Einwendungen: In der Besteuerungspraxis hat insb. die Haftungsinanspruchnahme des GmbH-Geschäftsführers im Insolvenzverfahren an Bedeutung zugenommen. Wird dieser haftungsmäßig in Anspruch genommen, so ist er nach § 166 AO im Haftungsverfahren mit Einwendungen gegen unanfechtbar festgesetzte Steuern der von ihm vertretenen und in Insolvenz geratenen GmbH ausgeschlossen, wenn er im Prüfungstermin nicht anwesend gewesen ist und deshalb gegen die Forderungen keinen Widerspruch erhoben hat, so dass diese zur Tabelle festgestellt worden sind (BFH v. 16.5.2017 – VII R 25/16, BStBl. II 2017, 934). Der BFH hat auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken, dass der Geschäftsführer einer GmbH im Haftungsverfahren mit Einwendungen gegen die Höhe der Steuerforderungen gem. § 166 AO ausgeschlossen ist, wenn er der Forderungsanmeldung des FA hätte widersprechen können, dies aber unterlassen hat. Mangelnde Kenntnisse der Grundpflichten eines Geschäftsführers einer GmbH entschuldigen eine Pflichtverletzung nicht (BFH v. 18.8.2018 – XI R 54/17, BFH/NV 2019, 100).

Abgrenzung der Pflichten des gesetzlichen Vertreters und des vorläufigen Insolvenzverwalters: Wird die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer GmbH beantragt und ein vorläufiger Insolvenzverwalter unter Anordnung eines allgemeinen Zustimmungsvorbehalts bestellt, verbleibt die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis trotzdem beim gesetzlichen Vertreter der GmbH. Er wird durch den vorläufigen Insolvenzverwalter nicht aus seiner Pflichtenstellung verdrängt und hat weiterhin dafür zu sorgen, dass die Steuern aus den Mitteln der GmbH entrichtet werden. Ist für Einfuhrabgaben ein laufender Zahlungsaufschub gewährt worden, sind diese am Fälligkeitstag vorrangig ohne Rücksicht auf das Bestehen etwaiger anderer Zahlungsverpflichtungen zu entrichten. In diesem Fall ist daher auf die Haftung des GmbH-Geschäftsführers für die Einfuhrabgaben der sog. Grundsatz der anteiligen Tilgung nicht anzuwenden (BFH v. 26.9.2017 – VII R 40/16, BStBl. II 2018, 772). Der Geschäftsführer kann sich nicht allein mit der Behauptung entlasten, er habe angenommen, der vorläufige Insolvenzverwalter werde seine Zustimmung zur Abgabentilgung verweigern; hypothetische Kausalverläufe sind nicht zu berücksichtigen. Wegen der erhöhten Anforderungen an den Geschäftsführer in der Krise der GmbH ist im Regelfall eine solche Anfrage an den vorläufigen Insolvenzverwalter erforderlich, deren Nachweis dem Geschäftsführer obliegt. Nur bei konkreten und eindeutigen objektiven Anhaltspunkten für die Sinnlosigkeit dieser Anfrage kann auf diese verzichtet werden (BFH v. 22.10.2019 – VII R 30/18, BFH/NV 2020, 711).

Geschäftsführer haften auch in der vorläufigen Eigenverwaltung nach §§ 191, 69, 34 AO nach den allgemeinen Grundsätzen für USt-Schulden (FG Münster v. 6.2.2017 – 7 V 3973/16 U, EFG 2017, 452). Die Stellung eines Antrags auf Insolvenzeröffnung und Eigenverwaltung und die Bestellung eines vorläufigen Sachwalters stehen einer Haftung der Geschäftsführer einer GmbH & Co. KG für USt-Rückstände der Gesellschaft nicht entgegen. Allein der mündliche Widerspruch eines vorläufigen Sachwalters gegen die Abführung von Steuern schließt eine Haftung der Geschäftsführer einer GmbH & Co. KG für USt-Rückstände der Gesellschaft nicht aus (FG Münster v. 16.5.2018 – 7 K 783/17, EFG 2018, 1156, die eingelegte NZB wurde mit Beschl. v. 4.6.2019 – VII B 101/18 (n.v.) als unbegründet zurückgewiesen).

Beraterhinweis Eine Haftung scheidet jedoch mangels grober Fahrlässigkeit der Geschäftsführer aus, wenn das Insolvenzgericht im Beschluss über die Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung zugleich gem. § 270a, § 21 Abs. 1 S. 1 InsO anordnet, dass Zahlungen aus dem Steuerschuldverhältnis nur mit Zustimmung des vorläufigen Sachwalters geleistet werden dürfen und dieser die Zustimmung versagt (FG Münster v. 3.4.2017 – 7 V 492/17 U, EFG 2017, 883).

Lohnsteuer-Haftung: Die allgemeinen Grundsätze der Lohnsteuer-Haftung (Maßgeblichkeit der Pflichtwidrigkeit mit Bezug auf den Lohnanmeldungszeitraum des Zuflusses von Lohn; keine Anwendung der Grundsätze der anteiligen Tilgung) finden auch bei der Haftung für pauschalierte Lohnsteuer und Säumniszuschläge zur pauschalierten Lohnsteuer Anwendung. Bei der Haftungsinanspruchnahme für Säumniszuschläge sind die mit Bezug auf den Steuerschuldner gebotenen Billigkeitserwägungen nach § 227 AO beim Haftungsschuldner im Rahmen der Ermessensbetätigung nach § 191 Abs. 1 AO zu berücksichtigen (FG München v. 29.5.2020 – 8 K 2529/19, EFG 2020, 1347, Rev. eingelegt, Az. des BFH: VII R 32/20).

Eine nur (möglicherweise) bevorstehende Restschuldbefreiung des Haftungsschuldners muss das FA im Rahmen der Ermessensausübung bei Erlass des Haftungsbescheids nicht berücksichtigen. In welchem Umfang die Haftungsschuld von der Restschuldbefreiung erfasst wird, ist erst nach dem Beschluss über die Restschuldbefreiung (§ 300 Abs. 4 InsO) zu klären (BFH v. 12.6.2018 – VII R 2/17, BFH/NV 2019, 6).

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