Tz. 902

Stand: EL 79 – ET: 12/2013

Wie das Wettbewerbsverbot hat auch die Geschäftschancenlehre ihre Wurzeln zunächst im Zivilrecht und dort vor allem in der gesellschafterlichen Treuepflicht (ausführlich dazu s Steck, GmbHR 2005, 1159 mwNachw). Es ist allerdings zu beachten, dass der vom BFH verwendete Begriff der Geschäftschance auf einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise beruht und uE über den zivilrechtlichen Geschäftschancenbegriff hinausgeht. Bei dieser – rein stlichen – Sichtweise geht es nicht darum, ob der Gesellschafter eine Geschäftschance nutzen darf oder ob er mit der Nutzung gegen seine Treuepflicht verstößt, sondern ob die Gesellschaft ihre Geschäftschance am Markt wirtschaftlich gegen Entgelt realisieren oder vermarkten könnte.

Tätigt eine Kap-Ges mit einem Dritten ein Geschäft, sind die sich daraus ergebenden Chancen der Kap-Ges zuzurechnen (s Urt des BFH v 13.11.1996, DStR 1997, 323).

 

Tz. 903

Stand: EL 79 – ET: 12/2013

Unter einer Geschäftschance wird die konkretisierte Aussicht verstanden, aus einem Geschäft (= sog singuläre Geschäftschance) oder aus einer betr Funktion (= sog unternehmerische Geschäftschance) zukünftig Gewinne zu erzielen, sofern die Chance verselbständigt ist und von anderen WG unterschieden werden kann (s Ditz, DStR 2006, 1625). Die Chance muss über Gewinnpotenzial verfügen, für das einerseits ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter gewöhnlich ein Entgelt einfordern würde, und für das ein fremder Dritter bereit wäre, ein entspr Entgelt zu leisten (s Gosch in Gosch, KStG, 2. Aufl, § 8 Tz 850a; Gesichtspunkte des sog doppelten Fremdvergleichs; dazu s § 8 Abs 3 Teil C Tz 117ff). Der Vorteil muss für die Beteiligten derart konkretisiert sein, dass er auch bewertbar ist ("eigenwertig"). Tw wird eine Geschäftschance auch als günstige Gelegenheit, Möglichkeit oder Aussicht auf Erfolg bezeichnet, die in Bezug zum Geschäft bzw Unternehmen stehen muss (s Schuhmann, StBp 2004, 35).

 

Tz. 904

Stand: EL 79 – ET: 12/2013

Geschäftschancen kann es auch auf der Aufwandsebene geben. Wird zB der Kap-Ges ein günstiger Miet- oder Darlehensvertrag angeboten, dieser dann jedoch vom Gesellschafter für eigene Zwecke abgeschlossen und muss sich die Kap-Ges deswegen Räumlichkeiten oder ein Darlehen anderweitig und zu schlechteren Konditionen "besorgen", kann auch dies zu einer vGA führen.

 

Tz. 905

Stand: EL 79 – ET: 12/2013

Es ist str, ob eine Geschäftschance bereits zu einem immateriellen WG "erstarkt" sein muss. UE ist dies zumindest nicht generell der Fall (in diese Richtung wohl auch Gosch in Gosch, KStG, 2. Aufl, § 8 Tz 850a: "In aller Regel handelt es sich bei der Geschäftschance folglich um ein immaterielles WG"; aA aber s Greil, IStR 2009, 202 und s Schallmoser/Eisgruber/Janetzko, in HHR, § 8 KStG Tz 307; zu singulären Geschäftschancen s Jahndorf, FR 2008, 101). Wenn der BFH nämlich auch "Wissen und Kenntnisse" einer Kap-Ges als deren Geschäftschance ansieht (zB Vermittlungsgebühren für die Benennung von Funktionsträgern für Bauherrenmodelle und "Tipp-Provisionen" für Hinweise auf Grundstücksobjekte in einer Stadt; s Urt des BFH v 11.06.1996, BFH/NV 1997, 30), dürften dies nicht immer Vorteile mit WG-Charakter sein. Geschäftschancen können auch dann bestehen, wenn sie rechtlich nicht abgesichert sind (s Urt des BFH v 12.06.1997, BFH/NV 1997, 433). Allerdings ist für die Annahme einer Geschäftschance zumindest eine gewisse Marktgängigkeit erforderlich.

 

Tz. 906

Stand: EL 79 – ET: 12/2013

Tw wird auch die Auff vertreten, dass die Geschäftschance bereits zu einem Vertrag geführt haben oder zumindest ein bindendes Vertragsangebot vorliegen muss (so s Steck, GmbHR 2005, 1157, der die Fragestellung allerdings vorrangig unter dem Aspekt der zivilrechtlichen Treuepflicht betrachtet und nicht die wirtschaftliche Betrachtung der Steuerrechtsebene im Blick hat; außerdem nennt auch Steck aE den Fall, dass ein Vertrag wohl doch nicht erforderlich sei, wenn das Geschäft in den Geschäftsbereich der Gesellschaft falle). Dies mag zivilrechtlich richtig sein; für die Beurteilung einer Geschäftschance auf der StR-Ebene ist diese Einschränkung aber nicht zutr.

 

Tz. 907

Stand: EL 79 – ET: 12/2013

Die Frage, ob eine Geschäftschance übertragen wird, ist nach den Verhältnissen im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses, zu beurteilen (wie allgemein bei der Prüfung von vGA; dazu s § 8 Abs 3 Teil C Tz 141ff mwNachw). Liegt der Übertragung kein Vertragsabschluss zugrunde, kommt es auf den Zeitpunkt der tats Übertragung an. Ist die Geschäftschance übertragen, sind die anschl Entwicklungen (also vor allem die Entstehung von Gewinnen und Verlusten) nicht entscheidend. So ist es zB denkbar, von der Übertragung einer werthaltigen Geschäftschance auf den Gesellschafter auch dann auszugehen, wenn dieser dann anschließend aus deren Nutzung aufgrund von zuvor noch nicht absehbaren (negativen) Entwicklungen einen Verlust erzielt. Genauso kann es natürlich den umgekehrten Fall geben, in dem die Geschäftschance bei Übertragung wertlos i...

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