Entscheidungsstichwort (Thema)

Neutralität des Mehrwertsteuersystems, Steuernachforderung nach unrichtiger steuerfreier Abechnung

 

Leitsatz (amtlich)

Der Grundsatz der Neutralität des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems verhindert es nicht, dass ein Mitgliedstaat Mehrwertsteuer von einem Steuerpflichtigen nachfordern kann, der zu Unrecht eine Rechnung unter Anwendung der Mehrwertsteuerbefreiung für eine Lieferung von Gegenständen ausgestellt hat. Hierbei spielt es keine Rolle, ob die Mehrwertsteuer auf den späteren Verkauf der betreffenden Gegenstände an den Endverbraucher an den Fiskus entrichtet wurde.

 

Normenkette

EWGRL 388/77 Art. 13 Teil B Buchst. F

 

Beteiligte

Transport Service

Transport Service NV

Belgischer Staat

Bea Cars BVBA

 

Verfahrensgang

Rechtbank van eerste aanleg te Antwerpen (Belgien)

 

Tatbestand

„Artikel 104 § 3 der Verfahrensordnung ‐ Erste und Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie ‐ Grundsatz der steuerlichen Neutralität ‐ Anwendung der Mehrwertsteuer auf jeden Produktions- oder Vertriebsvorgang ‐ Erhebung“

In der Rechtssache C-395/02

betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 234 EG von der Rechtbank van eerste aanleg Antwerpen (Belgien) in dem bei dieser anhängigen Rechtsstreit

Transport Service NV

gegen

Belgische Staat,

weiterer Verfahrensbeteiligter:

Bea Cars BVBA,

vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung des Grundsatzes der Neutralität des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. Gulmann sowie des Richters S. von Bahr (Berichterstatter) und der Richterin R. Silva de Lapuerta,

Generalanwalt: L. A. Geelhoed, Kanzler: R. Grass,

nach Unterrichtung des vorlegenden Gerichts von der Absicht des Gerichtshofes, nach Artikel 104 § 3 seiner Verfahrensordnung durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden,

nachdem den in Artikel 23 der Satzung des Gerichtshofes bezeichneten Beteiligten Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden ist,

nach Anhörung des Generalanwalts

folgenden

Beschluss

1

Die Rechtbank van eerste aanleg Antwerpen hat mit Urteil vom 4. November 2002, bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen am 11. November 2002, gemäß Artikel 234 EG eine Frage nach der Auslegung des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2

Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen der Transport Service NV (im Folgenden: Transport Service) und dem belgischen Staat über die Erhebung von Mehrwertsteuer auf eine von der Transport Service steuerfrei ausgeführte Lieferung zweier Fahrzeuge an einen in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Erwerber, für die nach Auffassung des belgischen Staates kein Nachweis erbracht wurde.

Rechtlicher Rahmen

3

Artikel 2 der Ersten Richtlinie 67/227/EWG des Rates vom 11. April 1967 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer (ABl. 1967, Nr. 71, S. 301), zuletzt geändert durch die Sechste Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1, im Folgenden: Erste Richtlinie), lautet:

„Das gemeinsame Mehrwertsteuersystem beruht auf dem Grundsatz, dass auf Gegenstände und Dienstleistungen, ungeachtet der Zahl der Umsätze, die auf den vor der Besteuerungsstufe liegenden Produktions- und Vertriebsstufen bewirkt wurden, eine allgemeine zum Preis der Gegenstände und Dienstleistungen genau proportionale Verbrauchssteuer anzuwenden ist.

Bei allen Umsätzen wird die Mehrwertsteuer, die nach dem auf den Gegenstand oder die Dienstleistung anwendbaren Steuersatz auf den Preis des Gegenstands oder der Dienstleistung errechnet wird, abzüglich des Mehrwertsteuerbetrags geschuldet, der die verschiedenen Kostenelemente unmittelbar belastet hat.

Das gemeinsame Mehrwertsteuersystem wird bis auf die Einzelhandelsstufe einschließlich angewandt.“

4

Nach Artikel 2 Nummer 1 der Sechsten Richtlinie 77/388 in der Fassung der Richtlinie 92/111/EWG des Rates vom 14. Dezember 1992 (ABl. L 384, S. 47, im Folgenden: Sechste Richtlinie) unterliegen Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt, der Mehrwertsteuer.

5

Artikel 21 Nummer 1 Buchstabe a der Sechsten Richtlinie bestimmt:

„Die Mehrwertsteuer schuldet

1.   im inneren Anwendungsbereich

a)

der Steuerpflichtige, der eine steuerpflichtige Lieferung von Gegenständen durchführt bzw. eine steuerpflichtige Dienstleistung erbringt, mit Ausnahme der Dienstleistungen nach Buchstabe b).

Die Mitgliedstaaten können bestimmen, dass eine andere Person als der Steuerpflichtige die Steuer gesamtschuldnerisch zu entrichten hat“.

6

Artikel 28c Teil A Buchstabe a Absatz 1 der Sechsten Richtlinie sieht vor:

„Unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsbestimmungen befreien die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistu...

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