Entscheidungsstichwort (Thema)

Belgische Regelungen über Bauabzugsteuer und gesamtschuldnerische Haftung für Abgaben bei Beauftragung eines gebietsfremden Unternehmers verstoßen gegen EG-Vertrag

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das Königreich Belgien hat dadurch gegen seine Verpflichtungen aus den Artikeln 49 EG und 50 EG verstoßen, dass es Auftraggeber und Unternehmer, die nicht in Belgien registrierte Vertragspartner beauftragen, verpflichtet, von dem für die geleisteten Arbeiten zu zahlenden Betrag 15 % abzuziehen, und ihnen eine gesamtschuldnerische Haftung für Abgabenschulden dieser Vertragspartner auferlegt.

2. Das Königreich Belgien trägt die Kosten.

 

Normenkette

EGVtr Art. 49-50

 

Beteiligte

Kommission / Belgien

Kommission der Europäischen Gemeinschaften

Königreich Belgien

 

Tatbestand

„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats ‐ Artikel 49 EG und 50 EG ‐ Freier Dienstleistungsverkehr ‐ Tätigkeiten im Bausektor ‐ Bekämpfung der Steuerhinterziehung im Bauwesen ‐ Nationale Regelung, wonach von den den nicht in Belgien registrierten Vertragspartnern zu zahlenden Beträgen 15 % abzuziehen sind ‐ Nationale Regelung, mit der eine gesamtschuldnerische Haftung für die Steuerschulden der nicht in Belgien registrierten Vertragspartner eingeführt wird“

In der Rechtssache C-433/04

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Artikel 226 EG, eingereicht am 8. Oktober 2004,

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch D. Triantafyllou als Bevollmächtigten, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Königreich Belgien, vertreten durch E. Dominkovits als Bevollmächtigte im Beistand von B. van de Walle de Ghelcke, avocat,

Beklagter,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann sowie der Richter J. N. Cunha Rodrigues und E. Levits (Berichterstatter),

Generalanwalt: A. Tizzano,

Kanzler: R. Grass,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 6. April 2006

folgendes

Urteil

1

Mit ihrer Klageschrift beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, festzustellen, dass das Königreich Belgien dadurch gegen seine Verpflichtungen aus den Artikeln 49 EG und 50 EG verstoßen hat, dass es Auftraggeber und Unternehmer, die nicht in Belgien registrierte Vertragspartner beauftragen, verpflichtet, von dem für die geleisteten Arbeiten zu zahlenden Betrag 15 % abzuziehen (im Folgenden: Abzugspflicht), und ihnen eine gesamtschuldnerische Haftung für die Abgabenschulden dieser Vertragspartner auferlegt (im Folgenden: gesamtschuldnerische Haftung).

Nationaler rechtlicher Rahmen

2

Der belgische Code des impôts sur les revenus (Einkommensteuergesetz) von 1992, koordiniert durch die Königliche Verordnung vom 10. April 1992 (Supplément au Moniteur belge vom 30. Juli 1992) in der durch die Königliche Verordnung vom 26. Dezember 1998 betreffend Maßnahmen zur Anpassung der Regelung der gesamtschuldnerischen Haftung für Sozialabgaben und Steuerschulden nach Artikel 43 des Gesetzes vom 26. Juli 1996 über die Modernisierung der sozialen Sicherheit und zur Gewährleistung der Lebensfähigkeit der gesetzlichen Rentenversicherungssysteme (arrêté royal du 26 décembre 1998 portant des mesures en vue d’adapter la réglementation relative à la responsabilité solidaire pour les dettes sociales et fiscales en application de l’article 43 de la loi du 26 juillet 1996 portant modernisation de la sécurité sociale et assurant la viabilité des régimes légaux des pensions, Moniteur belge vom 31. Dezember 1998, S. 42140) geänderten Fassung (im Folgenden: CIR 92), enthält in seinem Titel VII über die Veranlagung zur Steuer und über deren Beitreibung ein Kapitel VIII, „Steuerbeitreibung“, das einen Abschnitt II, „Tätigkeiten, für die ein registrierter Unternehmer zu beauftragen ist“, umfasst.

3

Im Bausektor fallen verschiedene Tätigkeiten gemäß Artikel 400 Nr. 1 CIR 92 unter eine Königliche Verordnung.

4

Artikel 402 CIR 92 bestimmt:

„§ 1 Ein Auftraggeber, der für die in Artikel 400 Nr. 1 genannten Arbeiten auf einen Unternehmer zurückgreift, der bei Vertragsabschluss nicht registriert ist, haftet gesamtschuldnerisch für die Zahlung der Steuerschuld seines Vertragspartners.

§ 2 Ein Unternehmer, der für die in Artikel 400 Nr. 1 genannten Arbeiten auf einen Subunternehmer zurückgreift, der bei Vertragsabschluss nicht registriert ist, haftet gesamtschuldnerisch für die Zahlung der Steuerschuld seines Vertragspartners.

§ 5 Die gesamtschuldnerische Haftung ist auf 35 % des Gesamtpreises ohne Mehrwertsteuer der Arbeiten, die dem nicht registrierten Unternehmer oder Subunternehmer aufgetragen wurden, begrenzt.

Sie kann ungeachtet des Datums ihrer Festlegung für die Zahlung der Hauptsumme sowie von Zuschlägen, Kosten und Zinsen in Anspruch genommen werden bei:

1. allen Schulden in Sachen direkte Steuern und den Einkommensteuern gleichgesetzte Steuern in Bezug auf Besteuerungszeiträume, in denen die betreffenden Arbeiten ausgeführt wurden, und auf vorhergehende Besteuerungszeiträume,

2. ...

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