Entscheidungsstichwort (Thema)

Zeitpunkt der Steuerentstehung, Istversteuerung, Verbindung der Istversteuerung mit Steuerentstehung nach Leistungsdatum

 

Leitsatz (amtlich)

Art. 66 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem in der durch die Richtlinie 2008/117/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, wonach der Mehrwertsteueranspruch für Transport- und Speditionsdienstleistungen zum Zeitpunkt der Vereinnahmung der gesamten Zahlung oder einer Teilzahlung, spätestens jedoch am 30. Tag ab dem Tag der Erbringung dieser Dienstleistungen entsteht, selbst wenn die Rechnung vorher ausgestellt wurde und einen späteren Zahlungstermin vorsieht.

 

Normenkette

EGRL 112/2006 Art. 66

 

Beteiligte

TNT Express Worldwide

TNT Express Worldwide (Poland) Sp. z o.o

Minister Finansów

 

Verfahrensgang

Naczelny Sąd Administracyjny (Polen) (Urteil vom 04.01.2012; ABl. EU 2012, Nr. C 209/2)

 

Tatbestand

„Mehrwertsteuer ‐ Richtlinie 2006/112/EG ‐ Art. 66 Buchst. a bis c ‐ Transport- und Speditionsdienstleistungen ‐ Entstehung des Steueranspruchs ‐ Zeitpunkt der Vereinnahmung des Preises und spätestens 30. Tag nach der Leistung ‐ Vorherige Ausstellung der Rechnung“

In der Rechtssache C-169/12

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Naczelny Sąd Administracyjny (Polen) mit Entscheidung vom 4. Januar 2012, beim Gerichtshof eingegangen am 10. April 2012, in dem Verfahren

TNT Express Worldwide (Poland) sp. z o.o.

gegen

Minister Finansów

erlässt

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin M. Berger sowie der Richter A. Borg Barthet (Berichterstatter) und E. Levits,

Generalanwalt: M. Wathelet,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

‐ der TNT Express Worldwide (Poland) sp. z o.o., vertreten durch Z. Modzelewski und M. Militz als Berater,

‐ der polnischen Regierung, vertreten durch M. Szpunar und B. Majczyna als Bevollmächtigte,

‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch J. Hottiaux und C. Soulay als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 66 Buchst. a bis c der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347, S. 1) in der durch die Richtlinie 2008/117/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 (ABl. L 14, S. 7) geänderten Fassung (im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der TNT Express Worldwide (Poland) sp. z o.o. (im Folgenden: TNT) und dem Minister Finansów (Finanzminister) über die Bestimmung des Zeitpunkts, zu dem der Mehrwertsteueranspruch entsteht.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Der 24. Erwägungsgrund der Mehrwertsteuerrichtlinie lautet:

„Die Begriffe ‚Steuertatbestand‘ und ‚Steueranspruch‘ sollten harmonisiert werden, damit die Anwendung und die späteren Änderungen des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems in allen Mitgliedstaaten zum gleichen Zeitpunkt wirksam werden.“

Rz. 4

Art. 63 der Mehrwertsteuerrichtlinie lautet:

„Steuertatbestand und Steueranspruch treten zu dem Zeitpunkt ein, zu dem die Lieferung von Gegenständen bewirkt oder die Dienstleistung erbracht wird.“

Rz. 5

Art. 64 der Mehrwertsteuerrichtlinie bestimmt:

„(1) Geben Lieferungen von Gegenständen, die nicht die Vermietung eines Gegenstands oder den Ratenverkauf eines Gegenstands im Sinne des Artikels 14 Absatz 2 Buchstabe b betreffen, und Dienstleistungen zu aufeinander folgenden Abrechnungen oder Zahlungen Anlass, gelten sie jeweils als mit Ablauf des Zeitraums bewirkt, auf den sich diese Abrechnungen oder Zahlungen beziehen.

(2) …

In bestimmten, nicht von Unterabsatz 1 erfassten Fällen können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass kontinuierliche Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die sich über einen bestimmten Zeitraum erstrecken, mindestens jährlich als bewirkt gelten.“

Rz. 6

Art. 65 der Mehrwertsteuerrichtlinie bestimmt:

„Werden Anzahlungen geleistet, bevor die Lieferung von Gegenständen bewirkt oder die Dienstleistung erbracht ist, entsteht der Steueranspruch zum Zeitpunkt der Vereinnahmung entsprechend dem vereinnahmten Betrag.“

Rz. 7

Art. 66 der Mehrwertsteuerrichtlinie sieht vor:

„Abweichend von den Artikeln 63, 64 und 65 können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass der Steueranspruch für bestimmte Umsätze oder Gruppen von Steuerpflichtigen zu einem der folgenden Zeitpunkte entsteht:

a) spätestens bei der Ausstellung der Rechnung;

b) spätestens bei der Vereinnahmung des Preises;

c) im Falle der Nichtausstellung oder verspäteten Ausstellung der Rechnung binnen einer bestimmten Frist nach dem Eintreten des Steuertatbestands.

…“

Rz. 8

Art. 167 der Mehrwertsteuerrichtlinie lautet:

„Das Recht auf Vorsteuerabzug entsteht, wenn d...

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