Entscheidungsstichwort (Thema)

Gemeinsame Agrarpolitik. Regelung für die einheitliche Flächenzahlung. Verordnung (EG) Nr. 1973/2004. Art. 138 Abs. 1. Ausschluss von der Gewährung der Beihilfe bei unrichtiger Flächenangabe. Verwaltungs- oder strafrechtlicher Charakter dieser Sanktion. Verbot der Doppelbestrafung. Grundsatz ne bis in idem

 

Beteiligte

Bonda

Łkasz Marcin Bonda

 

Tenor

Art. 138 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1973/2004 der Kommission vom 29. Oktober 2004 mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 des Rates hinsichtlich der Stützungsregelungen nach Titel IV und IVa der Verordnung und der Verwendung von Stilllegungsflächen für die Erzeugung von Rohstoffen ist dahin auszulegen, dass die in den Unterabs. 2 und 3 dieser Bestimmung vorgesehenen Maßnahmen, die darin bestehen, einen Betriebsinhaber von der Gewährung der Beihilfe für das Jahr, in dem er falsche Angaben über die beihilfefähige Fläche gemacht hat, auszuschließen und die Beihilfe, auf die er in den drei folgenden Kalenderjahren Anspruch hätte, um einen Betrag zu kürzen, der der Differenz zwischen der angegebenen und der ermittelten Fläche entspricht, keine strafrechtlichen Sanktionen darstellen.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Sąd Najwyższy (Polen) mit Entscheidung vom 27. September 2010, beim Gerichtshof eingegangen am 12. Oktober 2010, in dem Strafverfahren gegen

Łkasz Marcin Bonda

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten A. Tizzano, J. N. Cunha Rodrigues, K. Lenaerts und J.-C. Bonichot, der Kammerpräsidentin A. Prechal, des Richters A. Rosas, der Richterin R. Silva de Lapuerta, der Richter K. Schiemann, A. Borg Barthet (Berichterstatter) und L. Bay Larsen, der Richterin M. Berger sowie des Richters E. Jarašiūnas,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: K. Sztranc-Sławiczek, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 4. Oktober 2011,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von Herrn Bonda, vertreten durch J. Markowicz, adwokat,
  • der polnischen Regierung, vertreten durch M. Szpunar, D. Krawczyk und B. Majczyna als Bevollmächtigte,
  • der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Pesendorfer als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Bouquet und A. Szmytkowska als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 15. Dezember 2011

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 138 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1973/2004 der Kommission vom 29. Oktober 2004 mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 des Rates hinsichtlich der Stützungsregelungen nach Titel IV und IVa der Verordnung und der Verwendung von Stilllegungsflächen für die Erzeugung von Rohstoffen (ABl. L 345, S. 1).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Strafverfahrens gegen Herrn Bonda wegen betrügerischer Angaben in seiner Meldung über die landwirtschaftliche Nutzfläche, die für eine einheitliche Flächenzahlung in Betracht kommt.

Rechtlicher Rahmen

Internationales Recht

Rz. 3

Art. 4 Abs. 1 des am 22. November 1984 in Straßburg unterzeichneten Protokolls Nr. 7 zur Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: Protokoll Nr. 7) lautet:

„Niemand darf wegen einer Straftat, wegen der er bereits nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht eines Staates rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, in einem Strafverfahren desselben Staates erneut verfolgt oder bestraft werden.”

Unionsrecht

Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95

Rz. 4

Die Erwägungsgründe 4, 5, 9, 10 und 12 der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95 des Rates vom 18. Dezember 1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 312, S. 1) lauten:

„Um die Bekämpfung des Betrugs zum Nachteil der finanziellen Interessen der Gemeinschaften wirksam zu gestalten, muss ein allen Bereichen der Gemeinschaftspolitik gemeinsamer rechtlicher Rahmen festgelegt werden.

Die Verhaltensweisen, die Unregelmäßigkeiten darstellen, sowie die verwaltungsrechtlichen Maßnahmen und die entsprechenden Sanktionen sind im Einklang mit dieser Verordnung in sektorbezogenen Regelungen vorgesehen.

Die gemeinschaftlichen Maßnahmen und Sanktionen zur Verwirklichung der Ziele der gemeinsamen Agrarpolitik sind Bestandteil der Beihilferegelungen. Sie haben einen eigenen Zweck, der die strafrechtliche Bewertung des Verhaltens der betroffenen Wirtschaftsteilnehmer durch die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten unberührt lässt. Ihre Effizienz ist durch die unmittelbare Wirksamkeit der Gemeinschaftsnorm und die uneingeschränkte Anwendbarkeit aller Gemeinschaftsmaßnahmen sicherzustellen, sofern mit vorsorglichen Maßnahmen dieses Ziel nicht erreicht werden konnte.

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