Die konkrete Ausgestaltung eines Nießbrauchsrechts an einem Personengesellschaftsanteil ist vor dem Hintergrund der "Mitunternehmer-Anforderungen" seit jeher komplex und damit auch häufig Diskussionspunkt mit der Finanzverwaltung.

Mitunternehmerischer Nießbrauch: Insbesondere zur Erlangung der erbschaft- und schenkungsteuerlichen Betriebsvermögens(BV)-Begünstigungen (§§ 13a, 13b ff. ErbStG) werden bei Nießbrauchsgestaltungen häufig Lösungen angestrebt, die

  • sowohl dem Nießbrauchsbesteller
  • als auch dem Nießbraucher

eine Mitunternehmerstellung vermitteln.[1]

Dieser sog. "mitunternehmerische Nießbrauch"[2] wurde regelmäßig dergestalt konstruiert, dass

  • dem Nießbraucher bzw. bisherigem Eigentümer die laufenden Stimmrechte sowie laufenden Gewinne (letztere ggf. auch nur anteilig) zustanden,
  • während die Stimmrechte für sog. Grundlagengeschäfte und der Anteil an den stillen Reserven sowie einem etwaigen Geschäfts- oder Firmenwert dem Nießbrauchbesteller bzw. neuem Eigentümer zugewiesen wurden (auch als Quotennießbrauch bezeichnet).

"Doppelte Mitunternehmerstellung" bei Nießbrauchsgestaltungen wurde als möglich erachtet: Aufgrund der bisherigen BFH-Rechtsprechung[3] wurde die doppelte Mitunternehmerstellung bei Nießbrauchsgestaltungen jahrzehntelang als möglich erachtet. Auch die Finanzverwaltung wurde dahingehend – u.a. aufgrund eines Hinweises in den Einkommensteuerrichtlinien[4], wonach der Nießbrauchsverpflichtete/Nießbrauchsbesteller bei Bestellung eines Nießbrauchs am Gesellschaftsanteil Mitunternehmer bleibt – verstanden.

Meinungswandel weg von der doppelten Mitunternehmerstellung? Diesbezügliche Unsicherheiten resultieren nunmehr allerdings aus einer jüngeren Entscheidung des BFH zur Frage der Mitunternehmerstellung bei einer atypisch stillen Gesellschaft.

Darin führt der BFH in Abschnitt II.2.d)[5] der Urteilsbegründung Folgendes aus: „Ausgehend von dem Grundsatz, dass an einem Gesellschaftsanteil nur eine einzige Mitunternehmerstellung begründet werden kann, ist der Erwerber eines Gesellschaftsanteils nur dann Inhaber der daran bestehenden Mitunternehmerstellung geworden, wenn Mitunternehmerinitiative und Mitunternehmerrisiko vollständig auf ihn übergegangen sind”.

Beachten Sie: Wenngleich die Finanzverwaltung dieses Urteil nicht im BStBl.[6] veröffentlicht hat, ist zu befürchten, dass damit zumindest seitens der Rechtsprechung ein Meinungswandel weg von der doppelten Mitunternehmerstellung eingeleitet wurde.[7]

Beraterhinweis Vor dem Hintergrund, dass Übertragungen unter Nießbrauchsvorbehalt bei der Nachfolgeplanung von Anteilen an Personengesellschaften eine gewichtige Rolle einnehmen, sollten i.R.d. vorweggenommenen Erbfolge von Personengesellschaftsanteilen perspektivisch daher ggf. auch andere Konstruktionen – z.B. Treuhandvereinbarungen – stärker in den Fokus rücken.

Der vorliegende Beitrag

  • skizziert neben den zivilrechtlichen und steuerlichen Aspekten der treuhänderischen Übertragung von Mitunternehmeranteilen (vgl. Ausführungen unter II.)
  • auch kurz die wesentlichen Vorzüge von Treuhandabreden gegenüber Nießbrauchsvereinbarungen im Wege der vorweggenommen Erbfolge von Mitunternehmeranteilen (vgl. Ausführungen unter III.);
  • schließt mit zivilrechtlichen und steuerlichen Fragestellungen hinsichtlich des Grundsatzes der Einheitlichkeit der Mitgliedschaft in einer Personengesellschaft, falls im Nachgang zu einer bereits erfolgten Anteilsübertragung unter Vorbehaltsnießbrauch weitere Mitunternehmeranteile durch den nießbrauchsbelasteten Mitunternehmer treuhänderisch hinzuerworben werden (vgl. Ausführungen unter IV.).
[1] Escher/Haag in MHdb. Ges, Band 2, 5. Aufl. 2019, § 27 Rz. 103.
[2] Klöpping in Beck’sches Hdb. PersGes, 5. Aufl. 2020, § 7 Rz. 200.
[3] Vgl. z.B. BFH v. 4.5.2016 – II R 18/15, BFH/NV 2016, 1565 = GmbHR 2016, 1174; als Leitentscheidung zur doppelten Mitunternehmerschaft wird allerdings eine Entscheidung des BFH v. 1.3.1994 – VIII R 35/92, BStBl. II 1995, 241 angesehen, vgl. Stein, BB 2021, 28 (29).
[4] H 15.8 Abs. 1 "Nießbrauch" EStR.
[7] So auch Stein, BB 2021, 28 (30).

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