Digitale Technologien (Cloud-Anwendungen und Big Data) ermöglichen es, zusammen mit Künstlicher Intelligenz (KI) den "Prozess der Problemerkennung und Problemlösung" nun ebenfalls zu automatisieren bzw. zu industrialisieren. Was heißt das? Der geistige Prozess der Entdeckung (und Lösung) von Problemen wird nicht mehr allein von Menschen, sondern auch mit Hilfe von Software ausgeführt. So kann ein KI-System, das Sie sich auf Ihr Smartphone laden können (Dematerialisierung!), einen Leberfleck mindestens so sicher wie ein Dermatologe als harmlos oder bösartig klassifizieren. Ein KI-System kann im Muster von Bank-Transaktionen betrügerische Handlungen identifizieren oder, anhand des Musters physikalischer Daten eines Flugzeugtriebwerks, einen möglichen Ausfall prognostizieren. Dies alles läuft ohne menschliches Zutun ab. Entgegen traditioneller Vorstellungen werden solche KI-Systeme auch nicht mehr von Menschen "angelernt". Die KI lernt durch die permanente Analyse aller zur Verfügung stehender Daten. Sie identifiziert Muster, d.h. Regelmäßigkeiten in den Datenbeständen und "lernt" daraus. Problemfindung und Problemlösung bzw. Beratung werden hierdurch automatisiert bzw. industrialisiert. Die Industrialisierung von Problemerkennung und Problemlösung durch KI wird Sie als Berater grundsätzlich noch besser machen. Voraussetzung ist, dass alle relevanten Daten digital und in Echtzeit zur Verfügung stehen.

Wohin wird diese Entwicklung führen? Es stehen zwei Extrem-Szenarien im Raum:

  • Szenario 1: Es bleibt alles ungefähr so, wie es heute ist.
  • Szenario 2: Die Beziehung zwischen Steuerbürger und Finanzverwaltung läuft über Bots (Robots) rein digital, dematerialisiert ab. Bots kennen Sie vielleicht in Form von Spracherkennungssystemen wie Amazon Alexa, oder Apple Siri. Diese Systeme sind mit einer Cloud verbunden, wo sie auf Daten sowie auf Analysetools zugreifen und Fragen beantworten können. In diesem Szenario liegen alle steuerrelevanten Daten vom Punkt ihrer Entstehung an rein digital vor. Sie werden dann von einem KI-System sofort analysiert und vor dem Hintergrund der aktuellsten Rechtsprechung der Finanzgerichte interpretiert. Das Ergebnis wird der Finanzverwaltung selbstverständlich digital übermittelt. Diese analysiert ihrerseits Ihre digitale Steuererklärung ebenfalls mit Hilfe von Bots und KI. Alle Prozessschritte sind hier digitalisiert und automatisiert. Die Problemlösungskompetenz wurde auf beiden Seiten vollständig industrialisiert. Nicht mehr Sie als Steuerberater kämpfen für den Mandanten, sondern ein KI-System.

Die Realität wird sich in den kommenden Jahren irgendwo zwischen diesen beiden Extremszenarien finden. Wobei man wohl unterstellen darf, dass man näher an Szenario Zwei als an Szenario Eins liegen wird.

Was ist in der Zwischenzeit zu tun?

Betrachten Sie ihr Geschäftsmodell aus der Perspektive von Digitalisierung, Dematerialisierung und Künstlicher Intelligenz. Werden Sie sich der Macht von Daten bewusst, welche die Grundlage aller aktueller und zukünftiger digitalen Geschäftsmodellen sein wird. Wenn Daten das Öl der Zukunft sind, dann müssen Steuerberatungen zu Daten-Raffinerien werden. Das sollte Sie nicht überraschen. Als Beratungs- und Wissensdienstleister hatten Sie als Steuerberater schon immer ein datengetriebenes Geschäftsmodell. Ohne Daten, deren Analyse, Aufbereitung und Transformation in für Mandanten relevantes Wissen, würde es keine Wertschöpfung in der Steuerberatung geben.

Die Nachfrage nach Beratung und Unterstützung rund um Steuererklärung, Buchhaltung etc. wird in Zukunft sicher eher noch zunehmen. Ebenso sicher erscheint es aber auch, dass sich das Wie dieser Beratung verändern wird.

 

Über den Autor: Prof. Dr. Stefan Stoll leitet seit 1997 den Studiengang Wirtschaftsinformatik an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg. Er hat das Konzept des "Digital Thinking" entwickelt. Darunter ist das Verständnis einer neuen, unserem herkömmlichen betriebswirtschaftlichen Denken entgegengesetzten, Geschäftslogik des Silicon Valley gemeint. Als Hochschullehrer, Autor, Redner und Berater sensibilisiert Stoll für diese neue Denkweise und erarbeitet konkrete Massnahmen, um die digitalen Innovationen des Silicon Valley für traditionelle Geschäfte erschließen zu können.

 

Quelle: Haufe Taxulting

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