Nach Auffassung des BGH[1] steht es Ehepartnern grundsätzlich frei, die gesetzlichen Regelungen über den Zugewinn, den Versorgungsausgleich und den nachehelichen Unterhalt vertraglich auszuschließen. Allerdings darf der Schutzzweck dieser Regelungen nicht beliebig unterlaufen werden.

3.2.1 Wirksamkeitskontrolle

Der Richter wird daher in einem 1. Schritt gem. § 138 Abs. 1 BGB eine Wirksamkeitskontrolle der Vereinbarung anhand einer auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses bezogenen Gesamtwürdigung der individuellen Verhältnisse der Ehepartner vornehmen, insbesondere also hinsichtlich ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse und ihres geplanten oder bereits verwirklichten Lebenszuschnitts.

Sittenwidrigkeit wird dabei regelmäßig nur in Betracht kommen, wenn im Vertrag Regelungen aus dem Kernbereich des gesetzlichen Scheidungsfolgenrechts ganz oder jedenfalls zu erheblichen Teilen abbedungen werden, ohne dass dieser Nachteil durch anderweitige Vorteile gemildert oder durch die besonderen Verhältnisse der Ehepartner gerechtfertigt wird.

Dass ein Ehevertrag erst mehrere Monate nach der Heirat geschlossen wird, steht dessen Beurteilung als sittenwidrig aufgrund einer Gesamtwürdigung sämtlicher Umstände nicht grundsätzlich entgegen.[1]

Allein aus einem Globalverzicht (Zugewinn) auch bei einem objektiv offensichtlichen Ungleichgewicht der Einkommens- und Vermögensverhältnisse folgt nicht zwangsläufig die Sittenwidrigkeit des Ehevertrages; Voraussetzung ist vielmehr, dass ein Fall gestörter Vertragsparität vorliegt, d. h. es müssen außerhalb der Vertragsurkunde verstärkende Umstände zu erkennen sein, die auf eine Ausnutzung einer Zwangslage, sozialer oder wirtschaftlicher Abhängigkeit oder intellektueller Unterlegenheit hindeuten.[2]

Auch wenn die ehevertraglichen Einzelregelungen zu einem weitgehenden Ausschluss des nachehelichen Unterhalts (bis auf den Betreuungsunterhalt) sowie zu einem Ausschluss des Versorgungsausgleichs und des Zugewinnausgleichs für sich genommen den Vorwurf der Sittenwidrigkeit noch nicht zu rechtfertigen vermögen, kann das objektive Zusammenwirken aller in dem Vertrag enthaltenen Regelungen erkennbar auf die einseitige Benachteiligung eines der Ehegatten abzielen und damit zur objektiven Sittenwidrigkeit führen.[3]

Ergibt diese Prüfung, dass der Ehevertrag unwirksam ist, treten an dessen Stelle die gesetzlichen Regelungen.

3.2.2 Ausübungskontrolle

Ist die ursprüngliche Vereinbarung an sich zulässig, wird der Richter in einem 2. Schritt im Wege der Ausübungskontrolle[1] prüfen, ob und inwieweit die Berufung auf den Ausschluss gesetzlicher Scheidungsfolgen angesichts der aktuellen Verhältnisse nunmehr missbräuchlich ist und deshalb das Vertrauen des Begünstigten in den Fortbestand des Vertrags nicht mehr schutzwürdig ist.

In einem solchen Fall muss der Richter die Rechtsfolgen anordnen, die die berechtigten Belange beider Parteien in ausgewogener Weise Rechnung berücksichtigen.[2]

Der Vertrag kann also auch im Verlauf der Ehe sittenwidrig und damit anfechtbar werden und muss dann im Streitfall angepasst werden.[3]

Auch auf Entwicklungen nach dem Scheitern der Ehe sind die allgemeinen Grundsätze des § 313 BGB (Störung der Geschäftsgrundlage) anwendbar. Auch bei einer Scheidungsfolgenvereinbarung können sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändern, sodass eine Vertragsanpassung verlangt werden kann, wenn die Vertragsparteien – hätten sie die Veränderung vorausgesehen – den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten.[4]

 
Hinweis

Abänderung einer ehevertraglichen Unterhaltsverpflichtung auch bei nachträglicher Änderung der Rechtslage oder Verhältnissen möglich

Haben die Parteien in einem Ehevertrag eine lebenslange Unterhaltsverpflichtung vereinbart, und hat sich die Rechtslage danach geändert (Möglichkeit der Befristung), bleibt es dem Unterhaltspflichtigen im Zweifel unbenommen, sich auf eine Störung der Geschäftsgrundlage zu berufen.[5]

Auch wenn für die erstmalige Bewertung eines möglichen Rechtsmissbrauchs im Rahmen der Ausübungskontrolle eines Ehevertrags nach § 242 BGB der Zeitpunkt des Scheiterns der Ehe maßgeblich ist, kann sich durch die weitere Entwicklung ergeben, dass ein späteres Berufen seitens des von dem Ehevertrag begünstigten Ehegatten auf eine entsprechende Regelung i. S. v. § 242 BGB nicht mehr rechtsmissbräuchlich ist. Dies kann grundsätzlich im Rahmen einer Unterhaltsabänderung nach § 238 FamFG berücksichtigt werden.[6]

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