Entscheidungsstichwort (Thema)

Ungültigerklärung einer Zollanmeldung durch Anmelder, keine Beantragung vor Gericht

 

Leitsatz (amtlich)

Die unionsrechtlichen Zollvorschriften sind dahin auszulegen, dass ein Anmelder nicht bei einem Gericht die Nichtigerklärung der von ihm erstellten Zollanmeldung beantragen kann, wenn diese von den Zollbehörden angenommen worden ist. Dagegen kann er unter den Voraussetzungen des Art. 66 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1791/2006 des Rates vom 20. November 2006 geänderten Fassung bei den Zollbehörden beantragen, die Zollanmeldung für ungültig zu erklären, und zwar auch nachdem diese Behörden die Ware überlassen haben. Am Ende ihrer Prüfung haben die Zollbehörden ‐ unter Vorbehalt des Rechtswegs ‐ entweder den Antrag des Anmelders durch mit Gründen zu versehende Entscheidung abzulehnen oder die beantragte Ungültigerklärung vorzunehmen.

 

Normenkette

EWGV 2913/92 Art. 66

 

Beteiligte

DP grup

DP Grup EOOD

Direktor na Agentsia Mitnitsi

 

Verfahrensgang

Administrativen sad Sofia-grad (Bulgarien) (Urteil vom 08.03.2010; Abl.EU 2010, Nr. C 148/16)

 

Tatbestand

„Zollunion ‐ Zollanmeldung ‐ Annahme der Zollanmeldung durch die Zollbehörde ‐ Ungültigerklärung einer bereits angenommenen Zollanmeldung ‐ Folgen für straf- und ordnungswidrigkeitenrechtliche Maßnahmen“

In der Rechtssache C-138/10

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Administrativen sad Sofia-grad (Bulgarien) mit Entscheidung vom 8. März 2010, beim Gerichtshof eingegangen am 15. März 2010, in dem Verfahren

DP grup EOOD

gegen

Direktor na Agentsia „Mitnitsi“

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano, der Richter J.-J. Kasel, A. Borg Barthet und M. Ilešič (Berichterstatter) sowie der Richterin M. Berger,

Generalanwalt: P. Cruz Villalón,

Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 17. März 2011,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

‐ des Direktor na Agentsia „Mitnitsi“, vertreten durch V. Tanov, S. Valkova, N. Yotsova und S. Yordanova als Bevollmächtigte,

‐ der bulgarischen Regierung, vertreten durch E. Petranova und T. Ivanov als Bevollmächtigte,

‐ der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek und V. Řtencel als Bevollmächtigte,

‐ der spanischen Regierung, vertreten durch M. Muñoz Pérez als Bevollmächtigten,

‐ der niederländischen Regierung, vertreten durch C. Wissels und M. Noort als Bevollmächtigte,

‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch P. Mihaylova und B.-R. Killmann als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 9. Juni 2011

folgendes

Urteil

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 4 Nr. 5, 8 Abs. 1 erster Gedankenstrich, 62, 63 und 68 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. L 302, S. 1) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1791/2006 des Rates vom 20. November 2006 (ABl. L 363, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Zollkodex).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der DP grup EOOD (im Folgenden: DP grup) und dem Direktor na Agentsia „Mitnitsi“ (Direktor der Zollagentur) wegen einer von DP grup erhobenen Klage auf Nichtigerklärung einer für sie erstellten Zollanmeldung.

Rechtlicher Rahmen

Zollkodex

Rz. 3

Der sechste Erwägungsgrund des Zollkodex lautet wie folgt:

„Angesichts der großen Bedeutung des Außenhandels der Gemeinschaft sollten Zollförmlichkeiten und Kontrollmaßnahmen möglichst vermieden, zumindest aber in geringstmöglichem Umfang gehalten werden.“

Rz. 4

In Art. 4 des Zollkodex heißt es:

„Im Sinne dieses Zollkodex ist oder sind

5. Entscheidung: eine hoheitliche Maßnahme auf dem Gebiet des Zollrechts zur Regelung eines Einzelfalls mit Rechtswirkung für eine oder mehrere bestimmte oder bestimmbare Personen; dieser Begriff umfasst unter anderem eine verbindliche Auskunft im Sinne von Artikel 12;

17. Zollanmeldung: die Handlung, mit der eine Person in der vorgeschriebenen Form und nach den vorgeschriebenen Bestimmungen die Absicht bekundet, eine Ware in ein bestimmtes Zollverfahren überführen zu lassen;

…“

Rz. 5

Art. 59 Abs. 1 des Zollkodex bestimmt:

„Alle Waren, die in ein Zollverfahren übergeführt werden sollen, sind zu dem betreffenden Verfahren anzumelden.“

Rz. 6

Art. 62 des Zollkodex sieht vor:

„(1) Die schriftlichen Zollanmeldungen sind auf einem Vordruck abzugeben, der dem amtlichen Muster entspricht. Sie müssen unterzeichnet werden und alle Angaben enthalten, die zur Anwendung der Vorschriften über das Zollverfahren, zu dem die Waren angemeldet werden, erforderlich sind.

(2) Den Anmeldungen sind alle Unterlagen beizufügen, deren Vorlage zur Anwendung der Vorschriften über das Zollverfahren, zu dem die Waren angemeldet werden, erforderlich ist.“

Rz. 7

Art. 63 des Zollkodex lautet:

„Anmeldungen...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge