Mittelvorhaltepflicht des gesetzlichen Vertreters: Der gesetzliche Vertreter verletzt nicht nur dann seine Pflicht, wenn er entgegen § 34 Abs. 1 S. 2 AO nicht dafür sorgt, dass die Steuern aus den Mitteln entrichtet werden, die er verwaltet. Vielmehr trifft ihn auch dann eine schuldhafte Pflichtverletzung, wenn er ungeachtet der erkennbar entstehenden Steueransprüche für deren spätere Tilgung im Zeitpunkt der Fälligkeit keine Sorge trifft. Kann der Geschäftsführer nach den Regelungen eines DBA zur Vermeidung der Doppelbesteuerung damit rechnen, dass Gewinne nicht doppelt besteuert werden, und kann er im Falle des deutschen Besteuerungsrechts mit einer Verrechnung der im Ausland gezahlten Steuer rechnen, so wird seine Mittelvorhaltepflicht insoweit gemindert. Dasselbe gilt, wenn er ernsthaft eine Herabsetzung der in Deutschland festgesetzten Steuer erwarten darf (FG Münster v. 9.12.2015 – 13 K 1232/12 K, EFG 2016, 402).

USt-Vorauszahlungsansprüche bleiben als selbständige Ansprüche auch dann bestehen, wenn der Jahressteuerbescheid ergeht. Für die Beurteilung eines Haftungsanspruchs wegen einer bestimmten Steuer ist genau auf den Besteuerungszeitraum abzustellen, für den der Haftungsschuldner in Anspruch genommen werden soll.

Beraterhinweis Im Tenor eines Haftungsbescheids muss deshalb der Besteuerungszeitraum genannt werden, auf den sich die dem Haftungsschuldner vorgeworfene Pflichtverletzung bezieht (FG München v. 2.12.2015 – 3 K 701/13, EFG 2016, 451).

Zurückgeforderte Investitionszulage: Der (ehemalige) Geschäftsführer und Liquidator einer GmbH haftet für von der GmbH zurückgeforderte Investitionszulage gem. § 69 S. 1 i.V.m. § 34 AO, wenn zum Zeitpunkt der sicheren Kenntnis über den Rückforderungsanspruch (mit der Bekanntgabe des Rückforderungsbescheids) zwar keine liquiden Mittel zur Tilgung des Rückforderungsanspruchs vorhanden sind, er es aber unterlässt, für die GmbH gegenüber den Gesellschaftern einen Rückgewähranspruch entsprechend § 31 GmbHG aufgrund einer vorzeitigen Verteilung des Gesellschaftsvermögens (Verletzung des § 73 Abs. 1 GmbHG) geltend zu machen.

Beraterhinweis Die Haftung des Geschäftsführers einer GmbH umfasst neben seiner Inanspruchnahme für die Hauptschuld (im Streitfall: Rückforderung von Investitionszulagen) jedoch nicht die Säumniszuschläge, wenn zum Zeitpunkt der Rückforderung aufgrund pflichtwidrigen Unterlassens des Haftenden keine liquiden Mittel zur Rückzahlung vorhanden sind (FG Berlin-Bdb. v. 15.11.2018 – 9 K 9052/18, EFG 2019, 1505, Rev. eingelegt, Az. des BFH: VII R 14/19).

USt-Hinterziehung: Begeht die Geschäftsführerin einer Komplementär-GmbH eine vollendete USt-Hinterziehung i.S.v. § 370 AO, haftet sie auch im Fall ihrer Inanspruchnahme nach § 69 i.V.m. § 34 AO für den beim FA eingetretenen Steuerschaden in vollem Umfang, d.h. unabhängig von den individuellen Zahlungsmöglichkeiten der Steuerschuldnerin im sog. Haftungszeitraum. Der Umstand, dass das FA wegen zwischenzeitlicher Einreichung einer auf 0 EUR lautenden USt-Erklärung 2005 durch die Steuerschuldnerin einen auf § 131 Abs. 1 AO gestützten Teilwiderrufsbescheid für die Haftung für die zunächst im Schätzungswege ermittelte Hauptforderung (USt 2005) erlassen hat, steht im Fall einer vollendeten USt-Hinterziehung einer späteren erneuten Geltendmachung der Haftungsforderung im Rahmen der Einspruchsentscheidung nicht entgegen (FG Berlin-Bdb. v. 5.9.2019 – 9 K 9159/15, EFG 2019, 1949).

Begrenzung der Geschäftsführerhaftung: Ein GmbH-Geschäftsführer ist allein aufgrund seiner nominellen Bestellung für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten der GmbH voll verantwortlich und wird davon erst dadurch befreit, dass er von der Geschäftsführung zurücktritt. Eine ausnahmsweise Begrenzung der Geschäftsführerhaftung setzt eine vorweg getroffene, eindeutige und schriftlich festgehaltene Aufgabenzuweisung für alle Bereiche des laufenden Geschäftsverkehrs voraus, so dass klargestellt ist, welcher Geschäftsführer für welchen Bereich zuständig ist. Beachten Sie: Eine Erkrankung kann einer Haftungsinanspruchnahme allenfalls entgegenstehen, wenn zweifelsfrei ersichtlich ist, dass es dem Geschäftsführer gänzlich unmöglich gewesen ist, geschäftliche Belange wahrzunehmen, die Geschäftsführeraufgaben zu delegieren oder zumindest seine Geschäftsführertätigkeit früher zu beenden. Dabei wird eine ärztliche Bescheinigung, dass mehr als einfache geschäftliche Verhandlungen oder Besprechungen nicht zumutbar sind, diesen Anforderungen nicht gerecht (FG Köln v. 12.6.2019 – 2 K 2087/17, EFG 2020, 957).

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