Tz. 342

Stand: EL 110 – ET: 06/2023

Als Reaktion auf die Einleitung eines förmlichen Vertragsverletzungsverfahrens seitens der EU-Kommission v 26.07.2019 (dazu s Tz 100) erkennt D nunmehr einen nach ausl Recht abgeschlossenen GAV unter folgenden Voraussetzungen an (s Vfg der OFD Ffm v 12.11.2019, DStR 2019, 2701 und v 09.07.2020, DB 2020, 1768):

Zitat

Die Regelungen des ausl GAV

  1. entspr vollständig den Vorgaben des § 291 AktG und beinhalten insbes auch die Pflicht zur Verlustübernahme entspr der Regelung des § 302 AktG,
  2. sind nach ausl (Zivil-)Recht zulässig (insbes Vereinbarkeit mit den dortigen handels- und gesellschaftsrechtlichen Vorschriften zum Schutz von Gläubigern sowie Minderheitsgesellschaftern),
  3. sind in eintragungspflichtiger Form vereinbart, dh es besteht nach ausl Recht eine Pflicht, die Regelungen in ein mit dem dt HReg vergleichbares öff Register einzutragen oder die Regelungen zur Gewinnabführung werden in die Satzung der OG aufgenommen und es besteht nach dem ausl Recht eine Eintragungspflicht hinsichtlich von Satzungsänderungen,
  4. haben, falls der GAV nicht selbst in der Satzung verankert wird, satzungsändernden Charakter (eine bloße satzungsüberlagernde Wirkung genügt nicht). Dies ist bspw der Fall, wenn das entspr ausl GesellschaftsR des jeweiligen Landes das Institut des GAV kennt und diesem satzungsändernden Charakter beimisst oder innerhalb der Satzung die Regelungen des GAV aufgenommen werden. Allein das satzungsmäßige Einräumen der Möglichkeit zum Abschluss eines GAV iSd § 291 AktG ist nicht ausreichend, da hierdurch seitens der Gesellschafter der beherrschten Gesellschaft keine unmittelbare Entsch über eine essenzielle Änderung des rechtlichen Status getroffen wird.

Zu der in vorstehender Nr 3 genannten Voraussetzung "in eintragungsfähiger Form vereinbart" führt das Fin-Min SH (Kurzinfo v 17.01.2020, IStR 2020, 436) erläuternd aus: "Es kann entweder nach ausl Recht bereits für das Rechtsinstitut des GAV eine Eintragungspflicht bestehen oder die Regelungen zur Gewinnabführung werden in die Satzung der beherrschten Gesellschaft aufgenommen und es besteht nach dem ausl Recht eine Eintragungspflicht für Satzungsänderungen."

Liegen die vg Kriterien vor, ist, so die oa Vfg der OFD Ffm, die Organschaft frühestens ab dem Jahr der Eintragung in das Register anzuerkennen. Dies gilt auch in den Fällen, in denen ein GAV bereits früher abgeschlossen wurde. Denn eine Satzungsänderung und die entspr Eintragung in das ausl Handels- oder Firmenbuch entfalten keine stliche Rückwirkung auf den Zeitpunkt des bereits früher erfolgten Abschlusses des GAV. Vielmehr ist zivilrechtlich die Eintragung im HReg konstitutiv für die Wirksamkeit des GAV (vgl § 294 Abs 2 AktG).

Wegen der krit Auseinandersetzung mit der Haltung der Fin-Verw s Weinberger (DK 2020, 63) und s Boller/Hackemann (IStR 2020, 41).

 

Tz. 343

Stand: EL 110 – ET: 06/2023

Die oa Verw-Anw enthält keine Einschränkung auf Gesellschaften mit statutarischem Sitz in der EU bzw dem EWR, gilt also grds für ausl GAV weltweit. Auch wenn sich der Hauptanwendungsbereich der vorstehenden Verw-Anw in der Praxis auf OG mit statutarischem Sitz in einem der vier in Tz 99, 340 genannten EU-Staaten reduzieren wird, die das Rechtsinstitut des GAV kennen, haben nach Verw-Auff dem Grunde nach Kap-Ges im gesamten EU-/EWR-Ausl die Möglichkeit, OG zu werden.

Die Fin-Verw erkennt ausl GAV-Vereinbarungen allerdings nur dann iRd § 17 KStG an, wenn eine Vergleichbarkeit mit dem GAV nach § 291 AktG besteht.

Für diese erforderliche Vergleichbarkeit müssen die vier Voraussetzungen des in Tz 342 enthaltenen Kriterienkatalogs kumulativ erfüllt sein. Hinsichtlich des vierten Kriteriums kann dies zum einen dadurch gelingen, dass das ausl Gesellschaftsrecht des jeweiligen Staates das Rechtsinstitut des GAV kennt und diesem Rechtsinstitut satzungsändernde Wirkung beimisst. Zum anderen kann die ausl Gesellschaft den Anforderungen aber auch dadurch entspr, dass die GAV-Regelungen durch eine entspr Satzungsänderung aufgenommen bzw. verankert werden. Ein rein schuldrechtlicher Vertrag genügt den Anforderungen der §§ 14 bis 19 KStG selbst dann nicht, wenn in der (geänderten) Satzung die Möglichkeit eingeräumt wird, einen solchen schuldrechtlichen Vertrag abzuschließen.

Prinz/Ludwig (DB 2020, 1022) äußern sich krit zu den iE zu strengen Anforderungen der Fin-Verw.

Ob bei den vorgenannten OG die Organschaft jedoch tats anzuerkennen ist, hängt uE auch von der Haltung der Fin-Verw zu der in Tz 101 behandelten Frage ab, ob die von § 14 Abs 1 S 1 KStG verlangte Abführung des ganzen Gewinns nach dt oder nach dem im Einzelfall maßgeblichen ausl HR zu prüfen ist.

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