Leitsatz

1. Die ortsübliche Marktmiete ist grundsätzlich auf der Basis des Mietspiegels zu bestimmen.

2. Kann ein Mietspiegel nicht zugrunde gelegt werden oder ist er nicht vorhanden, kann die ortsübliche Marktmiete z.B. mit Hilfe eines mit Gründen versehenen Gutachtens eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen i.S. des § 558a Abs. 2 Nr. 3 BGB, durch die Auskunft aus einer Mietdatenbank i.S. des § 558a Abs. 2 Nr. 2 BGB i.V.m. § 558e BGB oder unter Zugrundelegung der Entgelte für zumindest drei vergleichbare Wohnungen i.S. des § 558a Abs. 2 Nr. 4 BGB ermittelt werden; jeder dieser Ermittlungswege ist grundsätzlich gleichrangig.

 

Normenkette

§ 21 Abs. 2, § 9 Abs. 1 EStG, § 558, § 558a Abs. 2 Nr. 2, 3 und 4, § 558c, § 558d BGB, § 2 Nr. 4 BetrKV

 

Sachverhalt

Die Klägerin vermietete eine in einem MFH gelegene Wohnung verbilligt an ihre Tochter. Zur Bestimmung der ortsüblichen Marktmiete stellte das FA auf eine gleich große, im selben Haus gelegene und an einen fremden Dritten vermietete Wohnung ab. Dabei ergab sich eine Unterschreitung der 66 %-Grenze. Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Thüringer FG, Urteil vom 22.10.2019, 3 K 316/19, Haufe-Index 13881132, EFG 2020, 1058, schloss sich der Auffassung des FA an und legte bei seiner "Schätzung" der ortsüblichen Marktmiete das eine Vergleichsobjekt im selben Haus zugrunde.

 

Entscheidung

Diese Auffassung hatte keinen Bestand. Auf die Revision der Klägerin hat der BFH das FG-Urteil aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen. Dieses muss die ortsübliche Marktmiete nun anhand des örtlichen Mietspiegels "feststellen".

 

Hinweis

Ob eine verbilligte Vermietung die Grenze von 66 % (jetzt: 50 %) unterschreitet, ist häufig streitig. Das Besprechungsurteil klärt, auf welche Weise der Vergleichswert – die ortsübliche Marktmiete – vor Gericht bestimmt werden muss.

1. Vergleichsmaßstab ist nach der Rechtsprechung bei Wohnraummiete die Netto-Kaltmiete zuzüglich der umlagefähigen Betriebskosten (sog. Warmmiete). Anders ist dies bei Gewerbeimmobilien; dort kommt es auf die Netto-Kaltmiete an (vgl. BFH-Urteil vom 10.10.2018, IX R 30/17, BStBl II 2019, 200, BFH/PR 2019, 96).

2. Revisionsrechtlich handelt es sich bei der Bestimmung der ortsüblichen Marktmiete für Wohnungen vergleichbarer Art, Lage und Ausstattung im Grundsatz um eine Tatsachenfeststellung, die dem FG obliegt und vom BFH grundsätzlich nicht überprüft wird. Anders als sonst, ist das FG insofern aber nicht frei (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO). Auch handelt es sich nicht um eine Schätzung (so aber das FG). Vielmehr gibt der BFH detailliert vor, wie die Gerichte die ortsübliche Marktmiete festzustellen und zu würdigen haben. Der Sache nach formuliert der BFH Beweisregeln, deren Verletzung mit der Revision gerügt werden kann.

a) Vorrangig hat das FG den Mietspiegel heranzuziehen. Es kommt nicht darauf an, ob es sich um einen einfachen oder qualifizierten Mietspiegel handelt. Nicht anwendbar ist der Mietspiegel ausnahmsweise, wenn er nicht aktuell genug ist oder gravierende methodische Fehler aufweist. Dies muss derjenige geltend machen, der für sich einen Vorteil aus der Nichtanwendung des Mietspiegels ziehen will.

b) Weist der Mietspiegel eine Spanne aus, ist jeder Wert innerhalb der Spanne gleichermaßen ortsüblich. Es gibt nicht die eine "richtige" Vergleichsmiete, sondern der Mietspiegel trägt insofern dem Umstand Rechnung, dass für Objekte gleicher Art, Lage und Ausstattung unterschiedliche Mieten vereinbart werden.

Mietspiegelwerte sollten in jedem Einzelfall überprüft werden

Legt das FA einen Wert innerhalb der Spanne zugrunde, bei dem die Grenze des § 21 Abs. 2 EStG unterschritten ist, kann sich der Steuerpflichtige gleichwohl mit Erfolg dagegen wehren, wenn ein anderer Wert innerhalb der Spanne nicht zu einer Unterschreitung führt. Aus der Sicht des FA liegt eine Unterschreitung der Grenze nur dann sicher vor, wenn es den untersten Wert innerhalb der Spanne zugrunde legt. Das wird im Urteil zwar nicht ausgeführt, ergibt sich aber aus allgemeinen Grundsätzen. Unabhängig davon, dass auch der Amtsermittlungsgrundsatz gilt, liegt es also am Steuerpflichtigen, den vom FA zugrunde gelegten Mietspiegelwert in jedem Fall zu überprüfen.

c) Nur wenn ein Mietspiegel nicht vorhanden ist oder ausnahmsweise nicht zugrunde gelegt werden kann, stehen dem Gericht als Nächstes die drei Wege des § 558a Abs. 2 Nr. 2 bis 4 BGB zur Verfügung. Das sind:

  • Sachverständigengutachten
  • Auskunft aus Mietdatenbank
  • mindestens drei Vergleichsmieten

3. Diese Grundsätze haben ihre normative Grundlage vor allem im gesetzlichen Begriff der ortsüblichen Marktmiete. Ganz eindeutig ist das nicht; das Urteil ist insofern nicht ganz klar. Wird die Frage bejaht, sind nicht nur die Finanzgerichte daran gebunden, sondern auch die Finanzämter. Ob sich die Finanzverwaltung dem anschließt, bleibt allerdings abzuwarten.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 22.2.2021 – IX R 7/20

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