Entscheidungsstichwort (Thema)

Warenausfuhr, Fälschung von Begleitdokumenten, Bestimmung des Mitgliedstaats der Entstehung des Steueranspruchs

 

Leitsatz (amtlich)

Artikel 20 Absatz 3 der Richtlinie 92/12/EWG des Rates vom 25. Februar 1992 über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren ist ungültig, soweit die dort vorgesehene Frist von vier Monaten für die Erbringung des Nachweises über die Ordnungsmäßigkeit des Vorgangs oder den Ort, an dem die Unregelmäßigkeit oder Zuwiderhandlung tatsächlich begangen worden ist, einem Wirtschaftsteilnehmer entgegengehalten werden kann, der eine Sicherheit für die Zahlung der Verbrauchsteuern geleistet hat, aber nicht rechtzeitig davon hat Kenntnis erlangen können, dass das Verfahren der Steueraussetzung nicht erledigt ist.

 

Normenkette

EWGRL 12/92 Art. 20 Abs. 3

 

Beteiligte

Distillerie Fratelli Cipriani

Distillerie Fratelli Cipriani SpA

Ministero delle Finanze

 

Verfahrensgang

Tribunale di Trento (Italien)

 

Tatbestand

Richtlinie 92/12/EWG - Artikel 20 - Ausfuhr von Waren in Drittländer im Verfahren der Steueraussetzung - Waren, die wegen der Fälschung des Begleitdokuments als nicht am Bestimmungsort angekommen anzusehen sind - Unbekannter Ort der Zuwiderhandlung oder der Unregelmäßigkeit - Bestimmung des Mitgliedstaats, in dem der Steueranspruch entstanden ist

In der Rechtssache C-395/00

betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 234 EG vom Tribunale Trient (Italien) in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit

Distillerie Fratelli Cipriani SpA

gegen

Ministero delle Finanze

vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung von Artikel 20 Absätze 2 und 3 der Richtlinie 92/12/EWG des Rates vom 25. Februar 1992 über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren (ABl. L 76, S. 1),

erlässt

DER GERICHTSHOF

unter Mitwirkung des Präsidenten der Sechsten Kammer J.-P. Puissochet in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten, der Kammerpräsidenten M. Wathelet, R. Schintgen und C. W. A. Timmermans sowie der Richter C. Gulmann, D. A. O. Edward, A. La Pergola, P. Jann, V. Skouris und der Richterinnen F. Macken (Berichterstatterin) und N. Colneric,

Generalanwalt: J. Mischo

Kanzler: H. A. Rühl, Hauptverwaltungsrat

unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen

- der Distillerie Fratelli Cipriani SpA, vertreten durch N. Tonolli, W. Valentini und W. Wielander, avvocati,

- der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Fernandes und C. Pimentel Coelho als Bevollmächtigte,

- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch E. Traversa als Bevollmächtigten,

aufgrund des Sitzungsberichts,

nach Anhörung der mündlichen Ausführungen der Distillerie Fratelli Cipriani SpA und der Kommission in der Sitzung vom 29. Januar 2002,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 21. März 2002,

folgendes

Urteil

1.

Das Tribunale Trient hat mit Beschluss vom 20. Oktober 2000, beim Gerichtshof eingegangen am 26. Oktober 2000, gemäß Artikel 234 EG drei Fragen nach der Auslegung von Artikel 20 Absätze 2 und 3 der Richtlinie 92/12/EWG des Rates vom 25. Februar 1992 über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren (ABl. L 76, S. 1, im Folgenden: Richtlinie) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2.

Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen der Distillerie Fratelli Cipriani SpA (im Folgenden: Cipriani) und dem Ministero delle Finanze (Finanzministerium) wegen einer Reihe von Bescheiden, die Letzteres dem Unternehmen wegen Zahlung von Verbrauchsteuern für einige im Verfahren der Steueraussetzung durchgeführte Alkohollieferungen zugestellt hatte.

Rechtlicher Rahmen

3.

Die Richtlinie findet gemäß ihrem Artikel 3 Absatz 1 u. a. auf Alkohol und alkoholische Getränke Anwendung.

4.

Nach Artikel 4 Buchstabe a der Richtlinie gilt als zugelassener Lagerinhaber die natürliche oder juristische Person, die von den zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats ermächtigt wurde, in Ausübung ihres Berufs unter Steueraussetzung verbrauchsteuerpflichtige Waren in einem Steuerlager herzustellen, zu bearbeiten, zu lagern, zu empfangen und zu versenden.

5.

Nach Artikel 4 Buchstabe c gilt als Verfahren der Steueraussetzung die steuerliche Regelung, die auf die Herstellung, die Verarbeitung, die Lagerung sowie die Beförderung der Waren unter Steueraussetzung Anwendung findet.

6.

Gemäß Artikel 5 Absatz 1 der Richtlinie werden die in Artikel 3 Absatz 1 genannten Waren mit ihrer Herstellung im Gebiet der Gemeinschaft oder mit ihrer Einfuhr in dieses Gebiet verbrauchsteuerpflichtig.

7.

Artikel 6 der Richtlinie lautet:

(1) Die Verbrauchsteuer entsteht mit der Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr oder mit der Feststellung von Fehlmengen gemäß Artikel 14 Absatz 3.

Als Überführung von verbrauchsteuerpflichtigen Waren in den steuerrechtlich freien Verkehr gelten

a) jede - auch unrechtmäßige - Entnahme der Ware aus dem Ve...

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