Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerbefreiung für Pooling-Leistungen, Beschränkung der Steuerbefreiung auf Gemeinwohltätigkeiten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Bundesrepublik Deutschland hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem verstoßen, dass sie die Mehrwertsteuerbefreiung auf selbständige Zusammenschlüsse von Personen beschränkt, deren Mitglieder eine begrenzte Anzahl von Berufen ausüben.

2. Die Bundesrepublik Deutschland trägt die Kosten.

 

Normenkette

EGRL 112/2006 Art. 132 Abs. 1 Buchst. f

 

Beteiligte

Kommission / Deutschland

EU-Kommission

Bundesrepublik Deutschland

 

Tatbestand

„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats ‐ Steuerwesen ‐ Mehrwertsteuer ‐ Richtlinie 2006/112/EG ‐ Art. 132 Abs. 1 Buchst. f ‐ Steuerbefreiung für Dienstleistungen, die selbständige Zusammenschlüsse von Personen an ihre Mitglieder erbringen ‐ Beschränkung auf selbständige Zusammenschlüsse, deren Mitglieder eine begrenzte Anzahl von Berufen ausüben“

In der Rechtssache C-616/15

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 258 AEUV, eingereicht am 20. November 2015,

Europäische Kommission, vertreten durch M. Owsiany-Hornung, B.-R. Killmann und R. Lyal als Bevollmächtigte,

Klägerin,

gegen

Bundesrepublik Deutschland,vertreten durch T. Henze, J. Möller und K. Petersen als Bevollmächtigte,

Beklagte,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten T. von Danwitz, der Richter E. Juhász und C. Vajda (Berichterstatter), der Richterin K. Jürimäe und des Richters C. Lycourgos,

Generalanwalt: M. Wathelet,

Kanzler: X. Lopez Bancalari, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 15. Februar 2017,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 5. April 2017

folgendes

Urteil

Rz. 1

Mit ihrer Klage beantragt die Europäische Kommission, festzustellen, dass die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1) verstoßen hat, dass sie die Mehrwertsteuerbefreiung auf selbständige Zusammenschlüsse von Personen (im Folgenden: Zusammenschlüsse) beschränkt, deren Mitglieder eine begrenzte Anzahl von Berufen ausüben.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Sechste Richtlinie

Rz. 2

Die Sechste Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. 1977, L 145, S. 1, im Folgenden: Sechste Richtlinie) wurde mit Wirkung vom 1. Januar 2007 durch die Richtlinie 2006/112 aufgehoben und ersetzt. Art. 4 Abs. 5 der Sechsten Richtlinie sah vor:

„Staaten, Länder, Gemeinden und sonstige Einrichtungen des öffentlichen Rechts gelten nicht als Steuerpflichtige, soweit sie die Tätigkeiten ausüben oder Leistungen erbringen, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen, auch wenn sie im Zusammenhang mit diesen Tätigkeiten oder Leistungen Zölle, Gebühren, Beiträge oder sonstige Abgaben erheben.

Falls sie jedoch solche Tätigkeiten ausüben oder Leistungen erbringen, gelten sie für diese Tätigkeiten oder Leistungen als Steuerpflichtige, sofern eine Behandlung als Nicht-Steuerpflichtige zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde.

Die vorstehend genannten Einrichtungen gelten in jedem Fall als Steuerpflichtige in Bezug auf die in Anhang D aufgeführten Tätigkeiten, sofern der Umfang dieser Tätigkeiten nicht unbedeutend ist.

…“

Rz. 3

Art. 13 Teil A der Sechsten Richtlinie bestimmte:

„(1) Unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsvorschriften befreien die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen festsetzen, von der Steuer:

f) die Dienstleistungen, die die selbständigen Zusammenschlüsse von Personen, die eine Tätigkeit ausüben, die von der Steuer befreit ist, oder für die sie nicht Steuerpflichtige sind, an ihre Mitglieder für unmittelbare Zwecke der Ausübung dieser Tätigkeit erbringen, soweit diese Zusammenschlüsse von ihren Mitgliedern lediglich die genaue Erstattung des jeweiligen Anteils an den gemeinsamen Kosten fordern, vorausgesetzt, dass diese Befreiung nicht zu Wettbewerbsverzerrungen führt;

…“

Rz. 4

Art. 28 Abs. 3 und 4 dieser Richtlinie sah vor:

„(3) Während der in Absatz 4 genannten Übergangszeit können die Mitgliedstaaten

a) die in Anhang E aufgeführten nach Artikel 13 oder 15 befreiten Umsätze weiterhin besteuern;

(4) Die Übergangszeit wird zunächst auf fünf Jahre, beginnend mit dem 1. Januar 1978, festgelegt. Spätestens sechs Monate vor Ende dieses Zeitraums ‐ und später je nach Bedarf ‐ überprüft der Rat an Hand eines Berichts der Kommission die Lage, die sich durch...

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