Entscheidungsstichwort (Thema)

Konzernsteuerabzug (Verlustverrechnung) einer Holding mit im Ausland ansässigen Tochtergesellschaften

 

Leitsatz (amtlich)

1.

Artikel 52 EG-Vertrag steht Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats entgegen, die bei in diesem Mitgliedstaat ansässigen Gesellschaften, die zu einem Konsortium gehören, über das ihnen eine Holdinggesellschaft gehört, und die von ihrer Niederlassungsfreiheit Gebrauch machen, um über diese Holdinggesellschaft Tochtergesellschaften in anderen Mitgliedstaaten zu gründen, den Anspruch auf eine Steuerermäßigung an die Voraussetzung knüpfen, daß die Tätigkeit der Holdinggesellschaft ganz oder hauptsächlich im Halten der Aktien von in dem betreffenden Mitgliedstaat ansässigen Tochtergesellschaften besteht.

2.

Unter Umständen wie denen des Ausgangsrechtsstreits schreibt Artikel 5 EG-Vertrag dem nationalen Gericht weder vor, seine Rechtsvorschriften gemeinschaftsrechtskonform auszulegen, noch, sie in einer Situation, die nicht in den Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts fällt, unangewendet zu lassen.

 

Normenkette

EWGVtr Art. 52, 5

 

Beteiligte

Imperial Chemical Industries

Imperial Chemical Industries plc (ICI)

Kenneth Hall Colmer (HM Inspector of Taxes)

 

Verfahrensgang

House of Lords (Großbritannien)

 

Tatbestand

"Niederlassungsrecht - Gesellschaftsteuer - Konzerninterne Übertragung des Anspruchs auf eine Steuerermäßigung für Geschäftsverluste von einer Gesellschaft auf eine andere - Voraussetzung bezüglich des Sitzes der Konzerngesellschaften - Diskriminierung aufgrund des Sitzes - Pflichten des nationalen Gerichts"

In der Rechtssache C-264/96

betreffend ein dem Gerichtshof gemäß Artikel 177 EG-Vertrag vom House of Lords (Vereinigtes Königreich) in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit

Imperial Chemical Industries plc (ICI)

gegen

Kenneth Hall Colmer (HM Inspector of Taxes)

vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung der Artikel 5 und 52 EG-Vertrag

erläßt

DER GERICHTSHOF

unter Mitwirkung des Präsidenten G. C. Rodríguez Iglesias, der Kammerpräsidenten H. Ragnemalm, M. Wathelet (Berichterstatter) und R. Schintgen sowie der Richter G. F. Mancini, J. C. Moitinho de Almeida, J. L. Murray, D. A. O. Edward, P. Jann, L. Sevón und K. M. Ioannou,

Generalanwalt: G. Tesauro

Kanzler: L. Hewlett, Verwaltungsrätin

unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen

- der Imperial Chemical Industries plc (ICI), vertreten durch Peter Whiteman, QC, und Barrister Christopher Vajda, beauftragt durch Hammond Suddards, Solicitors,

- der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch John E. Collins, Assistant Treasury Solicitor, als Bevollmächtigten im Beistand von Derrick Wyatt, QC, und Barrister Rabinder Singh,

- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch Peter Oliver und Hélène Michard, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigte,

aufgrund des Sitzungsberichts,

nach Anhörung der mündlichen Ausführungen der Imperial Chemical Industries plc (ICI), der Regierung des Vereinigten Königreichs und der Kommission in der Sitzung vom 14. Oktober 1997,

nach Anhörung der Schlußanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 16. Dezember 1997,

folgendes

Urteil

1.

Das House of Lords hat mit Beschluß vom 24. Juli 1996, beim Gerichtshof eingegangen am 29. Juli 1996, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag zwei Fragen nach der Auslegung der Artikel 5 und 52 EG-Vertrag zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2.

Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen der Imperial Chemical Industries plc (im folgenden: ICI) und der britischen Steuerverwaltung über deren Weigerung, ICI eine Steuerermäßigung für Geschäftsverluste zu gewähren, die eine Tochtergesellschaft der Holdinggesellschaft, die ICI über ein Konsortium gehört, erlitten hat.

3.

ICI hat ihren Sitz im Vereinigten Königreich und bildet mit der Wellcome Foundation Ltd, die ihren Sitz ebenfalls in diesem Mitgliedstaat hat, ein Konsortium, über das ihnen die Gesellschaft Coopers Animal Health (Holdings) Ltd (im folgenden: Holdings), und zwar ICI zu 49 % und der Wellcome Foundation Ltd zu 51 %, gehört.

4.

Die einzige Tätigkeit von Holdings besteht im Halten der Aktien von 23 Tochterhandelsgesellschaften, die in zahlreichen Ländern tätig sind. Von diesen 23 Tochtergesellschaften haben vier, darunter die Coopers Animal Health Ltd (im folgenden: CAH), ihren Sitz im Vereinigten Königreich, sechs in anderen Mitgliedstaaten und 13 in Drittländern.

5.

CAH erlitt bei ihrer geschäftlichen Tätigkeit im Vereinigten Königreich in den Geschäftsjahren 1985, 1986 und 1987 Verluste. ICI beantragte gemäß den Sections 258 bis 264 des Income and Corporation Taxes Act 1970 (Einkommen- und Körperschaftsteuergesetz von 1970; im folgenden: Gesetz), im Wege der Steuerermäßigung von den steuerpflichtigen Gewinnen, die sie in diesen Geschäftsjahren erzielt hatte, einen Betrag in Höhe von 49 % (entsprechend ihrem Anteil an Holdings) der in diesen Zeiträumen bei CAH angefallenen Verluste abzusetzen.

6.

Bezüglich der Voraussetzungen und Modalitäten eine...

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