Entscheidungsstichwort (Thema)

Niederlassungsfreiheit. Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität. Grenzüberschreitende Umwandlung. Ablehnung der Eintragung in das Handelsregister

 

Normenkette

AEUV Art. 49, 54

 

Beteiligte

VALE

VALE Építési kft

 

Tenor

1. Die Art. 49 AEUV und 54 AEUV sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, die zwar für inländische Gesellschaften die Möglichkeit einer Umwandlung vorsieht, aber die Umwandlung einer dem Recht eines anderen Mitgliedstaats unterliegenden Gesellschaft in eine inländische Gesellschaft mittels Gründung der letztgenannten Gesellschaft generell nicht zulässt.

2. Die Art. 49 AEUV und 54 AEUV sind im Kontext einer grenzüberschreitenden Umwandlung einer Gesellschaft dahin auszulegen, dass der Aufnahmemitgliedstaat befugt ist, das für einen solchen Vorgang maßgebende innerstaatliche Recht festzulegen und somit die Bestimmungen seines nationalen Rechts über innerstaatliche Umwandlungen anzuwenden, die – wie die Anforderungen an die Erstellung einer Bilanz und eines Vermögensverzeichnisses – die Gründung und die Funktionsweise einer Gesellschaft regeln. Der Äquivalenzgrundsatz und der Effektivitätsgrundsatz verwehren es jedoch dem Aufnahmemitgliedstaat,

  • bei grenzüberschreitenden Umwandlungen die Eintragung der die Umwandlung beantragenden Gesellschaft als „Rechtsvorgängerin” zu verweigern, wenn eine solche Eintragung der Vorgängergesellschaft im Handelsregister bei innerstaatlichen Umwandlungen vorgesehen ist, und
  • sich zu weigern, den von den Behörden des Herkunftsmitgliedstaats ausgestellten Dokumenten im Verfahren zur Eintragung der Gesellschaft gebührend Rechnung zu tragen.
 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Legfelsőbb Bíróság (Ungarn) mit Entscheidung vom 17. Juni 2010, beim Gerichtshof eingegangen am 28. Juli 2010, im Rahmen eines Antrags auf Eintragung in das Handelsregister der

VALE Építési kft

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Lenaerts, des Richters J. Malenovský, der Richterin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter G. Arestis und T. von Danwitz (Berichterstatter),

Generalanwalt: N. Jääskinen,

Kanzler: A. Impellizzeri, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 14. September 2011,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der VALE Építési kft, vertreten durch P. Metzinger, ügyvéd,
  • der ungarischen Regierung, vertreten durch M. Z. Fehér, K. Szíjjártó und K. Veres als Bevollmächtigte,
  • der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und J. Kemper als Bevollmächtigte,
  • Irlands, vertreten durch D. O'Hagan als Bevollmächtigten im Beistand von M. Collins, SC, B. Doherty, BL, J. Buttimore, BL, und L. Williams,
  • der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von S. Fiorentino, avvocato dello Stato,
  • der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Pesendorfer als Bevollmächtigte,
  • der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch S. Hathaway und H. Walker als Bevollmächtigte im Beistand von K. Beal, Barrister,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch G. Braun, A. Sipos und K. Talabér-Ritz als Bevollmächtigte,
  • der EFTA-Überwachungsbehörde, vertreten durch X. Lewis und F. Simonetti als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 15. Dezember 2011

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen, das die Auslegung der Art. 49 AEUV und 54 AEUV betrifft, ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits über die grenzüberschreitende Umwandlung einer Gesellschaft italienischen Rechts in eine Gesellschaft ungarischen Rechts.

Rechtlicher Rahmen

Nationales Recht

Rz. 2

Das Gesetz Nr. V von 2006 über die Firmenpublizität, das handelsgerichtliche Verfahren und die Liquidation (A cégnyilvánosságról, a bírósági cégeljárásról és a végelszámolásról szóló 2006. évi V. törvény) bestimmt in § 25:

„(1) Das Handelsregister beinhaltet nach Bedarf, bei allen Firmen,

g) den Firmennamen und die Handelsregisternummer des (der) Rechtsvorgänger(s) bzw. des (der) Rechtsnachfolger(s) bzw. bei einer diesbezüglichen Entscheidung der Firma den durch die Firma festgelegten Zeitpunkt der Umwandlung,

…”

Rz. 3

§ 57 Abs. 4 dieses Gesetzes bestimmt:

„Über die Änderung der Unternehmensform entscheidet das Handelsregistergericht am Sitz der Rechtsvorgänger-Firma. Das Handelsregistergericht löscht die Rechtsvorgänger-Firma – unter Verweis auf den Rechtsnachfolger – und trägt gleichzeitig die Rechtsnachfolger-Firma ins Handelsregister ein. Danach ordnet es gegebenenfalls die Übermittlung der Firmendokumente an das nach dem Sitz der Rechtsnachfolger-Firma zuständige Handelsregistergericht an.”

Rz. 4

Das Gesetz Nr. IV von 2006 über die Handelsgesellschaften (A gazdasági társaságokról szóló 2006. évi IV. törvény, im Folgenden: Gesetz über die Handelsgesellschaften) sieht in § 69 Abs. 1 vor:

„Soweit in diesem Gesetz nichts Abweichendes best...

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