. G. Fernlund (Berichterstatter), J.-C. Bonichot, A. Arabadjiev und E. Regan,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 8. Juni 2017,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

‐ der A Oy, vertreten durch T. Torkkel,

‐ der finnischen Regierung, vertreten durch S. Hartikainen als Bevollmächtigten,

‐ der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze als Bevollmächtigten,

‐ der schwedischen Regierung, vertreten durch A. Falk, C. Meyer-Seitz, H. Shev, U. Persson und N. Otte Widgren als Bevollmächtigte,

‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch W. Roels und I. Koskinen als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 13. Juli 2017

folgendes

Urteil

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 49 AEUV und Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 90/434/EWG des Rates vom 23. Juli 1990 über das gemeinsame Steuersystem für Fusionen, Spaltungen, die Einbringung von Unternehmensteilen und den Austausch von Anteilen, die Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten betreffen (ABl. 1990, L 225, S. 1, im Folgenden: Fusionsrichtlinie).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Verfahrens vor dem Helsingin hallinto-oikeus (Verwaltungsgericht Helsinki, Finnland), das die A Oy, eine Gesellschaft finnischen Rechts, angestrengt hat und das die sofortige Besteuerung der Veräußerungsgewinne einer gebietsfremden Betriebsstätte dieser Gesellschaft, die bei der Übertragung dieser Betriebsstätte an eine ebenfalls gebietsfremde Gesellschaft im Rahmen einer Einbringung von Unternehmensteilen entstanden sind, und die Beitreibung der geschuldeten Steuer als Einkünfte des Steuerjahrs, in dem die Übertragung stattgefunden hat, betrifft.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Nach Art. 2 Buchst. c der Fusionsrichtlinie gilt:

,,Im Sinne dieser Richtlinie ist

c) ‚Einbringung von Unternehmensteilen‘ der Vorgang, durch den eine Gesellschaft, ohne aufgelöst zu werden, ihren Betrieb insgesamt oder einen oder mehrere Teilbetriebe in eine andere Gesellschaft gegen Gewährung von Anteilen am Gesellschaftskapital der übernehmenden Gesellschaft einbringt;

…“

Rz. 4

Art. 10 Abs. 2 dieser Richtlinie lautet:

„… [D]er Mitgliedstaat der einbringenden Gesellschaft [ist], sofern er ein System der Weltgewinnbesteuerung anwendet, berechtigt, die anlässlich der Fusion, Spaltung oder Einbringung von Unternehmensteilen entstehenden Gewinne oder Veräußerungsgewinne der Betriebsstätte zu besteuern, vorausgesetzt, dass er die Steuer, die ohne die Bestimmungen dieser Richtlinie auf diese Gewinne oder Veräußerung...

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