Widmen wir uns zuerst den Risiken bzw. den Folgen, die sich aus unangemessenen steuerlichen VP ergeben können. In den meisten Staaten lassen sich folgende Risikobereiche beobachten, die in den folgenden Kapiteln noch detaillierter erläutert werden:
Abb. 25: VP-Risiken
1.1 Doppelbesteuerung
Im Rahmen einer Umfrage der EU-Kommission[1] im Januar 2011 wurden zahlreiche europäische Unternehmen nach den Ursachen von Doppelbesteuerung befragt. Die folgende Grafik zeigt zum einen die breite Streuung der Ursachen einer Doppelbesteuerung. Sie zeigt aber auch, dass (unangemessene) steuerliche Verrechnungspreise mit Abstand die häufigsten Doppelbesteuerungsfälle auslösen[2]:
Abb. 26: Ursachen der Doppelbesteuerung
Eine aktuelle PwC Studie[3], bei der ausschließlich Vertreter von deutschen Firmen in 2015 befragt worden sind, bestätigt, dass VP besonders im Fokus der Betriebsprüfung stehen. Dies zeigt folgende Übersicht:
Abb. 27: VP im Fokus der Betriebsprüfung
In der Praxis führen beispielsweise die folgenden zwei Fälle zu einer VP-induzierten Doppelbesteuerung:
- doppelte Versteuerung desselben Gewinns in zwei Staaten oder
- Nichtanerkennung von Betriebsausgaben in einem Staat bei gleichzeitiger Besteuerung des Gewinns im anderen Staat.
Der obige Fall 1 soll anhand des folgenden Beispiels veranschaulicht werden:
Beispiel: Doppelte Versteuerung desselben Gewinns in zwei Staaten
Das Beispiel basiert auf folgendem Sachverhalt: Die deutsche DE AG fertigt Produkte und vertreibt sie über die französische Vertriebstochter FR SARL an die französischen Kunden. Die DE AG veräußert ihre Produkte für 80 Euro je Stück (Herstellungskosten je Stück = 75 Euro) an die Vertriebstochtergesellschaft, die die Waren für 120 Euro je Stück an konzernfremde Kunden veräußert. Die Verwaltungs- und Vertriebskosten betragen zehn Euro je Stück. Die Steuersätze seien in beiden Ländern gleich hoch, z. B. 40%. Die vereinfachten tatsächlichen handelsrechtlichen Gewinn- und Verlustrechnungen („GuV”) der beiden Gesellschaften sowie die simplifizierte Konzern-GuV bilden den Verkauf eines Produkts von der DE AG an die FR SARL wie folgt ab (alle Zahlen in Euro):
IST Gewinn- und Verlustrechnung |
DE AG | FR SARL | Konzern | |
---|---|---|---|---|
Umsatzerlöse | 80 | 120 | 120 | |
– | Herstellungskosten (COGS) | – 75 | – 80 | – 75 |
= | Bruttomarge | 5 | 40 | 45 |
Bruttomarge in % | 6% | 33% | 38% | |
– | Betriebsausgaben (SG & A) | – 10 | – 10 | |
= | EBIT | 5 | 30 | 35 |
EBIT in % | 6% | 25% | 29% | |
– | Steuern (DE = 40%; FR = 40%) | – 2 | – 12 | – 14 |
= | Jahresüberschuss | 3 | 18 | 21 |
Nachsteuerrendite in % | 18% |
Nun stellt die Betriebsprüfung unstrittig fest, dass die französische Vertriebsgesellschaft als funktions- und risikoarme Routinegesellschaft[4] deutlich mehr Gewinn erzielt hat als dies vergleichbare unabhängige Vertriebsgesellschaften tun. Nach den eigenen Datenbankrecherchen[5] der deutschen Betriebsprüfung wäre eher eine EBIT-Marge von 8% anstatt von 25% als steuerlich angemessen (d. h. fremdüblich[6]) anzusehen. Daher hat die Betriebsprüfung den VP auf 100 Euro je Stück und somit eine VP-Anpassung in Höhe von 20 Euro festgestellt. Eine gesetzlich vorgeschriebene sogenannte „verwertbare” VP-Dokumentation[7] konnte nicht vorgelegt werden.
Falls das Unternehmen sich gem. der Betriebsprüfung „richtig” verhalten hätte, dann hätte sich folgende GuV ergeben (alle Zahlen in Euro):
Soll Gewinn- und Verlustrechnung |
DE AG | FR SARL | Konzern | |
---|---|---|---|---|
Umsatzerlöse | 100 | 120 | 120 | |
– | Herstellungskosten (COGS) | – 75 | – 100 | – 75 |
= | Bruttomarge | 25 | 20 | 45 |
Bruttomarge in % | 25% | 17% | 38% | |
– | Betriebsausgaben (SG & A) | – 10 | – 10 | |
= | EBIT | 25 | 10 | 35 |
EBIT in % | 25% | 8% | 29% | |
– | Steuern (DE = 40%; FR = 40%) | – 10 | – 4 | – 14 |
= | Jahresüberschuss | 15 | 6 | 21 |
Nachsteuerrendite in % | 18% |
Bei unterstellten identischen Steuersätzen würden sich die Konzernkennzahlen im Vergleich zu der IST-GuV nicht ändern. Allerdings ist nun die EBIT-Marge der DE AG im Gegensatz zum Ausgangsfall deutlich höher als die der FR SARL.
Die steuerliche VP-Anpassung bei der DE AG in der Höhe von 20 Euro je Stück hat folgende Auswirkungen:
Auswirkungen | Ergebnis | |
---|---|---|
Mehrsteuern: | 20 Euro × 40% | 8,0 Euro |
Zinsen[8]: | 6% × 5 Jahre × 8 Euro | 2,4 Euro |
Strafzuschläge[9]: | 10% × 20 Euro | 2,0 Euro |
Steuerbelastung der DE AG aus VP-Anpassung in Euro: | 12,4 Euro | |
Bisherige Steuerbelastung der DE AG: | 2,0 Euro | |
Gesamtsteuerbelastung der DE AG: | 14,4 Euro | |
Bisherige Steuerbelastung der FR SARL: | 12,0 Euro | |
Gesamtsteuerbelastung des Konzerns: | 26,4 Euro | |
Konzernsteuerquote vor/nach BP | 40%/75,4%[10] | |
Konzernnachsteuerrendite vor/nach BP | 18%/7,2%[11] |
Die folgende Grafik zeigt die Steuerbelastungen, jeweils vor und nach der Betriebsprüfung (Zahlen in Euro):[12]
Abb. 28: Steuerbelastungen vor und nach der Betriebsprüfung
Im Ergebnis führt die VP-Anpassung bei der DE AG in Höhe von 20 Euro zu einer dramatischen Erhöhung der Konzernsteuerquote von 40% auf über 75%, während die Nachsteuerrendite im Konzern von 18% auf 7% signifikant sinkt. Wesentliche Ursache hierfür ist die Doppelbesteuerung in Höhe von acht Euro, weil der Gewinn von 20 Euro bereits bei der FR SARL handelsrechtlich versteuert wurde und nun z...
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