Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerbefreiung, Geschäftsveräußerung im Ganzen, Vermietung und Verpachtung von Grundstücken, Einheitlichkeit der Leistung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Begriff „Übertragung eines Gesamtvermögens oder eines Teilvermögens” im Sinne von Art. 19 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist dahin auszulegen, dass er einen Umsatz nicht erfasst, mit dem eine Immobilie, die einem Geschäftsbetrieb diente, einschließlich aller Sachanlagen und Inventargegenstände verpachtet wird, selbst wenn der Pächter diesen Betrieb unter demselben Namen wie der Verpächter fortführt.

2. Art. 135 Abs. 1 Buchst. l der Richtlinie 2006/112 ist dahin auszulegen, dass ein Pachtvertrag, der eine Immobilie, die einem Geschäftsbetrieb diente, sowie sämtliche für diesen Betrieb erforderlichen Sachanlagen und Inventargegenstände zum Gegenstand hat, eine einheitliche Leistung darstellt, bei der die Verpachtung der Immobilie die Hauptleistung ist.

 

Normenkette

EGRL 112/2006 Art. 19, 135 Abs. 1 Buchst. l

 

Beteiligte

Mailat

Virgil Mailat, Delia Elena Mailat

Apcom Select SA

 

Verfahrensgang

Tribunalul Mures (Rumänien) (Beschluss vom 20.12.2017; Abl.EU 2018, Nr. C 123/11)

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunalul Mureş (Landgericht Mureş, Rumänien) mit Entscheidung vom 20. Dezember 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 9. Januar 2018, in dem Strafverfahren gegen

Virgil Mailat,

Delia Elena Mailat,

Apcom Select SA

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zehnte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten F. Biltgen (Berichterstatter) in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Zehnten Kammer, des Richters E. Levits und der Richterin M. Berger,

Generalanwältin: E. Sharpston,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von Herrn Mailat, vertreten durch L. Chiriac und O. D. Crăciun, avocaţi,
  • von Frau Mailat, vertreten durch S. Bogdan und D.-S. Chertes, avocaţi,
  • der rumänischen Regierung, zunächst vertreten durch R.-H. Radu, dann durch C.-R. Canţăr, O. C. M. Florescu und E. Gane als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Armenia und R. Lyal als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 19 und 29 sowie von Art. 135 Abs. 1 Buchst. l der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1, im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Strafverfahrens gegen Herrn Virgil Mailat und Frau Delia Elena Mailat sowie gegen die Handelsgesellschaft Apcom Select SA, deren Geschäftsführer Herr und Frau Mailat waren. In diesem Verfahren wird ihnen Steuerhinterziehung zur Last gelegt, weil sie, nachdem sie auf Arbeiten in einer für ihre Geschäftstätigkeit genutzten Immobilie einen Vorsteuerabzug vorgenommen hatten, die Mehrwertsteuer nicht berichtigten, als sie die fragliche Immobilie und die zur Fortsetzung der Geschäftstätigkeit benötigten beweglichen Gegenstände verpachteten.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Art. 19 der Mehrwertsteuerrichtlinie lautet:

„Die Mitgliedstaaten können die Übertragung eines Gesamt- oder Teilvermögens, die entgeltlich oder unentgeltlich oder durch Einbringung in eine Gesellschaft erfolgt, behandeln, als ob keine Lieferung von Gegenständen vorliegt, und den Begünstigten der Übertragung als Rechtsnachfolger des Übertragenden ansehen.

Die Mitgliedstaaten können die erforderlichen Maßnahmen treffen, um Wettbewerbsverzerrungen für den Fall zu vermeiden, dass der Begünstigte nicht voll steuerpflichtig ist. Sie können ferner die erforderlichen Maßnahmen treffen, um Steuerhinterziehungen oder -umgehungen durch die Anwendung dieses Artikels vorzubeugen.”

Rz. 4

Art. 29 dieser Richtlinie sieht vor:

„Artikel 19 gilt unter den gleichen Voraussetzungen für Dienstleistungen.”

Rz. 5

Art. 135 Abs. 1 Buchst. l der Mehrwertsteuerrichtlinie bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten befreien folgende Umsätze von der Steuer:

l) Vermietung und Verpachtung von Grundstücken.”

Rumänisches Recht

Rz. 6

Art. 149 der Legea nr. 571/2003 privind Codul fiscal (Gesetz Nr. 571/2003 über das Steuergesetzbuch) vom 23. Dezember 2003 (Monitorul Oficialal României, Teil I, Nr. 927 vom 23. Dezember 2003) in der im Dezember 2007 geltenden Fassung bestimmt:

„(1) Im Sinne dieses Artikels ist

d) die abziehbare Vorsteuer für Investitionsgüter die für Umsätze jeder Art im Zusammenhang mit dem Erwerb, der Herstellung, der Umwandlung oder der Modernisierung dieser Güter gezahlte oder geschuldete Steuer, ausgenommen die für Reparaturen oder die Instandhaltung dieser Güter gezahlte oder geschuldete Steuer oder die Steuer für den Erwerb von zur Reparatur oder der Instandhaltung von Investitionsgütern be...

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