Leitsatz

Ein Erlass von Nachzahlungszinsen kommt nicht allein aufgrund einer verzögerten Bearbeitung des Steuerfalles in Betracht.

 

Sachverhalt

Der Kläger erzielte im Streitjahr 2011 Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und Vermietung und Verpachtung. Ende 2014 erließ das Finanzamt eine Prüfungsanordnung für die Jahre 2011 bis 2013. Der Prüfungsbeginn war im März 2015. Aus Krankheitsgründen erging der Prüfungsbericht erst Ende 2016. In diesem stellte die Prüferin fest, dass im Jahr 2011 ein Veräußerungsgewinn zu versteuern sei. Der geänderte Bescheid für 2011 wurde im Februar 2017 erlassen. Zudem wurden Zinsen nach § 233a AO festgesetzt. Der Kläger stellte einen Antrag auf Teilerlass der Zinsen. Zur Begründung führte er an, dass insbesondere durch die Krankheit der Prüferin eine erhebliche Verzögerung eingetreten sei. Das Finanzamt lehnte den Antrag ab. Das Einspruchsverfahren blieb ohne Erfolg, sodass der Kläger Klage vor dem zuständigen Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern erhob.

 

Entscheidung

Das Finanzgericht in Greifswald wies die Klage allerdings als unbegründet ab. Es urteilte durch Gerichtsbescheid, dass das Finanzamt den Teilerlass von Nachzahlungszinsen ermessensfehlerfrei abgelehnt habe. Nach § 227 AO sei ein Erlass von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis dann möglich, wenn die Einziehung nach der Situation im jeweiligen Einzelfall unbillig sei. Die Einziehung der Zinsen sei hier aber nicht unbillig gewesen. Zweck der Regelung des § 233a AO, der die Vollverzinsung regelt, ist es, einen Ausgleich dafür zu schaffen, dass Steuern zu unterschiedlichen Zeitpunkten bei den Steuerpflichtigen festgesetzt werden. Die Vollverzinsung soll dabei typisierend die Zins- und Liquiditätsvorteile beim Steuerpflichtigen ausgleichen. Ob er diese im Einzelfall tatsächlich hatte, ist ohne Belang. Eine verzögerte Bearbeitung eines Steuerfalles durch das Finanzamt führt hierbei regelmäßig nicht dazu, dass die Festsetzung von Nachzahlungszinsen unbillig wäre. Ein Verschulden des Finanzamts an einer langen Bearbeitungsdauer ist deshalb im Regelfall irrelevant.

 

Hinweis

Die Entscheidung des Finanzgerichts kommt nicht wirklich überraschend. Wie in der Begründung ausgeführt, ist es langjährige Rechtsprechung des BFH, dass eine lange Bearbeitungsdauer durch das Finanzamt nicht zu einer Unbilligkeit der Zinsfestsetzung führt (so unter anderem BFH, Urteil v. 21.9.2009, I R 112/08, BFH/NV 2010 S. 606; BFH, Urteil v. 19.3.1997, I R 7/96, BStBl. 1997 II S. 446). Dies soll selbst dann gelten, wenn das Finanzamt ein Verschulden an der langen Bearbeitungsdauer trifft (BFH, Urteil v. 26.7.2006, VI B 134/05, BFH/NV 2006 S. 2029). Die Begründung ist hierbei stets, dass die Vollverzinsung nach § 233a AO nur den Vorteil beim Steuerpflichtigen ausgleichen soll, der durch die "späte" Festsetzung der Steuer entsteht. Das mag grundsätzlich zutreffend sein, die Rechtsprechung des BFH bleibt gleichwohl ein Ärgernis und dies zumal in Zeiten, in denen es illusorisch ist, einen Zinsgewinn (ohne Berücksichtigung von Steuern) von 6 % in dem Zeitraum zu erwirtschaften, in dem dem Steuerpflichtigen das Geld zur Verfügung steht. Neben der Höhe des Zinssatzes bedarf auch die Rechtsprechung dringend der Überprüfung. De lege ferenda wäre es sinnvoll, auch für die Finanzverwaltung Bearbeitungsfristen einzuführen, die grundsätzlich einzuhalten sind. Für gerichtliche Verfahren ist dies ja auch durch die Einführung der §§ 198ff. GVG möglich gewesen. Warum nicht beim Finanzamt?

 

Link zur Entscheidung

FG Mecklenburg-Vorpommern, Gerichtsbescheid v. 15.01.2020, 2 K 245/17

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