Erträge aus der Geldanlage der Erhaltungsrücklage (§ 19 Abs. 2 Nr. 4 WEG n.F.) stehen den Wohnungseigentümern gemeinschaftlich zu, da diese "Früchte" i.S.d. § 16 WEG darstellen.[53] Regelmäßig wird die Erhaltungsrücklage auf einem (separaten) Bankkonto angelegt, welches verzinslich[54] ist und zu Zinserträgen als Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG) führt.[55] Diese Einkünftezuordnung gilt auch für Wohnungseigentümer, die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus ihrem Wohneigentum erzielen.[56]

Kapitalertragsteuer: Grundsätzlich ist die Einkommensteuer aus den Erträgen aus der Anlage von Mitteln der Erhaltungsrücklage mit dem Einbehalt der Kapitalertragsteuer abgegolten (§ 43 Abs. 5 EStG).[57]

Gesonderte und einheitliche Feststellung entbehrlich: Die Kapitaleinkünfte sind den jeweiligen Wohnungseigentümern zuzurechnen (Bruchteilsbetrachtung des § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO). Da diese "über" die Eigentümergemeinschaft erzielt werden, wären die Kapitaleinkünfte aus der Erhaltungsrücklage für die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer grundsätzlich nach § 180 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 a) AO gesondert und einheitlich festzustellen. Davon kann aber abgesehen werden, wenn es sich – wie regelmäßig – um einen Fall von geringer Bedeutung handelt (§ 180 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 AO). Es reicht dann aus, dass der Verwalter

  • die anteiligen Kapitalerträge und die Kapitalertragsteuer nach dem Verhältnis der Miteigentumsanteile aufteilt,
  • die einzelnen Wohnungseigentümer informiert und
  • diesen eine Kopie der Steuerbescheinigung des Kreditinstituts gibt.[58]

Zurechnung bei nicht vollständiger Erbringung der Erhaltungsrücklage: Die Zinserträge sind m.E. auch dann allen Wohnungseigentümern (im Verhältnis ihrer Miteigentumsanteile) zuzurechnen, wenn einzelne Wohnungseigentümer ihren jeweiligen Beitrag zur Erhaltungsrücklage nicht (vollständig) erbracht haben.

 

Beispiel

Eine WEG besteht aus vier Eigentumswohnungen, die alle gleich groß sind (jeweils 25 % aller Miteigentumsanteile). Die Wohnungseigentümer A, B und C haben den Beitrag zur Erhaltungsrücklage im Jahr 2020 bereits vollständig geleistet. Wohnungseigentümer D hat erst im Jahr 2021 den entsprechenden Beitrag eingezahlt. Für das Jahr 2020 werden aus der (eingezahlten) Erhaltungsrücklage Zinserträge i.H.v. insgesamt 120 EUR erzielt.

Lösung: Die Wohnungseigentümer A, B, C und D erzielen für 2020 jeweils 30 EUR Zinserträge. Es kommt nicht darauf an, dass D seinen Beitrag noch nicht geleistet hat.[59] Die alternative Lösungsmöglichkeit, dass A, B und C jeweils 40 EUR und D keine Zinseinnahmen zuzurechnen sind, ist abzulehnen. Nach § 16 Abs. 1 S. 1 WEG gebührt jedem Wohnungseigentümer ein seinem Anteil entsprechender Bruchteil der Früchte des gemeinschaftlichen Eigentums und des Gemeinschaftsvermögens. Der Anteil bestimmt sich nach dem gem. § 47 GBO im Grundbuch eingetragenen Verhältnis der Miteigentumsanteile (§ 16 Abs. 1 S. 2 WEG). A, B, C und D haben alle denselben Miteigentumsanteil, der rechnerisch jeweils 25 % beträgt.[60]

[53] Hügel in Hau/Poseck, BeckOK/BGB, § 16 WEG (1.5.2021) Rz. 3 "In Betracht kommen beispielsweise natürliche Erzeugnisse wie Obst oder Blumen oder Zinsen auf Bankguthaben der Gemeinschaft."
[54] Ein Sparkonto wird durch das aktuelle Zinsniveau bei einer Bank nur zu geringen Erträgen führen.
[55] Die "Erhaltungsrücklage" kann man genau genommen nicht anlegen, sondern nur das von den Wohnungseigentümern eingezahlte Geld. Bilanziell gedacht ist die "Erhaltungsrücklage" auf der Passivseite und die Geldanlage (z.B. Sparkonto bei der Bank) auf der Aktivseite einer Bilanz auszuweisen.
[56] R 21.2 Abs. 2 EStR. Wenn sich das Wohnungseigentum in einem Betriebsvermögen befindet, sind die anderen Einkünfte (z.B. aus Gewerbebetrieb § 15 EStG) nach § 20 Abs. 8 EStG vorrangig.
[57] Dies gilt aber z.B. nicht, wenn die Wohnung – und damit auch die anteilige Erhaltungsrücklage – zu einem Betriebsvermögen gehört. Zudem können die Zinserträge und der damit verbundene Steuerabzug auch in die Günstigerprüfung (§ 32d Abs. 6 EStG) einbezogen werden.
[59] Wenn es um "größere Zahlen" mit einer relevanten steuerlichen Auswirkung geht, wäre bei einem Streit zwischen den Wohnungseigentümern bzw. mit dem Finanzamt eine gesonderte und einheitliche Feststellung durchzuführen, vgl. BMF v. 15.12.2017 – IV C 1-S 2401/08/10001 :018, BStBl. I 2018, 13 Rz. 22.
[60] Eventuell a.A. OFD Frankfurt/M. v. 30.3.2000 – S 2211 A-12-St II 23, DB 2000, 1102 Tz. 1, nach dem der einzelne Wohnungseigentümer "in Höhe seiner Zahlungen als Eigentümer am Verwaltungsvermögen beteiligt" sein soll. Es mag sich zwar ein (weiterhin zu erfüllender) zivilrechtlicher Einzahlungsanspruch aus der (bisher fehlenden) Einzahlung ergeben, jedoch sind die "Früchte" (§ 16 WEG) und die Kapitalerträge (i.d.R. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG) daran nicht zu bemessen.

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