Hat der Anleger (typischer stiller Gesellschafter) die Wahl zwischen sofortiger Auszahlung und Wiederanlage der ihm in den Büchern des Unternehmers gutgeschriebenen "Gewinnanteile" und entscheidet er sich für die Wiederanlage, kann die darin liegende Schuldumschaffung (Novation) zu einem Zufluss der "Gewinnanteile" führen. Das gilt auch[1], wenn ein Anspruch des gutgläubigen Anlegers auf die ihm gutgeschriebenen "Gewinnanteile" gar nicht bestand, weil der Unternehmer die "Gewinne" nur vorspiegelte.[2]

Nach verschiedenen Urteilen in sog. "Ambros-Fällen" hat der BFH[3] seine Rechtsprechung bekräftigt, dass auch Scheinrenditen zu steuerbaren Einnahmen führen. Der jeweilige Zufluss wird nicht dadurch infrage gestellt, dass die durch Gewinnanteile erhöhten Einlagen später in voller Höhe endgültig ausgefallen sind. Dieser Forderungsausfall ist ein einkommensteuerlich irrelevanter Vermögensverlust.[4]

Immer wieder haben einzelne Finanzgerichte und auch die Literatur diese Rechtsprechung kritisiert. Trotzdem hat der BFH seine Rechtsauffassung erneut bestätigt.[5] Zwar könne es – so der BFH – an der Leistungsbereitschaft des Betreibers des Schneeballsystems fehlen, wenn er auf einen Auszahlungswunsch des Anlegers hin eine sofortige Auszahlung ablehnt und stattdessen über anderweitige Zahlungsmodalitäten verhandelt. Von einem Zufluss müsse allerdings ausgegangen werden, wenn der Betreiber des Schneeballsystems den Anlegern die Wiederanlage nahe legt, um den Zusammenbruch des Schneeballsystems zu verhindern, die vom (einzelnen) Anleger angeforderten Teilbeträge jedoch auszahlt.

Für die Prüfung der Leistungsfähigkeit und -bereitschaft kommt es nicht darauf an, welche Bemühungen der Anleger entfaltet, um sein Geld zu erhalten, sondern wie der Betreiber des Schneeballsystems auf den Auszahlungswunsch reagiert.[6]

Auch die im Schneeballsystem der Business Capital Investors Corporation (BCI) geschädigten Anleger sollen ihre Scheinrenditen versteuern.[7] Bei der Entscheidung, ob einer der in § 20 EStG aufgeführten Tatbestände erfüllt ist, kommt es laut BFH entscheidend darauf an, wie sich das jeweilige Rechtsgeschäft aus der Sicht des Kapitalanlegers als Leistungsempfänger bei objektiver Betrachtungsweise darstellt, da auf den nach außen erkennbaren Willen des Betreibers des Schneeballsystems abzustellen ist.

Letztlich bedeutet dies, dass die geschädigten Anleger Einnahmen versteuern müssen, die sie bei Zusammenbruch des Systems nicht mehr ausgezahlt bekommen. Die Veräußerungsverluste, die bei einer vor 2009 begründeten Kapitalforderung entstanden sind, sind der nicht steuerbaren Vermögensebene zuzuordnen. Für Anleger, die ihre Beteiligung nach 2008 begründet haben, kann ein Veräußerungsverlust demgegenüber grundsätzlich berücksichtigt werden. Ab dem Jahr 2020 kann die Verlustverrechnung nach § 20 Abs. 6 Satz 6 EStG eingeschränkt sein.[8]

 
Hinweis

Abgeltungswirkung durch Kapitalertragsteuerabzug

Die Abgeltungswirkung nach § 43 Abs. 5 Satz 1 1. Halbsatz EStG tritt grundsätzlich auch dann ein, wenn die bei der Auszahlung der Kapitalerträge einbehaltene Kapitalertragsteuer nicht beim Finanzamt angemeldet und abgeführt wird. Dies gilt ebenfalls, wenn der Steuerpflichtige Kapitaleinkünfte in Form von Scheinrenditen aus einem betrügerischen Schneeballsystem erzielt hat, für die aus seiner Sicht Kapitalertragsteuer nach § 43 Abs. 5 Satz 1 EStG einbehalten worden ist.[9]

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