Umsatzsteuerrechtliche Behandlung der Leistungen von Börsen und anderen Handelsplattformen für Finanzprodukte: Bei der Erbringung von sonstigen Leistungen von Akteuren im Börsengeschäft sind unterschiedliche Sachverhaltsgestaltungen möglich.

In einem ersten Schritt ist daher zu prüfen, ob die betreffenden Leistungen umsatzsteuerrechtlich eine einheitliche Leistung bilden oder ob von mehreren getrennt zu beurteilenden selbständigen Einzelleistungen auszugehen ist.

Für die nach diesen Grundsätzen beurteilten Leistungen von Akteuren im Börsengeschäft ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob eine Steuerbefreiung des § 4 Nr. 8 UStG, insbesondere § 4 Nr. 8 Buchstabe e UStG, anzuwenden ist. Nach § 4 Nr. 8 Buchstabe e UStG sind Umsätze im Geschäft mit Wertpapieren und die Vermittlung dieser Umsätze steuerfrei.

Umsatzsteuerbefreite Finanzdienstleistungen sind von rein materiellen oder technischen Leistungen zu unterscheiden. Hierbei ist insbesondere der Umfang der Verantwortung des Dienstleistungserbringers gegenüber dem Leistungsempfänger sowie die Frage, ob sich diese Verantwortung auf technische Aspekte beschränkt oder auf spezifische und wesentliche Elemente der Umsätze erstreckt, zu berücksichtigen.

Das BMF nimmt hierzu Stellung und ergänzt den UStAE zu folgenden Punkten (BMF v. 3.5.2021 – III C 3 - S 7160/20/10003:001, BStBl. I 2021, 713):

  • Leistungen einer Börse als Zentraler Kontrahent (Zentrale Gegenpartei – CCP) im Wertpapierhandel (Kassamarkt) oder im Derivatehandel (Terminhandel): Solche sog. CCP-Leistungen einer Börse im Kassamarkt (Wertpapierhandel) oder im Terminmarkt (Derivatehandel) sind als eigenständige (einheitliche) sonstige Leistung zu beurteilen, da der CCP im eigenen Namen/auf eigene Rechnung gegenüber den Handelsteilnehmern als Käufer bzw. Verkäufer von Wertpapieren/Derivaten auftritt. Die technische Anbindung von Marktteilnehmern an den Börsenbetrieb und das Bereitstellen der Börsenprogramme ist Teil der einheitlichen Gesamtleistung, die nach den Voraussetzungen des § 4 Nr. 8 Buchst. e UStG insgesamt umsatzsteuerfrei sein kann, soweit die Leistung im Inland umsatzsteuerbar ist.
  • Börsenbetreiber als Abwickler und technischer Anbieter im Börsengeschäft (Abwicklung von Matching/Clearing/Settlement): Werden Matching, Clearing und Settlement durch einen einzigen Leistungserbringer erbracht, liegt eine einheitliche sonstige Leistung vor. Das Clearing und das Settlement dienen der Abwicklung des Matchings. Es handelt sich dabei um Nebenleistungen zur Hauptleistung Matching, da sie für die Erfüllung des Börsengeschäfts durch den Börsenbetreiber zwingend erforderlich sind und es beim Erbringen von Matching, Clearing und Settlement durch einen einzigen Leistenden gerade um die Verbindung dieser Elemente geht. Es handelt sich um eine im Inland umsatzsteuerbare, sonstige Leistung, bei der grundsätzlich die Voraussetzungen für die Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 8 Buchst. e UStG vorliegen, da die Durchführung des Matchings den wirtschaftlichen Gehalt dieser Leistung prägt.
  • Börsenbetreiber als technischer Anbieter der IT-Börsenprogramme: In diesen Fällen handelt es sich bei den Leistungen des Börsenbetreibers um eine reine Weiterüberlassung von Datenkapazität und IT-Zugängen (technische Anbindung/Bereitstellung von IT) ohne Zusammenhang mit einem Handelsgeschäft (Kauf oder Verkauf von Wertpapieren).

Diese Grundsätze sind auch auf Umsätze von anderen Handelsplattformen für Finanzprodukte übertragbar. Stellt z.B. der Betreiber einer Handelsplattform für virtuelle Währungen den Marktteilnehmern seine Internetseite als technischen Marktplatz zum Erwerb bzw. Handel, z.B. von Bitcoin, zur Verfügung, kann unter Zugrundelegung der vorgenannten Grundsätze die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 8 UStG ebenso in Betracht kommen.

Zudem wird Tz. I. Buchst. c des BMF-Schreibens vom 27.2.2018 zu anderslautenden Regelungen bei virtuellen Währungen aufgehoben.

Anwendungsregelung: Diese Grundsätze sind in allen offenen Fällen anzuwenden. Es wird jedoch eine Übergangsregelung bis zum 30.6.2021 verfügt.

Bestimmung des Ortes der sonstigen Leistung nach § 3a Abs. 3 Nr. 5 UStG: Der EuGH hat mit Urteil vom 13.3.2019 in der Rs. C-647/17 (Srf konsulterna) zur Auslegung der Bestimmung des Ortes von Veranstaltungen Stellung genommen. Nach Abschn. 3a.6 Abs. 13 Satz 3 Nr. 3 UStAE setzte die Anwendung der Ortsregelung bei Veranstaltungen auf dem Gebiet des Unterrichts und der Wissenschaft bisher voraus, dass die Veranstaltung für die Öffentlichkeit allgemein zugänglich ist. Dieses Erfordernis ist nach dem Urteil des EuGH keine Voraussetzung für die Anwendung der Ortsregelung.

Daher werden aus Klarstellungsgründen die betreffenden Vorschriften des UStAE neu gegliedert und entsprechende Anpassungen vorgenommen (BMF v. 9.6.2021 – III C 3 - S 7117-b/20/10002:002, BStBl. I 2021, 778). Außerdem wurde das Merkmal der Erforderlichkeit der physischen Anwesenheit des Leistungsempfängers bei der Veranstaltung eingefügt. Die Online-Teilnahme wird daher von ...

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