Entscheidungsstichwort (Thema)

Gebot der Erstattung zuviel einbehaltener Lohnsteuer bei ausländischen Arbeitnehmern, die nicht während eines ganzen Jahres im Inland ansässig sind

 

Leitsatz (amtlich)

Artikel 48 Absatz 2 EWG-Vertrag verbietet es, daß nach dem Steuerrecht eines Mitgliedstaats die einbehaltenen Steuern auf die Löhne und Gehälter zu Lasten eines Arbeitnehmers aus einem Mitgliedstaat, der nur während eines Teils des Jahres gebietsansässiger Steuerpflichtiger ist, weil er sich im Laufe des Steuerjahres im Lande niederlässt oder das Land verlässt, der Staatskasse verfallen und nicht erstattet werden können.

 

Normenkette

EWGVtr Art. 48 Abs. 2

 

Beteiligte

Klaus Biehl

Administration des contributions

 

Verfahrensgang

Conseil d' Etat Luxemburg (Luxemburg)

 

Tatbestand

FREIZUEGIGKEIT DER ARBEITNEHMER - DISKRIMINIERUNG - IN NATIONALEN RECHTSVORSCHRIFTEN FÜR DEN ANSPRUCH AUF STEUERERSTATTUNG AUFGESTELLTE WOHNSITZVORAUSSETZUNG

RECHTSSACHE 175/88

ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: CONSEIL D'ETAT - GRAND-DUCHE DE LUXEMBURG

KLAUS BIEHL

GEGEN

ADMINISTRATION DES CONTRIBUTIONS

Urteil

1 Der luxemburgische Conseil d' État hat mit Urteil vom 21. Juni 1988, beim Gerichtshof eingegangen am 29. Juni 1988, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag eine Frage nach der Auslegung der Artikel 7 und 48 EWG-Vertrag vorgelegt.

2 Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen Klaus Biehl und der Steuerverwaltung des Großherzogtums Luxemburg, in dem es um die Erstattung zuviel erhobener Einkommensteuer geht.

3 Herr Biehl, ein deutscher Staatsangehöriger, wohnte vom 15. November 1973 bis zum 31. Oktober 1983 im Großherzogtum Luxemburg. In dieser Zeit ging er dort einer Beschäftigung als Arbeitnehmer nach. Am 1. November 1983 verlegte er seinen Wohnsitz in die Bundesrepublik Deutschland, wo er berufstätig ist.

4 Für die Zeit vom 1. Januar 1983 bis 31. Oktober 1983 behielt der luxemburgische Arbeitnehmer von Herrn Biehl von dessen Gehalt Einkommensteuer ein. Bei der endgültigen Festsetzung der Steuer für das Steuerjahr 1983 stellte sich heraus, daß der Betrag der vom luxemburgischen Arbeitgeber einbehaltenen Steuern den Gesamtbetrag der von Herrn Biehl geschuldeten Steuern überstieg.

5 Herr Biehl beantragte bei der Steuerverwaltung des Großherzogtums Luxemburg die Erstattung der zuviel einbehaltenen Einkommensteuern. Das Steuerbüro Luxemburg lehnte diesen Antrag unter Berufung auf Artikel 154 Absatz 6 der Loi sur l' impôt sur le revenu (LIR; Mémorial A Nr. 79 vom 6. Dezember 1967). Der Betroffene legte gegen die Entscheidung des Steuerbüros Einspruch ein, der vom Direktor der Steuerbehörde mit der gleichen Begründung zurückgewiesen wurde.

6 Artikel 154 Absatz 6 LIR bestimmt:

"Die ordnungsgemäß von den Kapitalerträgen einbehaltenen Beträge verfallen der Staatskasse und können nicht erstattet werden. Das gleiche gilt für die einbehaltenen Steuern auf Löhne und Gehälter zu Lasten der Arbeitnehmer, die nur während eines Teils des Jahres gebietsansässige Steuerpflichtige sind, weil sie sich im Laufe des Jahres im Lande niederlassen oder das Land verlassen."

7 Herr Biehl focht die Entscheidung des Direktors der Steuerbehörde Luxemburg vor dem luxemburgischen Conseil d' État an. Nach seiner Ansicht trifft Artikel 154 Absatz 6 LIR eine nach dem Gemeinschaftsrecht verbotene verschleierte diskriminierende Unterscheidung zwischen Steuerpflichtigen, da diese Vorschrift überwiegend auf Steuerpflichtige angewandt werde, die nicht die luxemburgische Staatsangehörigkeit besäßen.

8 Die Steuerverwaltung hält diesem Vorbringen entgegen, daß eine unterschiedliche Behandlung zweier verschiedener Gruppen von Steuerpflichtigen keine nach dem Gemeinschaftsrecht verbotene Diskriminierung darstelle, wenn sie durch objektive Gründe gerechtfertigt sei. Solche Gründe lägen hier vor. Artikel 154 Absatz 6 LIR solle nämlich verhindern, daß Steuerpflichtige, die sich im Ausland niederließen, in bestimmten Fällen einen ungerechtfertigten Vorteil gegenüber den Steuerpflichtigen erhielten, die im Großherzogtum Luxemburg gebietsansässig blieben.

9 Unter diesen Umständen hat das nationale Gericht das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage vorgelegt:

"Verbietet es Artikel 7 EWG-Vertrag oder eine andere Vorschrift des Gemeinschaftsrechts, insbesondere Artikel 48 EWG-Vertrag, der die Freizügigkeit der Arbeitnehmer gewährleistet, daß nach dem Steuerrecht eines Mitgliedstaats die einbehaltenen Steuern auf die Löhne und Gehälter zu Lasten eines Arbeitnehmers aus einem Mitgliedstaat, der nur während eines Teils des Jahres gebietsansässiger Steuerpflichtiger ist, weil er sich im Laufe des Steuerjahres im Lande niederlässt oder das Land verlässt, der Staatskasse verfallen und nicht erstattet werden können?"

 

Entscheidungsgründe

10 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und der anwendbaren Rechtsvorschriften sowie der schriftlichen Erklärungen, die beim Gerichtshof eingereicht worden sind, wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt ist im folgenden nur insoweit wiede...

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