Entscheidungsstichwort (Thema)

Gerichtliche Zuständigkeit in Zivilsachen. Verordnung (EG) Nr. 44/2001. Auslegung des Artikels 15. Zuständigkeit für Verbrauchersachen. Gewinnzusage. Irreführende Werbung. Gerichtliche Entscheidung über die Zuständigkeit. Rechtskraft. Wiedereröffnung in der Berufungsinstanz. Rechtssicherheit. Vorrang des Gemeinschaftsrechts. Artikel 10 EG

 

Beteiligte

Kapferer

Rosmarie Kapferer

Schlank & Schick GmbH

 

Tenor

Der sich aus Artikel 10 EG ergebende Grundsatz der Zusammenarbeit gebietet es einem nationalen Gericht nicht, von der Anwendung innerstaatlicher Verfahrensvorschriften zu dem Zweck abzusehen, eine in Rechtskraft erwachsene gerichtliche Entscheidung zu überprüfen und aufzuheben, falls sich zeigt, dass sie gegen Gemeinschaftsrecht verstößt.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom Landesgericht Innsbruck (Österreich) mit Entscheidung vom 26. Mai 2004, beim Gerichtshof eingegangen am 3. Juni 2004, in dem Verfahren

Rosmarie Kapferer

gegen

Schlank & Schick GmbH

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann, der Richterin N. Colneric (Berichterstatterin) sowie der Richter K. Lenaerts, E. Juhász und M. Ilešič,

Generalanwalt: A. Tizzano,

Kanzler: B. Fülöp, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 8. September 2005,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Schlank & Schick GmbH, vertreten durch die Rechtsanwälte A. Matt und M. Dreschers,
  • der Republik Österreich, vertreten durch H. Dossi und S. Pfanner als Bevollmächtigte,
  • der Tschechischen Republik, vertreten durch T. Bocek als Bevollmächtigten,
  • der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch A. Tiemann und A. Günther als Bevollmächtigte,
  • der Französischen Republik, vertreten durch A. Bodard-Hermant, R. Abraham, G. de Bergues und J.-C. Niollet als Bevollmächtigte,
  • der Republik Zypern, vertreten durch M. Chatzigeorgiou als Bevollmächtigte,
  • des Königreichs der Niederlande, vertreten durch C. A. H. M. ten Dam als Bevollmächtigte,
  • der Republik Finnland, vertreten durch T. Pynnä als Bevollmächtigte,
  • des Königreichs Schweden, vertreten durch A. Falk als Bevollmächtigte,
  • des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland, vertreten durch E. O'Neill als Bevollmächtigte im Beistand von D. Lloyd-Jones, QC,
  • der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch A.-M. Rouchaud und W. Bogensberger als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 10. November 2005

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Artikel 10 EG und Artikel 15 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1).

2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der österreichischen Staatsangehörigen Rosmarie Kapferer, wohnhaft in Hall in Tirol (Österreich), und der Schlank & Schick GmbH, einer Versandhandel betreibenden Gesellschaft deutschen Rechts mit Sitz in Deutschland (im Folgenden: Schlank & Schick), in dem Frau Kapferer gegen Schlank & Schick auf Herausgabe eines Gewinns an sie klagt, da diese bei ihr in einer sie namentlich bezeichnenden Zuschrift den Eindruck erweckt habe, dass sie einen Preis gewonnen habe.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

3 Artikel 15 Absatz 1 der Verordnung Nr. 44/2001 bestimmt:

„Bilden ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag, den eine Person, der Verbraucher, zu einem Zweck geschlossen hat, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dieser Person zugerechnet werden kann, den Gegenstand des Verfahrens, so bestimmt sich die Zuständigkeit unbeschadet des Artikels 4 und des Artikels 5 Nummer 5 nach diesem Abschnitt:

c) in allen anderen Fällen, wenn der andere Vertragspartner in dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt oder eine solche auf irgend einem Wege auf diesen Mitgliedstaat oder auf mehrere Staaten, einschließlich dieses Mitgliedstaats, ausrichtet und der Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt.”

4 Nach Artikel 16 Absatz 1 der Verordnung Nr. 44/2001 kann „die Klage eines Verbrauchers gegen den anderen Vertragspartner … entweder vor den Gerichten des Mitgliedstaats erhoben werden, in dessen Hoheitsgebiet dieser Vertragspartner seinen Wohnsitz hat, oder vor dem Gericht des Ortes, an dem der Verbraucher seinen Wohnsitz hat”.

5 Artikel 24 der Verordnung Nr. 44/2001 bestimmt:

„Sofern das Gericht eines Mitgliedstaats nicht bereits nach anderen Vorschriften dieser Verordnung zuständig ist, wird es zuständig, wenn sich der Beklagte vor ihm auf das Verfahren einlässt. Dies gilt nicht, wenn der Beklagte sich einlässt, um den Mangel der Zuständigkeit geltend zu machen oder wenn ein anderes Gericht aufgrund des Artikels 22 auss...

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