Leitsatz

Legt ein Gesellschafter Anteile an einer Kapitalgesellschaft verdeckt in eine andere Kapitalgesellschaft ein, hat diese die Anteile mit dem Teilwert zu bewerten. Auch wenn die aufnehmende Kapitalgesellschaft die Anteile in ihren Bilanzen fehlerhaft mit einem geringeren Wert als dem Teilwert ansetzt, liegt kein Erwerb unter dem Teilwert i.S.d. § 8b Abs. 4 S. 1 Nr. 2 KStG 2002 vor. Ein Gewinn der aufnehmenden Kapitalgesellschaft aus der Veräußerung der Anteile ist daher steuerfrei.

 

Normenkette

§ 8b Abs. 2 und Abs. 4 S. 1 Nr. 2 KStG 2002, § 6 Abs. 1 Nr. 5, § 17 Abs. 1 S. 1 und S. 2, § 17 Abs. 2 EStG

 

Sachverhalt

Der (auf Antrag des FA zum Klage- und Revisionsverfahren gem. § 174 Abs. 5 S. 2 i.V.m. Abs. 4 AO beigeladene) Alleingesellschafter einer GmbH I war gleichzeitig zu 50 % am Kapital einer ausländischen Kapitalgesellschaft (S.A.) beteiligt, die wiederum über einen Treuhänder 80 % der Anteile an einer weiteren GmbH II hielt, welche 2002 durch Formwechsel in eine AG umgewandelt worden war. Das Grundkapital der AG, bestehend aus 2 200 Aktien zum Nennbetrag von je 25 EUR, betrug 55 000 EUR. Der Gesellschafter sollte aus der S.A., wie mit dieser vereinbart, gegen eine Abfindung von 660 Aktien der AG ausscheiden. Die Übertragung der Aktien erfolgte Ende 2002 durch Indossament direkt auf die GmbH I.

Der Gesellschafter legte die erhaltenen Aktien an der AG unmittelbar hiernach in die GmbH I ein. Diese bezifferte die Einlage mit 22 000 EUR, was den Anschaffungskosten entsprach, die der Gesellschafter im Jahr 1999 für die Anteile an der S.A. aufgewandt hatte. Die GmbH I veräußerte am 31.12.2002 ihre Aktien der AG zum Preis von 347 900 EUR (an ein französisches Unternehmen). Sie behandelte den erzielten Gewinn aus dem Verkauf der Aktien i.H.v. 325 900 EUR als nach § 8b Abs. 2 KStG 2002 steuerfreien Veräußerungserlös.

Das FA sah den Veräußerungsgewinn demgegenüber als steuerpflichtig an. Es war der Auffassung, die Anteile seien von der GmbH I unter ihrem Teilwert erworben worden, was die Gewährung einer Steuerbefreiung gem. § 8b Abs. 4 S. 1 Nr. 2 KStG 2002 (a.F.) ausschließe.

Die dagegen erhobene Klage wies das FG ab (Hessisches FG, Urteil vom 29.11.2007, 4 K 3765/04, Haufe-Index 2024597, EFG 2008, 1914).

 

Entscheidung

Der BFH hob das FG-Urteil auf und gab der Klage statt:

Entweder sei bei der ursprünglich verdeckt vorgenommenen Einlage der AG-Anteile deren Teilwert anzusetzen, weil § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG entsprechend eingeschränkt zu verstehen sei; das gebiete die Steuerverstrickung der verdeckt eingelegten Anteile über § 17 Abs. 1 S. 3 EStG. Oder aber der vorangegangene Tausch der Anteile an der AG gegen die Anteile der S.A. durch den Gesellschafter führe zum Ansatz des gemeinen Werts und damit – bei unterstellter Wertgleichheit – ebenfalls zum Teilwert der AG-Anteile.

So oder so seien die besagten Anteile jedenfalls nicht unter ihrem Teilwert erworben worden, was wiederum § 8b Abs. 4 S. 1 Nr. 2 KStG 2002 (a.F.) nicht zur Anwendung gelangen lasse. Etwaige Veräußerungsgewinne seien mithin gem. § 8b Abs. 2 KStG steuerfrei. Deshalb bleibt es im Ergebnis einerlei, ob der (Buch-)Wert, mit dem die GmbH I die eingelegten Anteile an der AG angesetzt habe, ein zu niedriger und er deswegen fehlerhaft sei.

Letztendlich heißt das: Das FA wird sich (wohl) bei dem Gesellschafter (über § 17 EStG) schadlos halten (müssen). Die Beiladung gem. § 174 Abs. 5 AO dürfte dazu die "technische" Handhabe geben.

 

Hinweis

Das Urteil betrifft mit § 8b Abs. 4 S. 1 Nr. 2 KStG 2002 (a.F.) derzeit auslaufendes (jedoch nicht ausgelaufenes, s. nachfolgend unter 2.) Recht und ist aus gestalterischer Sicht damit schon wieder steuerliche Vergangenheit:

1. Nach § 8b Abs. 2 S. 1 KStG 2002 bleiben bei der Ermittlung des Einkommens Gewinne aus der Veräußerung eines Anteils an einer Körperschaft oder Personenvereinigung unter den weiteren im Gesetz genannten Voraussetzungen außer Ansatz. Das gilt nach § 8b Abs. 4 S. 1 Nr. 2 (i.V.m. § Abs. 4 S. 2 Nr. 1) KStG 2002 (a.F.) jedoch nicht, soweit die Körperschaft die Anteile von einem Einbringenden, der nicht zu den von Abs. 2 begünstigten Steuerpflichtigen gehört, innerhalb eines Zeitraums von sieben Jahren zu einem Wert unter dem Teilwert erworben hat. Es soll dadurch verhindert werden, dass die Freistellung des Gewinns aus der Veräußerung von Kapitalanteilen – der Gesetzesintention zuwiderlaufend – letztlich doch dem Gesellschafter als einer natürlichen Person zugutekommt, indem diese sich qua vorheriger "gestalterischer" Einbringung der Anteile in die Steuerfreistellung gewissermaßen "einkauft".

2. § 8b Abs. 4 S. 1 Nr. 2 KStG 2002 (a.F.) repräsentierte also eine Umgehungs- und Missbrauchsvermeidungsvorschrift. Sie wurde zwischenzeitlich ersatzlos abgeschafft. Es bedurfte ihrer nicht mehr, weil Sacheinlagen unter ihrem gemeinen Wert (s. dazu § 20 Abs. 2 S. 2 UmwStG 2006) nach § 22 Abs. 1 und 2 UmwStG 2006 nunmehr im Fall ihrer Veräußerung innerhalb eines Zeitraums von sieben Jahren nach dem Einbringungszeitpunkt einer ...

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