Der Online-Handel ist in den vergangenen Jahren explosionsartig gewachsen und wird auch in Zukunft erheblich an Bedeutung gewinnen. Die COVID-19-Pandemie wirkt auf diese Entwicklung wie ein Brandbeschleuniger. Verbraucher schwenken zwangsweise vermehrt von Offline- auf Online-Käufe um und bescheren dem ohnehin florierenden Online-Handel zusätzliches Wachstum.

Kein anderer Sektor wird so extrem durch Trends und Technologien getrieben. Online-Marktplätze agieren bei Online-Verkäufen vermehrt als Bindeglied zwischen Händler und Verbraucher. Die Online-Marktplätze bieten den Händlern neben der reinen Verkaufsplattform auch das sog. "Fulfillment" an. Dies beinhaltet die gesamte Verkaufsabwicklung von der Bestellung bis zur Auslieferung der Ware. Um dieses Geschäftsmodell erfolgreich umzusetzen, bedienen sich die Online-Marktplätze grenzüberschreitender Logistikstrukturen, die mittels künstlicher Intelligenz gesteuert werden.

Der rasanten Entwicklung und den modernen Strukturen im Online-Handel steht in der EU ein veraltetes Umsatzsteuerrecht gegenüber. Die umsatzsteuerliche Anknüpfung an den Lieferort ist angesichts mehrfacher Grenzüberschreitungen von Waren allein aus logistischen Gründen nicht mehr zeitgemäß. Zudem führt die Globalisierung von Lieferketten faktisch zu einem Wegfall von Ländergrenzen. Die Anzahl von grenzüberschreitenden Lieferungen – insbesondere solcher aus dem Drittland – steigt enorm. Die Vielzahl und die Geschwindigkeit der Lieferungen führt dazu, dass die umsatzsteuerliche Würdigung oft so komplex wird, dass sie von Wirtschaftsbeteiligten nicht mehr zu bewältigen ist. Die Folge sind falsche Umsatzsteuererklärungen und nicht gezahlte Umsatzsteuer auf derartige Lieferungen.

Die Kombination aus der rasanten Entwicklung im Online-Handel und einem nur noch bedingt zeitgemäßen Umsatzsteuerrecht bietet auch ein Einfallstor für Steuerbetrug. Bestehende Wertgrenzen bei der Einfuhr werden von Händlern ausgenutzt, um Waren durch falsche Wertdeklaration unversteuert an EU-Verbraucher zu verkaufen. Das Resultat sind Steuerausfälle und Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten der EU-Unternehmen.

Die EU hat diese Gründe zum Anlass genommen und die Umsatzbesteuerung von grenzüberschreitenden Lieferungen an Verbraucher (B2C) mit dem sog. "VAT E-Commerce Package" reformiert.[1] Die Reform besteht aus zwei Richtlinien[2] und drei Verordnungen[3] aus den Jahren 2017 und 2019 und wird zweistufig umgesetzt. Die zweite Stufe mit Neuerungen im Versandhandel wird COVID-19 bedingt sechs Monat später als geplant zum 1.7.2021 umgesetzt.[4]

Die Änderungen der zweiten Stufe wurden mit dem Jahressteuergesetz 2020 zwischenzeitlich ins deutsche Umsatzsteuergesetz umgesetzt.[5] Dieser Beitrag gibt einen Überblick zu den umsatzsteuerlichen Neuerungen im Online-Handel mit Drittländern ab dem 1.7.2021. Anhand von Beispielen werden praxisrelevante Anwendungsfragen diskutiert.

[1] Vgl. Erwägungsgründe zur Richtlinie (EU) 2017/2455 v. 5.12.2017.
[2] Vgl. Richtlinie (EU) 2017/2455 v. 5.12.2017, ABl. EU Nr. L 348/7 v. 29.12.2017; Vgl. Richtlinie (EU) 2019/1995 v. 21.11.2019, ABl. EU Nr. L 310/1.
[3] Vgl. Verordnung (EU) 2017/2454 v. 5.12.2017, ABl. EU Nr. L 348/1 v. 29.12.2017; Vgl. Verordnung (EU) 2017/2459 v. 5.12.2017, ABl. EU Nr. L 348/32 v. 29.12.2017; Vgl. Durchführungsverordnung (EU) 2019/2026 v. 21.11.2019, ABl. EU Nr. L 313/14.
[4] Vgl. Rat der Europäischen Union (Beschluss, 2020): Zur Änderung der Richtlinien (EU) 2017/2455 und (EU) 2019/1995 in Bezug auf die Umsetzungsfrist und den Geltungsbeginn als Reaktion auf die COVID-19-Pandemie, Zugriffsdatum: 10.10.2020.
[5] Vgl. JStG v. 21.12.2020, BGB Teil I Nr. 65 v. 28.12.2020.

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