Leitsatz

Eine offenbare Unrichtigkeit liegt nicht vor, wenn die Finanzbehörde die Unrichtigkeit in der Steuererklärung des Steuerpflichtigen nicht erkennen konnte und sich deshalb nicht zu eigen machen konnte. Dann handelt es sich nicht um einen (Übernahme-)Fehler der Finanzbehörde.

 

Sachverhalt

Die Kläger erklärten in der elektronisch übermittelten ESt-Erklärung 2013 unter anderem einen vorläufig ermittelten Gewinn aus der Veräußerung eines Kommanditanteils (Beteiligung an einer GmbH & Co. KG) nach § 16 Abs. 2 EStG sowie einen Veräußerungsverlust nach § 17 EStG. Das Finanzamt führte die Veranlagung 2013 erklärungsgemäß durch. Ein ermäßigter Steuersatz nach § 34 Abs. 3 EStG wurde nicht angewandt.

Nachdem der Feststellungsbescheid für die GmbH & Co. KG ergangen war, änderte das Finanzamt den ESt-Bescheid 2013 nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO zuungunsten der Kläger. Hiergegen legten diese Einspruch ein und begehrten die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes. Das Finanzamt war der Meinung, dass der ermäßigte Steuersatz zwar angewendet werden, die ursprünglich bestandskräftig festgesetzte Steuer aber nicht unterschritten werden dürfe.

Die Kläger wandten indes ein, dass der ESt-Bescheid wegen einer offenbaren Unrichtigkeit berichtigt werden könne. Der Antrag auf Anwendung des ermäßigten Steuersatzes sei bei der Erstellung der Erklärung zwar gestellt, jedoch in der Anlage G versehentlich dem Veräußerungsverlust nach § 17 EStG zugeordnet worden. Dort sei der Antrag nicht relevant gewesen und deshalb dem Finanzamt von der Steuersoftware nicht übermittelt worden.

Das Finanzamt hat den Einspruch als unbegründet zurückgewiesen, weil es keine erkennbare offenbare Unrichtigkeit als eigene übernommen habe.

 

Entscheidung

Das FG hat dem Finanzamt Recht gegeben und die Klage als unbegründet zurückgewiesen, weil mit der Steuererklärung kein wirksamer Antrag nach § 34 Abs. 3 EStG gestellt worden ist.

Bei der Erstellung der Steuererklärung ist zwar ein Antrag nach § 34 Abs. 3 EStG in das Steuererklärungsprogramm eingegeben worden, aber dieser Antrag ist dem Finanzamt – auch nicht in falsch zugeordneter Form – zugegangen. Weder war aus dem Hauptvordruck noch aus den Kennziffern ein Antrag erkennbar.

Es lag somit auch kein Übernahmefehler des Finanzamtes vor. Nach ständiger Rechtsprechung ist § 129 AO auch anwendbar, wenn das Finanzamt offenbar fehlerhafte Angaben des Steuerpflichtigen als eigene übernimmt. Unrichtigkeiten auf der Seite des Steuerpflichtigen sind offenbar, wenn sie sich ohne Weiteres aus dessen Steuererklärung, deren Anlagen sowie anderen in den Akten befindlichen Unterlagen für das betreffende Veranlagungsjahr ergeben. Das war vorliegend nicht der Fall, denn weder aus dem dem Finanzamt übermittelten Hauptvordruck noch aus den dazu eingereichten Anlagen war ersichtlich, dass überhaupt ein Antrag gestellt worden ist. Die elektronische Eingabemaske, aus der der Fehler erkennbar gewesen wäre, ist dem Finanzamt nicht übermittelt worden.

 

Hinweis

Im Streitfall kam auch eine Änderung des Steuerbescheides wegen neuer Tatsachen nach § 173 AO nicht in Betracht. Nachträglich bekannt gewordene Tatsachen können auch vorliegen, wenn der Steuerpflichtige Tatsachen in der Steuererklärung nicht angegeben hat und eine Berichtigung wegen offenbarerer Unrichtigkeit nicht in Betracht kommt. Die erstmalige Ausübung eines steuerlichen Wahlrechts (Gestaltungsrechts) ist indes keine Tatsache, sondern eine der Anwendung des § 173 AO nicht zugängliche Verfahrenshandlung.

Die Kläger haben gegen das Urteil Nichtzulassungsbeschwerde beim BFH eingelegt, Az beim BFH III B 138/20. Es bleibt nunmehr abzuwarten, ob der BFH die Revision zulässt.

 

Link zur Entscheidung

FG Hamburg, Urteil v. 01.10.2020, 6 K 188/18

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