Rz. 5

Wesensmerkmale der AG sind die Aufbringung und Erhaltung des Grundkapitals. Auf diesem Wege soll im Interesse der Gläubiger einerseits sichergestellt werden, dass das im Handelsregister ausgewiesene Kapital aufgebracht wurde, und andererseits, dass dieses nicht an die Anteilseigner zurückfließt, sondern ausschließlich zur Erfüllung von Verbindlichkeiten der AG bereitsteht.[1] § 57 Abs. 1 Satz 1 AktG legt daher fest, dass den Aktionären die Einlagen nicht zurückgewährt werden dürfen.

 

Rz. 6

Im Gegensatz zum Schutzumfang bei der GmbH, der sich aus § 30 Abs. 1 Satz 1 GmbHG ergibt und vorschreibt, dass das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen der Gesellschaft nicht an die Gesellschafter ausgezahlt werden darf, verbietet § 57 AktG nicht nur den Rückfluss des Grundkapitals und der gesetzlichen Rücklagen, sondern vielmehr sind auch Leistungen an die Aktionäre aus dem freien Vermögen der AG unzulässig, soweit sie nicht durch einen Gewinnverwendungsbeschluss der Hauptversammlung gedeckt sind.[2] Die Regelung des § 57 AktG sollte als Prinzip einer umfassenden Vermögensbindung der AG verstanden werden, statt (missverständlich) von einem Verbot der Einlagenrückgewähr oder (zu eng) vom Prinzip der Kapitalerhaltung zu sprechen. Ergänzend regelt § 57 Abs. 1 Satz 2 AktG, dass die Zahlung des Kaufpreises beim zulässigen Erwerb eigener Aktien nicht als Rückgewähr gilt.

 

Rz. 7

Mit dem Erwerb eigener Aktien können verschiedene ökonomische Ziele verfolgt werden:

  • Signalsetzung auf den Kapitalmärkten,
  • Optimierung des Verhältnisses von Eigen- und Fremdkapital (leverage-Effekt),
  • Alternative zur Dividendenausschüttung,
  • Gestaltung der Beteiligungsstruktur,
  • Aufbau wechselseitiger Beteiligungen,
  • Erwerb für bestimmte Verwendungszwecke, z. B. als Akquisitionswährung oder für den Rückzug von der Börse (going private).[3]
 

Rz. 8

Eine AG darf eigene Aktien aufgrund der in § 71 Abs. 1 AktG genannten – und nachfolgend dargestellten – sachlichen Gründe erwerben, wobei der Gesellschaft aus den erworbenen Aktien keine Rechte zustehen (§ 71b AktG). Ein Erwerb eigener Aktien ist zulässig,

  • wenn die Notwendigkeit besteht, einen schweren, unmittelbar bevorstehenden Schaden von der Gesellschaft abzuwenden (§ 71 Abs. 1 Nr. 1 AktG): Der Erwerb der eigenen Aktien muss hierbei im Wesentlichen ohne Alternative zur Schadensabwehr sein. Der Schadensbegriff orientiert sich dabei an den §§ 249ff. BGB, sodass jede Vermögenseinbuße ausreicht, etwa auch Folgeschäden in Form von entgangenem Gewinn (§ 252 BGB). Entgangener Spekulationsgewinn fällt somit ebenso aus dem Schadensbegriff wie ein mit dem Kursrückgang eigener Aktien verbundener Wertverlust. Ein Schaden der Aktionäre genügt hier nicht, sondern entscheidend ist, dass der Schaden der AG drohen muss;
  • um die Aktien Arbeitnehmern der Gesellschaft oder einem mit ihr verbundenen Unternehmen zum Erwerb anzubieten (§ 71 Abs. 1 Nr. 2 AktG): Dabei handelt es sich nicht nur um gegenwärtige, sondern auch um bereits beendete Arbeitsverhältnisse, sodass Aktien auch Betriebsrentnern oder Ruheständlern angeboten werden dürfen;
  • wenn dieser geschieht, um Aktionäre nach § 305 Abs. 2 AktG, § 320b AktG oder nach §§ 29 Abs. 1, 125 Satz 1 UmwG i. V. m. §§ 29 Abs. 1, 207 Abs. 1 Satz 1 UmwG abzufinden (§ 71 Abs. 1 Nr. 3 AktG);
  • wenn dieser unentgeltlich geschieht oder ein Kreditinstitut mit dem Erwerb eine Einkaufskommission ausführt (§ 71 Abs. 1 Nr. 4 AktG): Der unentgeltliche Erwerb (Schenkung, Vermächtnis) ist praktisch bedeutungslos. Der Begriff der Einkaufskommission bezieht sich auf den gewerbsmäßigen Kauf von Wertpapieren für Rechnung eines anderen (§ 383 Abs. 1 HGB). Dabei kommt es darauf an, dass der Kommissionsvertrag im Zeitpunkt des Erwerbs besteht. Eine präventive Eindeckung mit Aktien ist nicht zulässig. Scheitert das Geschäft und der Kommittent nimmt die Aktien nicht ab, so wird Erwerb nicht nachträglich unzulässig;
  • durch Gesamtrechtsnachfolge (§ 71 Abs. 1 Nr. 5 AktG): Eine Gesamtrechtsnachfolge soll nicht deswegen unzulässig sein, weil sie den Erwerb eigener Aktien mit sich bringt. Fälle der Gesamtrechtsnachfolge sind die Erbschaft nach § 1922 BGB und die Verschmelzung nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG;
  • aufgrund eines Beschlusses der Hauptversammlung zur Einziehung nach den Vorschriften über die Herabsetzung des Grundkapitals (§ 71 Abs. 1 Nr. 6 AktG): Im Gegensatz zur Einziehungsermächtigung nach § 71 Abs. 1 Nr. 8 Satz 6 AktG ist in diesem Fall des § 71 Abs. 1 Nr. 6 AktG ein vorangehender Kapitalherabsetzungsbeschluss erforderlich. Der Vorstand darf folglich nicht mit Blick auf einen künftigen Herabsetzungsbeschluss tätig werden, sondern der Herabsetzungsbeschluss bildet die eigentliche Ermächtigungsgrundlage;
  • für Finanzdienstleistungsunternehmen, die aufgrund einer höchstens 5 Jahre geltenden Ermächtigung der Hauptversammlung max. 5 % des Grundkapitals zum Zwecke des Wertpapierhandels erwerben (§ 71 Abs. 1 Nr. 7 AktG): Die Ermächtigung darf während ihres Fristlaufs erneuert werden, was aufgrund des Termin...

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