Der begünstigte Erwerber muss das Familienheim unverzüglich zu eigenen Wohnzwecken nutzen.

 
Hinweis

Schuldhaftes Zögern

Unverzüglich bedeutet hier ohne schuldhaftes Zögern (R E 13.4 Abs. 2 Satz 4 ErbStR 2019).

Befreiungsunschädlich ist es, wenn der überlebende Ehegatte oder überlebende eingetragene Lebenspartner pflegebedürftig wird oder sogar verstirbt.

In Zeile 9 ist anzugeben, wie viel der Wohnfläche der bisherigen Wohnung des Erblassers durch den Erwerber zu eigenen Wohnzwecken genutzt wird (s. Tz. 2.2).

Zeile 10 erfordert das Datum, ab dem der Erwerber die Wohnung zu eigenen Wohnzwecken nutzt.

 
Hinweis

Absicht der Selbstnutzung

Die Absicht des Erwerbers zur Selbstnutzung der Wohnung lässt sich als eine innere Tatsache nur anhand äußerer Umstände feststellen. Erforderlich ist deshalb, dass der Erwerber in die Wohnung einzieht und sie als Familienheim für eigene Wohnzwecke nutzt. Die bloße Widmung zur Selbstnutzung reicht nicht aus, wenn kein tatsächlicher Einzug erfolgt.

War es dem Erwerber aus objektiv zwingenden Gründen nicht möglich, die Wohnung selbst zu nutzen, ist dies in den Zeilen 11 bis 15 aufzuführen.

Nach dem BFH Urteil vom 1.12.2021[1]

ist es erforderlich, aber auch ausreichend, wenn dem Erwerber aus objektiven Gründen die Selbstnutzung des Familienheims nicht mehr zuzumuten ist. Dabei ist ein strenger Maßstab anzulegen, um eine verfassungswidrige Begünstigung zu vermeiden. Ein abgeschlossener Katalog von Gründen besteht jedoch nicht.

Auch die Pflegebedürftigkeit des Erwerbers, durch welche die Führung eines eigenen Haushalts nicht möglich ist, ist z. B.ein objektiv zwingender Grund.

Gesundheitliche Beeinträchtigungen können zwingende Gründe darstellen, wenn sie dem Erwerber eine selbstständige Haushaltsführung in dem erworbenen Familienheim unmöglich machen. Vorgenanntes hat der BFH entschieden, wenn Erwerber ein Kind ist (s. § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG).[2]

Mit Urteil vom 1.12.2021 hat der Bundesfinanzhof nunmehr das Gleiche entschieden, wenn der Erwerber ein Ehegatte ist.[3]

Fraglich ist, was unter einem zwingenden Grund zu verstehen ist. Nach Auffassung des BFH[4] kann ein zwingender Grund auch vorliegen, wenn der Erwerber im Falle der weiteren Selbstnutzung des Familienheims eine erhebliche Beeinträchtigung seines Gesundheitszustands zu erwarten hat, die ein weiteres Verbleiben dort unzumutbar macht. Dazu können die Folgen eines Traumas gehören. Ob eine Erkrankung vorliegt, die dazu führt, dass die Unzumutbarkeitsschwelle überschritten wird, kann regelmäßig allein mit Hilfe ärztlicher Begutachtung festgestellt werden. Hat der Erwerber zunächst tatsächlich das Familienheim selbst genutzt, ist auch festzustellen, ob eine etwaige Erkrankung erst nach gewisser Zeit der Nutzung aufgetreten oder ihre Schwere manifest geworden ist.

Entschließt sich der Erwerber, das Gebäude abzureißen und auf dem Grundstück einen Neubau errichten zu lassen, dann führt das dazu, dass die Steuerbefreiung versagt wird.[5]

Ist der Erwerber aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert, führt weder die Aufgabe des Eigentums an dem Familienheim noch der Abriss des Gebäudes zur Nachversteuerung.[6]

 
Hinweis

Abbruchkosten

Die Abbruchkosten sind nicht als Nachlassverbindlichkeiten gem. § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG erbschaftsteuermindernd zu berücksichtigen.

Ferner liegt nach den gleichlautenden Ländererlassen vom 9.2.2022[7]

ein objektiv zwingender Grund auch dann vor, wenn ein Familienheim innerhalb des Zehnjahreszeitraums aufgrund höherer Gewalt zerstört und seine tatsächliche Selbstnutzung dadurch beendet wird. In diesen Fällen entfällt die Steuerbefreiung nicht rückwirkend.

 
Praxis-Beispiel

Zerstörung durch höhere Gewalt

Der Erblasser E wird durch seinen eingetragenen Lebenspartner L beerbt. Im Nachlass des Erblassers E befindet sich auch ein Familienheim (die Voraussetzungen dafür sind unstreitig gegeben). 2 Jahre nach dem Erbfall kommt es zu einer Überschwemmung, wodurch das Familienheim zerstört wird. Bei der Steuerfestsetzung wird die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG gewährt, d. h. das Familienheim ist steuerbefreit.

Lösung

Bei der Zerstörung durch die Überschwemmung liegt ein objektiv zwingender Grund vor, der an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken den L hindert. Dies hat zur Folge, dass die gewährte Steuerbefreiung bestehen bleibt.

Höhere Gewalt in diesem Sinne liegt z. B. vor durch Hochwasser, Starkregen, Unwetter, Sturm, Brand oder Explosion.

 
Hinweis

Wiederaufbau nicht notwendig

Der Erwerber ist nicht zum Wiederaufbau des Familienheims verpflichtet.

Führt der Erwerber Räumungs- und Renovierungsarbeiten vor seinem Einzug in das Familienheim durch, so gilt nach der BFH-Rechtsprechung Folgendes:

Der Erwerber muss die Räumungs- und Renovierungsarbeiten vor dem Bezug eines erworbenen Familienheims zeitlich so fördern, wie es seinen persönlichen Möglichkeiten entspricht.[8]

 
Hinweis

Würdigung der Zumutbarkeit

Was dem Erwerber diesbezüglich zumutbar ist, haben die Finanzbehörde bzw. das Finanzgericht i...

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