Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerbarkeit; Bemessungsgrundlage; Gerichtsvollzieher; Gerichtsvollziehergebühren

 

Normenkette

EGRL 112/2006

 

Beteiligte

PSM „K”

H. W

 

Verfahrensgang

Sad Rejonowy w Sopocie Wydzial l Cywilny (Polen) (Beschluss vom 08.03.2018; ABl. EU 2018, Nr. C 259/19)

 

Tenor

Die Bestimmungen der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem in der durch die Richtlinie 2013/43/EU des Rates vom 22. Juli 2013 geänderten Fassung sowie die Grundsätze der Mehrwertsteuerneutralität und der Verhältnismäßigkeit sind dahin auszulegen, dass sie einer Verwaltungspraxis der zuständigen nationalen Behörden, wie sie im Ausgangsverfahren in Rede steht, nach der die Mehrwertsteuer im Zusammenhang mit der Erbringung von Dienstleistungen durch einen Gerichtsvollzieher im Rahmen eines Zwangsvollstreckungsverfahrens als in der von ihm erhobenen Gebühr enthalten angesehen wird, nicht entgegenstehen.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Sąd Rejonowy w Sopocie Wydział I Cywilny (Rayongericht Sopot, Zivilrechtsabteilung I, Polen) mit Entscheidung vom 8. März 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 26. März 2018, in dem Verfahren

H. W.,

Beteiligte:

PSM „K”,

Aleksandra Treder,handelnd als Gerichtsvollzieherin beim Sąd Rejonowy w Sopocie (Rayongericht Sopot),

erlässt

DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten F. Biltgen, des Richters C. G. Fernlund (Berichterstatter) und der Richterin L. S. Rossi,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von Frau Treder, vertreten durch M. S. Tokarz, radca prawny, und J. Martini, doradca podatkowy,
  • der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch R. Lyal, A. Armenia und B. Sasinowska als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 1, Art. 2 Abs. 1 Buchst. a und c, Art. 73 und Art. 78 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1) in der durch die Richtlinie 2013/43/EU des Rates vom 22. Juli 2013 (ABl. 2013, L 201, S. 4) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 2006/112).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Verfahrens, das von Herrn H. W. wegen der von Frau Aleksandra Treder, einer mit der Durchführung eines ihn betreffenden Verfahrens beauftragten Gerichtsvollzieherin, getroffenen Entscheidung eingeleitet worden ist, dem Betrag der betreffenden Vollstreckungskosten Mehrwertsteuer hinzuzurechnen.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Der fünfte Erwägungsgrund der Richtlinie 2006/112 lautet:

„Die größte Einfachheit und Neutralität eines Mehrwertsteuersystems wird erreicht, wenn die Steuer so allgemein wie möglich erhoben wird und wenn ihr Anwendungsbereich alle Produktions- und Vertriebsstufen sowie den Bereich der Dienstleistungen umfasst. Es liegt folglich im Interesse des Binnenmarktes und der Mitgliedstaaten, ein gemeinsames System anzunehmen, das auch auf den Einzelhandel Anwendung findet.”

Rz. 4

Art. 1 der Richtlinie bestimmt:

„(1) Diese Richtlinie legt das gemeinsame Mehrwertsteuersystem fest.

(2) Das gemeinsame Mehrwertsteuersystem beruht auf dem Grundsatz, dass auf Gegenstände und Dienstleistungen, ungeachtet der Zahl der Umsätze, die auf den vor der Besteuerungsstufe liegenden Produktions- und Vertriebsstufen bewirkt wurden, eine allgemeine, zum Preis der Gegenstände und Dienstleistungen genau proportionale Verbrauchsteuer anzuwenden ist.

Bei allen Umsätzen wird die Mehrwertsteuer, die nach dem auf den Gegenstand oder die Dienstleistung anwendbaren Steuersatz auf den Preis des Gegenstands oder der Dienstleistung errechnet wird, abzüglich des Mehrwertsteuerbetrags geschuldet, der die verschiedenen Kostenelemente unmittelbar belastet hat.

Das gemeinsame Mehrwertsteuersystem wird bis zur Einzelhandelsstufe, diese eingeschlossen, angewandt.”

Rz. 5

Art. 2 Abs. 1 Buchst. a und c der Richtlinie sieht vor:

„(1) Der Mehrwertsteuer unterliegen folgende Umsätze:

a) Lieferungen von Gegenständen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Gebiet eines Mitgliedstaats gegen Entgelt tätigt;

c) Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Gebiet eines Mitgliedstaats gegen Entgelt erbringt”.

Rz. 6

Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie lautet:

„Als ‚Steuerpflichtiger’ gilt, wer eine wirtschaftliche Tätigkeit unabhängig von ihrem Ort, Zweck und Ergebnis selbstständig ausübt.

Als ‚wirtschaftliche Tätigkeit’ gelten alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden einschließlich der Tätigkeiten der Urproduzenten, der Landwirte sowie der freien Berufe und der diesen gleichgestellten Berufe. Als wirtschaftliche ...

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