Bis zur Einführung der Quick Fixes sind Lieferungen eines Reihengeschäfts mit Hilfe der Art. 31 und 32 MwStSystRL geprüft worden. Die Besonderheiten eines Reihengeschäfts – aneinander geknüpfte Umsätze über denselben Gegenstand mit einem direkten Transport des Gegenstands vom Ersten zum Letzten in der Reihe – fanden in den unionalen gesetzlichen Regelungen keinen besonderen Niederschlag. Die gesetzlichen Vorschriften wurden der Besonderheit eines Reihengeschäfts schlicht nicht gerecht. Die Bestimmung und das Herausarbeiten der bewegten Lieferung in der Reihe ist nur mit Hilfe des Art. 32 MwStSystRL nicht möglich.

Die Rechtsprechung löste diesen "malus" der gesetzlichen Vorschriften unter der Zuhilfenahme weiterer Vorschriften. Die Anknüpfung an Art. 14 MwStSystRL und damit die Befähigung, wie ein Eigentümer verfügen zu können, ist nachvollziehbar und richtig. In der konkreten Prüfung der Verschaffung der Verfügungsmacht gelangt aber auch die Rechtsprechung an die Grenzen der gegebenen Normen und den Grundprinzipien der MwStSystRL, wie beispielsweise einer autonomen unionalen Gesetzesauslegung. So steht die Auslegung der Art. 31, 32 MwStSystRL und die Ausführungen zum Reihengeschäft naturgemäß im Spannungsfeld zwischen unionalem Rechtsbegriff und nationalem Rechtsverständnis.

Abhilfe schafft aus unserer Sicht die Einführung des Art. 36a MwStSystRL. Dass die Rechtsprechung zu einer Norm, die erst zu Beginn des Jahres 2020 in die Richtlinie kam, noch keine Stellung beziehen konnte, liegt in der Natur der Sache.

Art. 36a MwStSystRL würdigt die Besonderheiten des Reihengeschäfts. Obzwar der Gegenstand derselbe bleibt, sind in einem Reihengeschäft mehrere Unternehmer in mehreren Mitgliedstaaten involviert. Eine Würdigung nach Art. 32 MwStSystRL stellt dabei primär auf die Verschaffung der Verfügungsmacht im Herkunfts- oder Bestimmungsmitgliedstaat ausgehend von dem ersten oder dem letzten Unternehmer in der Reihe ab. Art. 36a Abs. 1 MwStSystRL bewertet das Reihengeschäft nun weder vom Ersten noch vom Letzten, sondern von dem Unternehmer, der das Reihengeschäft in der Regel in seiner Gesamtheit erkennen kann. Dem Zwischenhändler.

Zwischenhändler ist zentrale Figur: Trotz dieser Neuerung weiterhin auf die Transportverantwortlichkeit und die Verschaffung der Verfügungsmacht abzustellen, greift unsere Einschätzung nach zu kurz und wird der "neuen" unionalen Regelung nicht gerecht. Gerade mit Blick auf Art. 36a Abs. 3 MwStSystRL wird klar, dass der Zwischenhändler vom Richtliniengeber als zentrale Figur angesehen wird. Er kann jeder (!) in der Reihe außer der Erste sein. Entscheidend für die Bewertung ist die Transportverantwortung, sofern er selbst tätig wird. In allen weiteren Fällen die Transportveranlassung des Gegenstandes. Das ist schlüssig, da bei der Transportverantwortung durch den ersten Unternehmer in der Reihe tatsächlich Art. 32 Abs. 1 MwStSystRL zur Bestimmung der bewegten Lieferung – der Transportlieferung – ausreicht. Transportiert der Zwischenhändler selbst, kann der Zwischenhändler bestimmen, welche die bewegte Lieferung ist. Diese Bestimmung gelingt ihm aber gerade nicht durch das Diktum der Rechtsprechung zur Verschaffung der Verfügungsmacht, sondern durch die Verwendung der entsprechenden Umsatzsteuer-Identifikationsnummer. Erst auf den zweiten Blick ist zu erkennen, dass dieses Ergebnis nicht im Widerspruch zur bisherigen EuGH-Rechtsprechung zum Reihengeschäft steht. Nur statt zu prüfen, welcher Unternehmer welchem Unternehmer in der Reihe die Befähigung verschafft, wie ein Eigentümer zu handeln, benennt Art. 36a MwStSystRL den Zwischenhändler als denjenigen, der für die Verschaffung der Verfügungsmacht durch die zielgerichtete Verwendung der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer verantwortlich ist.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge