Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuwendungen an politische Parteien
Leitsatz (amtlich)
1. Da die Abhaltung von Wahlen eine öffentliche Aufgabe ist und den Parteien bei der Durchführung dieser öffentlichen Aufgabe von Verfassung wegen eine Staats wegen zur Verfügung zu stellen.
2. Auch ein Gesetz, das in seinem Wortlaut eine ungleiche Behandlung vermeidet und seinen Geltungsbereich abstrakt-allgemein umschreibt, widerspricht dem Gleichheitssatz dann, wenn sich aus seiner praktischen Auswirkung eine offenbare Ungleichheit ergibt und diese ungleiche Auswirkung gerade auf die rechtliche Gestaltung zurückzuführen ist. Nicht die äußere Form, sondern der materiell-rechtliche Gehalt ist entscheidend.
3. Der Gesetzgeber ist nicht verpflichtet, bestehende faktische, auf der unterschiedlichen soziologischen Struktur der politischen Parteien beruhende Verschiedenheiten der Wettbewerbschancen auszugleichen. Aber er darf nicht ohne zwingenden Grund eine Regelung treffen, die eine schon bestehende faktische Ungleichheit der Wettbewerbschancen der Parteien verschärft.
4. Eine durch ein Gesetz geschaffene unterschiedliche steuerliche Behandlung der Einflußnahme des Bürgers auf die politische Willensbildung je nach der Höhe des Einkommens durch Gewährung von Steuervorteilen für Spenden an politische Parteien verträgt sich nicht mit dem Grundsatz der formalen Gleichheit, der die Ausübung politischer Rechte in der freien Demokratie beherrscht.
Normenkette
EStG § 10b; GG Art. 3, 21; KStG § 11; EStDV § 49; KStDV § 26
Tenor
I.
- § 10b des Einkommensteuergesetzes in den Fassungen vom 21. Dezember 1954 (BGBl I S. 441) und vom 13. November 1957 (BGBl I S. 1793) sowie § 11 Ziffer 5 des Körperschaftsteuergesetzes in den Fassungen vom 21. Dezember 1954 (BGBl I S. 467) und vom 19. Dezember 1957 (BGBl I S. 1865) sind nichtig, soweit nach diesen Bestimmungen unmittelbare oder mittelbare Zuwendungen an politische Parteien als Ausgaben zur Förderung staatspolitischer Zwecke bei Ermittlung des steuerpflichtigen Einkommens vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden können.
- § 49 Ziffern 1 und 2 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung in den Fassungen vom 21. Dezember 1955 (BGBl I S. 756) und vom 26. April 1958 (BGBl I S. 306) sowie § 26 Ziffern 1 und 2 der Körperschaftsteuer-Durchführungsverordnung vom 23. Dezember 1955 (BGBl I S. 853) sind nichtig.
II.
Die Zweite Verordnung über den Abzug von Spenden zur Förderung staatspolitischer Zwecke vom 23. Oktober 1956 (BGBl I S. 836) ist mit dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vereinbar.
Tatbestand
A.
I.
Das Gesetz zur Neuordnung von Steuern vom 16. Dezember 1954 (BGBl I S. 373) erstreckte die nach § 10b des Einkommensteuergesetzes – EStG – in der Fassung vom 15. September 1953 (BGBl I S. 1355) und § 11 Ziff. 5 des Körperschaftsteuergesetzes – KStG – in der Fassung vom 13. April 1954 (BGBl I S. 97) bestehende Möglichkeit, Ausgaben für gewisse steuerbegünstigte Zwecke bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Einkommens abzuziehen, auf Ausgaben zur Förderung staatspolitischer Zwecke:
Abschnitt I Art. 1 Nr. 18 des Gesetzes änderte § 1 Ob EStG wie folgt:
- In Satz 1 werden die Worte „religiöser und wissenschaftlicher Zwecke” durch die Worte „religiöser, wissenschaftlicher und staatspolitischer Zwecke” ersetzt.
- In Satz 2 werden die Worte „für wissenschaftliche Zwecke” durch die Worte „für wissenschaftliche und staatspolitische Zwecke” ersetzt.
Abschnitt II Art. 4 Nr. 8 des Gesetzes ersetzte in § 11 Ziff. 5 KStG
- in Satz 1 die Worte „religiöser und wissenschaftlicher Zwecke” durch die Worte „religiöser, wissenschaftlicher und staatspolitischer Zwecke”,
- in Satz 3 die Worte „in § 10 Abs. 1 Zfff. 4” durch die Worte „in § 10d”.
Dadurch erhielt im Einkommensteuergesetz in der Fassung vom 21. Dezember 1954 (EStG 1955) – BGBl I S. 441 – § 1 Ob den nachstehenden, durch die Neufassung vom 13. November 1957 (EStG 1957) – BGBl I S. 1793 – nicht berührten Wortlaut:
Steuerbegünstigte Zwecke
Ausgaben zur Förderung mildtätiger, kirchlicher, religiöser, wissenschaftlicher und staatspolitischer Zwecke und der als besonders förderungswürdig anerkannten gemeinnützigen Zwecke sind bis zur Höhe von insgesamt 5 vom Hundert des Gesamtbetrages der Einkünfte oder 2 vom Tausend der Summe der gesamten Umsätze und der im Kalenderjahr aufgewendeten Löhne und Gehälter als Sonderausgaben abzugsfähig. Für wissenschaftliche und staatspolitische Zwecke erhöht sich der Vomhundertsatz von 5 um weitere 5 vom Hundert.
Im Körperschaftsteuergesetz in der Fassung vom 21. Dezember 1954 (KStG 1955) – BGBl I S. 467 – erhielt § 11 Ziff. 5 den nachstehenden, durch die Neufassung vom 19. Dezember 1957 (KStG 1957) – BGBl I S. 1865 – nicht berührten Wortlaut:
Bei Ermittlung des Einkommens sind die folgenden Beträge abzuziehen, soweit sie nicht bereits nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes abzugsfähige Ausgaben sind.
- …
- …
- …
- …
- Ausgaben zur Förderung mildtätiger, kirchlicher, religiöser, wissenschaftlicher und staatspolitischer Zwecke und der als besonders förderungswürdig anerkannten gemeinnützigen Zwecke bis zur Höhe von insgesamt 5 vom Hundert des Einkommens oder 2 vom Tausend der Summe der gesamten Umsätze und der im Kalenderjahr aufgewendeten Löhne und Gehälter. Für wissenschaftliche Zwecke erhöht sich der Vomhundertsatz von 5 um weitere 5 vom Hundert. Als Einkommen im Sinn dieser Vorschrift gilt – das Einkommen vor Abzug der in Satz 1 und in § 10d des Einkommensteuergesetzes bezeichneten Ausgaben.
Auf Grund des § 51 Abs. 1 EStG 1955 bestimmte die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates in § 49 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV 1955) vom 21. Dezember 1955 (BGBl I S. 756) näher den Umfang dieser abzugsfähigen Sonderausgaben:
§ 49
Förderung staatspolitischer Zwecke
Ausgaben zur Förderung staatspolitischer Zwecke können nur abgezogen werden, wenn
- sie an eine politische Partei, auf deren Wahlvorschlag bei der letzten Wahl zum Bundestag oder zur Volksvertretung eines Landes mindestens ein Abgeordneter gewählt worden ist, oder an eine politische Partei der dänischen Minderheit gegeben werden und
- die Bundesleitung oder die für die empfangende Stelle zuständige Landesleitung der Partei bestätigt, daß die in Buchstabe a bezeichnete Voraussetzung vorliegt und der zugewendete Betrag nur für staatspolitische Zwecke verwendet werden wird, oder
- sie an eine juristische Person gegeben werden, die nach ihrer Satzung und tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich staatspolitischen Zwecken dient und deren Mittel für die in Ziffer 1 bezeichneten Parteien verwendet werden, und wenn die Empfängerin bestätigt, daß sie den ihr zugewendeten Betrag nur zur Förderung der in Ziffer 1 bezeichneten Parteien verwenden wird, oder
- sie an juristische Personen gegeben werden, die nach ihrer Satzung und tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich allgemeinen staatspolitischen Zwecken dienen und die durch die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates bestimmt werden. Allgemeine staatspolitische Zwecke im Sinn dieser Vorschrift sind solche, die auf die allgemeine Förderung des demokratischen Staatswesens im Geltungsbereich des Grundgesetzes und in Berlin (West) gerichtet sind; Bestrebungen, die nur bestimmte Einzelinteressen staatspolitischer Art verfolgen, dienen nicht allgemeinen staatspolitischen Zwecken. Die Empfängerin der Zuwendungen muß bestätigen, daß sie den ihr zugewendeten Betrag nur für allgemeine staatspolitische Zwecke verwenden wird.
Gemäß dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Februar 1957 – 1 BvR 241/56 – (BVerfGE 6, 273) hat Art. 1 Nr. 37 der Zweiten Verordnung zur Änderung der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung vom 7. Februar 1958 (BGBl I S. 70) aus § 49 Ziff. 1 lit a die Worte:
„auf deren Wahlvorschlag bei der letzten Wahl zum Bundestag oder zur Volksvertretung eines Landes mindestens ein Abgeordneter gewählt worden ist, oder an eine politische Partei der dänischen Minderheit”
gestrichen. In dieser Fassung ist § 49 in die Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV 1956/1957) vom 26. April 1958 (BGBl I S. 306) übernommen worden.
Weiterhin erließ die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates auf Grund des § 23a Abs. 1 KStG in der Fassung von 21. Dezember 1954 (BGBl I S. 467) in § 26 der Körperschaftsteuer-Durchführungsverordnung (KStDV 1955) vom 23. Dezember 1955 (BGBl I S. 853) eine dem § 49 EStDV 1955 gleichlautende Bestimmung.
Schließlich hat die Zweite Verordnung über den Abzug von Spenden zur Förderung staatspolitischer Zwecke vom 23. Oktober 1956 (BGBl I S. 836) die Staatsbürgerliche Vereinigung 1954 e.V., Köln (jetzt Koblenz), als eine juristische Person im Sinne des § 49 Ziff. 3 EStDV 1955 und des § 26 Ziff. 3 KStDV 1955 anerkannt.
II.
1. Die Hessische Landesregierung hat den Antrag gestellt, das Bundesverfassungsgericht möge feststellen:
- § 10b des Einkommensteuergesetzes in der Fassung vom 21. Dezember 1954 (EStG 1955) – BGBl I S. 441 –, soweit er Zuwendungen an politische Parteien betrifft,
- § 11 Ziff. 5 des Körperschaftsteuergesetzes in der Fassung vom 21. Dezember 1954 (KStG 1955) – BGBl I S. 467 –, soweit er Zuwendungen an politische Parteien betrifft,
- § 49 Ziff. 1 und 2 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV 1955) vom 21. Dezember 1955 – BGBl I S. 756 –,
- § 26 Ziff. 1 und 2 der Körperschaftsteuer-Durchführungsverordnung (KStDV 1955) vom 23. Dezember 1955 – BGBl I S. 853 –,
- die Zweite Verordnung über den Abzug von Spenden zur Forderung staatspolitischer Zwecke vom 23. Oktober 1956 – BGBl I S. 836 – verstoßen gegen Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 und Art. 21 Abs. 1 des Grundgesetzes, die Vorschriften unter c), d), e) außerdem gegen Art. 21 Abs. 1 Satz 4 des Grundgesetzes und sind daher nichtig.
2. Zur Begründung hat der Antragsteller vorgetragen:
- Die angefochtenen Vorschriften regelten den Rechtsbegriff des Einkommens als Bemessungsgrundlage der Besteuerung in einer mit den Wertentscheidungen der Verfassungsordnung nicht in Einklang stehenden Weise. Die vom Gesetzgeber getroffene Regelung verfolge Absichten, die mit der Pflege der Steuerquelle und ihrer Ausschöpfung, mit der dazugehörigen Wirtschaftsgestaltung und der sozialen Gerechtigkeit nichts mehr zu tun hätten. Die Inanspruchnahme der Steuerkompetenz hierfür sei willkürlich. Die Finanzierung der politischen Parteien sei keine Staatsaufgabe, da die freiheitliche demokratische Grundordnung keine Staatsparteien dulde.
- Die Möglichkeit, Spenden an politische Parteien bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Einkommens abzuziehen, sei im Hinblick auf die Progression des Steuertarifs nur für die Bezieher höherer Einkommen von Interesse. Die Regelung bewirke also eine Begünstigung solcher Parteien, die sich mit ihrem Programm an die zahlungskräftigsten Wähler wendeten; dazu gehörten in erster Linie die derzeitigen Regierungsparteien, während anderen Parteien, wie der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, der Zugang zu solchen Spenderkreisen von vornherein verschlossen sei. Die Wähler und ihre Parteien würden ungleich behandelt; der Grundsatz der Chancengleichheit der politischen Parteien sei verletzt.
- Die angegriffene Regelung verletze den Gleichheitssatz auch im Hinblick auf den einzelnen Staatsbürger. Die Bestimmungen verkoppelten in unzulässiger Weise den absoluten, personalen Status des Staatsbürgers, zu dem insbesondere das Grundrecht der Meinungsfreiheit und das der Freiheit zur politischen Parteienbildung gehöre, mit dem nur im Bereich des materiellen Steuerrechts zulässigen Prinzip der progressiven Steuersätze.
- Der Verstoß gegen den Gleichheitssatz wirke um so stärker, als sogar juristische Personen diese Staatshilfe zur Förderung ihrer politischen Ziele in Anspruch nehmen könnten. Zwar könnten sie nicht wählen; da aber die von ihnen gespendeten Beiträge höher lägen als die Spenden einzelner Personen, führe die angegriffene Regelung zu dem paradoxen Ergebnis, daß juristische Personen bei der Verfolgung ihrer politischen Ziele vom Staat stärker unterstützt würden als die wahlberechtigten Staatsbürger.
- § 49 Ziff. 2 EStDV, § 26 Ziff. 2 KStDV und die Zweite Verordnung über den Abzug von Spenden zur Förderung staatspolitischer Zwecke vom 23. Oktober 1956 verstießen gegen die durch Art. 21 Abs. 1 Satz 4 GG den Parteien auferlegte Verpflichtung, über die Herkunft ihrer Mittel öffentlich Rechenschaft zu geben. Die Zulassung juristischer Personen als Sammelstellen steuerbegünstigter Spenden schütze das Bestreben der Spender, der Öffentlichkeit nicht erkennbar zu werden. Die Regelung bewirke ferner, daß über Gelder, die politischen Zwecken dienen, der kleine Personenkreis in der Leitung dieser juristischen Personen verfüge.
Außerdem sei es fraglich, ob die Anerkennung der „Staatsbürgerlichen Vereinigung 1954 e. V.” wirksam sei. Denn § 49 Ziff. 3 EStDV sei nur auf solche juristische Personen anzuwenden, die ausschließlich allgemeinen staatspolitischen Zwecken dienten. Die genannte Vereinigung sei jedoch nur zu dem Zweck gegründet worden, um im Sinne des § 49 Ziff. 2 EStDV politische Parteien zu finanzieren.
III.
Der nach § 14 Abs. 5 BVerfGG zuständige Ausschuß hat das Verfahren durch Beschluß vom 11. Juli 1957 dem Zweiten Senat zugewiesen.
Das Gericht hat gemäß § 77 BVerfGG dem Bundestag, dem Bundesrat, der Bundesregierung und den Landesregierungen Gelegenheit zur Äußerung gegeben. Der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg hat sich die Ausführungen der Hessischen Landesregierung zu eigen gemacht. Auch die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen hat sich dem Vorbringen des Antragstellers angeschlossen.
IV.
Die Bundesregierung hält die angegriffenen Bestimmungen für gültig. Sie hat im einzelnen ausgeführt:
- Kraft seiner Steuerhoheit bestimme der Staat, in welchen Fällen er einen Steueranspruch begründen wolle. Er könne daher auch aus staatspolitischen Gründen den Abzug gewisser Ausgaben bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Einkommens zulassen.
- Eine finanzielle Förderung der Parteien sei notwendig, um das Staatsbewußtsein zu stärken.
- Wesentlich sei allein, daß sich der Staat bei der mittelbaren Förderung der Parteien durch Steuerbegünstigung der Spenden neutral verhalte. Das aber sei der Fall, weil es im freien Belieben jedes Staatsbürgers stehe, zugunsten der von ihm bevorzugten Partei von der Bestimmung Gebrauch zu machen. Aus dem Grundgesetz könne eine Verpflichtung des Gesetzgebers nicht herausgelesen werden, die in der politischen Wirklichkeit gegebenen soziologischen Sturkturunterschiede der Parteien bei der Gestaltung eines solchen Steuerabzugs zu berücksichtigen. Überdies sei es angesichts der letzten Wahlergebnisse zum mindesten zweifelhaft, ob diese fortbestünden. Die konkrete Chance, tatsächlich Spenden zu erhalten, müsse die Partei sich selbst scharfen, der Staat könne sie nicht vermitteln.
- Die Steuerbegünstigung der Spenden bedeute nicht eine Unterstützung der Parteien mit öffentlichen Mitteln.
- Die unterschiedliche steuerliche Auswirkung des Abzugs der Spenden folge zwangsläufig aus dem System des progressiven Einkommensteuertarifs.
- Die Einwände gegen die steuerliche Absetzbarkeit der Spenden von juristischen Personen seien nicht berechtigt. Die Körperschaftsteuer sei eine besondere Art der Einkommensteuer. Um die Gleichheit der Steuerbelastung zu wahren, müsse daher die Abzugsfähigkeit auch bei der Körperschaftsteuer gewährt werden.
- Dem Erfordernis des Art. 21 Abs. 1 Satz 4 GG werde schon dadurch entsprochen, daß eine juristische Person als Geldgeber genannt werde. Soweit sich der Antragsteller gegen die Ballung von politischer Macht in der Hand der leitenden Organe von Förderergesellschaften wende, übersehe er deren Bindung an die jedermann zugängliche Satzung.
- Bei der Anerkennung der Staatsbürgerlichen Vereinigung 1954 als juristische Person im Sinne des § 49 Ziff. 3 EStDV habe sich der Verordnunggeber an die Auslegung des Begriffs „ausschließlich” in § 4 Gemeinnützigkeitsverordnung vom 24. Dezember 1953 (BGBl I S. 1592) gehalten. Danach liege Ausschließlichkeit dann vor, wenn keine anderen als steuerbegünstigte Zwecke verfolgt werden. Die gleichzeitige Verfolgung mehrerer steuerbegünstigter Zwecke (§ 49 Ziff. 2 und Ziff. 3 EStDV) durch dieselbe juristische Person sei nicht zu beanstanden; nur in Ziffer 3 sei aber die besondere Anerkennung vorgeschrieben.
V.
In der mündlichen Verhandlung am 13. Mai 1958 waren die Hessische Landesregierung und die Bundesregierung vertreten. Das Bundesverfassungsgericht hatte der Christlich-Demokratischen Union und der Christlich-Sozialen Union, der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, der Freien Demokratischen Partei, dem Gesamtdeutschen Block BHE und der Deutschen Partei anheimgestellt, zur mündlichen Verhandlung Beauftragte zu entsenden, die Gelegenheit zur Äußerung erhalten sollten. Von dieser Möglichkeit hat die SPD durch Entsendung der Bundestagsabgeordneten Professor Dr. Gülich und Seuffert Gebrauch gemacht. Die FDP war durch das Mitglied des Bundestages Dr. Bucher vertreten. Die CDU und die CSU, der BHE und die DP waren nicht vertreten.
Als Sachverständiger ist Professor Dr. Eschenburg von der Universität Tübingen gehört worden.
Entscheidungsgründe
B.
I.
1. Der Antrag ist gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG iVm § 76 Nr. 1 BVerfGG zulässig. Der Antragsteller, eine Landesregierung, hält Bundesrecht wegen seiner sachlichen Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz für nichtig.
2. Im vorliegenden Verfahren sind nicht nur Gesetze im formellen Sinn – nämlich § 10b EStG und § 11 Ziff. 5 KStG –, sondern auch Rechtsverordnungen – nämlich § 49 Ziff. 1 und 2 EStDV, § 26 Ziff. 1 und 2 KStDV sowie die Zweite Verordnung über den Abzug von Spenden zur Förderung staatspolitischer Zwecke vom 23. Oktober 1956 – auf ihre Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz zu prüfen. Die Frage, ob der Inhalt dieser Rechtsverordnungen von den in Anspruch genommenen Ermächtigungsnormen gedeckt wird, muß das Bundesverfassungsgericht im Normenkontrollverfahren nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG als Vortrage selbst entscheiden, da im Rahmen dieses Verfahrens ein anderes für diese Entscheidung zuständiges Organ nicht vorhanden ist (BVerfGE 2, 307 [321]).
§ 51 Abs. 1 Ziff. 2 lit c EStG und § 23a Abs. 1 Ziff. 2 lit d KStG ermächtigen die Bundesregierung, mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung Vorschriften „über eine Beschränkung des Abzugs von Ausgaben zur Förderung steuerbegünstigter Zwecke im Sinne des § 10b EStG (bzw. § 11 Ziff. 5 KStG) auf Zuwendungen an bestimmte Körperschaften, Personenvereinigungen …” zu erlassen. § 10b EStG und § 11 Ziff. 5 KStG erklären bei Ermittlung des steuerpflichtigen Einkommens für abzugsfähig „Ausgaben zur Förderung staatspolitischer Zwecke”, während § 49 Ziff. 1 und 2 EStDV und § 26 Ziff. 1 und 2 KStDV u.a. solche Ausgaben zur Förderung staatspolitischer Zwecke für abzugsfähig erklären, die unmittelbar oder mittelbar einer politischen Partei gegeben werden. Obwohl § 10b EStG und § 11 Ziff. 5 KStG ausdrücklich nur von Ausgaben zur Förderung staatspolitischer Zwecke, nicht aber von Spenden an politische Parteien sprechen, sind § 49 Ziff. 1 und 2 EStDV und § 26 Ziff. 1 und 2 KStDV durch die in Anspruch genommenen Ermächtigungsnormen gedeckt. Denn im Bundestag war es während der Beratung des Antrags, der die Erstreckung der Steuerbegünstigung auf Ausgaben zur Förderung staatspolitischer Zwecke zum Inhalt hatte, nie zweifelhaft, daß dabei in erster Linie an Spenden für politische Parteien gedacht war (vgl. Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (19. Ausschuß) –Deutscher Bundestag, 2. Wahlperiode 1953, Drucks. 961 S. 6 zu § 10b EStG; 57. Sitzung des 2. Deutschen Bundestages vom 19. November 1954. Prot. S. 2857 A, 2858 A, B, S. 2860 B, vgl. auch BVerfGE 6, 273 [278]).
Auch die Zweite Verordnung über den Abzug von Spenden zur Förderung staatspolitischer Zwecke vom 23. Oktober 1956 hält sich im Rahmen der Ermächtigung von § 51 Abs. 1 Ziff. 2 lit c EStG und § 23a Abs. 1 Ziff. 2 lit d KStG.
II.
Die zur verfassungsrechtlichen Prüfung gestellten Vorschriften bestimmen, daß Zuwendungen an politische Parteien als Ausgaben zur Förderung staatspolitischer Zwecke bis zu einem bestimmten Betrag bei Ermittlung des steuerpflichtigen Einkommens abgezogen werden können. Die Vorschriften gehören also zu den Bestimmungen, die den Begriff des Einkommens als Grundlage für die Bemessung der Einkommen- und Körperschaftsteuer umschreiben.
Der Bund hat nach Art. 105 Abs. 2 Nr. 2 GG die konkurrierende Gesetzgebung über „die Steuern vom Einkommen”, wenn er die Steuern ganz oder zum Teil zur Deckung der Bundesausgaben in Anspruch nimmt. Die Kompetenz zur Gesetzgebung über Steuern vom Einkommen gibt dem Gesetzgeber auch die Befugnis, gewisse Ausgaben, die an sich eine Verwendung von Einkommen darstellen, aus besonderen Gründen bei Ermittlung des steuerpflichtigen Einkommens zum Abzug zuzulassen. Indem der Bundesgesetzgeber Spenden an politische Parteien für abzugsfähig erklärt, verzichtet er auf den Teil der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer, der an sich auf diese Beträge entfallen würde. Dieser Verzicht wirkt sich zugunsten der politischen Parteien aus. Die Anerkennung der Parteispenden als abzugsfähige Ausgaben bedeutet also, daß der Staat mittelbar in Höhe des ihm verlorengehenden Steueranteils an der Finanzierung der politischen Parteien teilnimmt.
Wenn der Gesetzgeber von seinen Kompetenzen Gebrauch macht, ist er an übergreifende Verfassungsprinzipien gebunden. Die angegriffene Regelung würde daher mit dem Grundgesetz nicht vereinbar sein, wenn das Grundgesetz, wie der Antragsteller behauptet, jede unmittelbare oder mittelbare finanzielle Förderung der politischen Parteien von Staats wegen verböte. Dies aber ist nicht der Fall.
Nach Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG wirken die Parteien bei der politischen Willensbildung des Volkes mit. Sie tun dies besonders durch Beteiligung an den Wahlen. Das geltende Wahlrecht setzt politische Parteien für die Vorbereitung und Durchführung der Wahlen voraus. Die Parteien sind also vor allem Wahlvorbereitungsorganisationen, und auch ihre Geldmittel dienen in erster Linie der Wahlvorbereitung. Wegen der zentralen Stellung, die die politischen Parteien im gesamten Verfassungsleben heute einnehmen und die in den Wahlen besonders sichtbar wird, hat das Bundesverfassungsgericht ihnen organschaftliche Funktionen im inneren Bereich des Verfassungslebens zuerkannt und ihnen für die Geltendmachung ihrer Rechte im Wahlverfahren den Weg des Organstreits eröffnet (BVerfGE 4, 27, [30]). Da die Abhaltung von Wahlen eine öffentliche Aufgabe ist und den Parteien bei der Durchführung dieser öffentlichen Aufgabe von Verfassungs wegen eine entscheidende Rolle zukommt, muß es auch zulässig sein, nicht nur für die Wahlen selbst, sondern auch für die die Wahlen tragenden politischen Parteien finanzielle Mittel von Staats wegen zur Verfügung zu stellen.
III.
§ 10b-EStG, § 11 Ziff. 5 KStG, § 49 Ziff. 1 und 2 EStDV und § 26 Ziff. 1 und 2 KStDV verletzen jedoch das Grundrecht der politischen Parteien auf Chancengleichheit.
1. Dieses Grundrecht ist vom Bundesverfassungsgericht aus Art. 21 Abs. 1 GG zunächst für den Wahlvorgang selbst entwickelt worden: Die bei der Verhältniswahl für die verschiedenen Parteien abgegebenen Stimmen müssen für den Wahlerfolg grundsätzlich das gleiche Gewicht haben (BVerfGE 1, 208 [242, 255]; 6, 84 [90]). Die Geltung des Grundrechts der Chancengleichheit ist ausgedehnt worden auf die Wahlvorbereitungen (Zulassung von Wahlvorschlägen, Unterschriftenquorum; vgl. BVerfGE 3, 19 [26]; 3, 383 [393]; 4, 375 [387]). Das Grundrecht der Chancengleichheit gilt auch für die zur Wahlvorbereitung in der Massendemokratie unerläßliche Wahlpropaganda, soweit sie durch Maßnahmen der öffentlichen Gewalt beeinflußt wird (gleicher Zugang zum Rundfunk: BVerfGE 7, 99 [107], und schließlich auch für den Wettbewerb zwischen den Parteien um die Erlangung von Spenden (BVerfGE 6, 273 [280]).
2. Die angegriffenen Bestimmungen haben zum Inhalt, daß jeder Steuerpflichtige, der zur Einkommen- oder Körperschaftsteuer herangezogen wird, bis zu einem bestimmten Betrag Spenden an jede politische Partei mit der gleichen Rechtsfolge der Absetzbarkeit bei der Ermittlung seines steuerpflichtigen Einkommens geben darf. Die gesetzliche Regelung gibt also jeder politischen Partei dem Wortlaut nach die gleichen Chancen für die Erlangung von Spenden.
Aber auch ein Gesetz, das in seinem Wortlaut eine ungleiche Behandlung vermeidet und seinen Geltungsbereich abstrakt allgemein umschreibt, widerspricht dem Gleichheitssatz dann, wenn sich aus seiner praktischen Auswirkung eine offenbare Ungleichheit ergibt und diese ungleiche Auswirkung gerade auf die rechtliche Gestaltung zurückzuführen ist. Nicht die äußere Form, sondern der materiell-rechtliche Gehalt ist entscheidend (vgl. Leibholz, Die Gleichheit vor dem Gesetz und das Bonner Grundgesetz, DVBl 1951, S. 193 [195 r.]; derselbe. Die Gleichheit vor dem Gesetz, AöR n. F. 12 (1927), S. 1 f., 15, 16).
3. Greift der Gesetzgeber durch seine positive Regelung auch nur unmittelbar in den Bereich der politischen Willensbildung in einer Weise ein, daß dadurch die Chancengleichheit der politischen Parteien berührt werden kann, so muß er beachten, daß seinem Ermessen in diesem Bereich besonders enge Grenzen gezogen sind. Grundsätzlich müssen alle Parteien formal gleich behandelt werden. Dieser Grundsatz verbietet jede unterschiedliche Behandlung der Parteien, die nicht durch einen besonderen „zwingenden Grund” gerechtfertigt ist. Das ergibt sich aus der demokratisch-egalitären Grundlage unserer Verfassungsordnung (vgl. zur Chancengleichheit der politischen Parteien BVerfGE 1, 208 ff. [255]; 4, 375 ff. [382]; 6, 84 [94]; 6, 273 [280]).
Angesichts der großen finanziellen Aufwendungen, die ein moderner Wahlkampf erfordert, sind heute alle politischen Parteien auf Spenden angewiesen; keine kann ihren gesamten Finanzbedarf einschließlich der Kosten für die Wahlpropaganda allein aus Mitgliederbeiträgen decken. Im demokratischen Mehrparteienstaat sind alle politischen Parteien in gleicher Weise dazu berufen, an der politischen Willensbildung des Volkes mitzuwirken, sei es auf seiten der Regierung, sei es auf seiten der Opposition. Der Staat ist zwar nicht verpflichtet, durch gesetzliche Bestimmungen dafür zu sorgen, daß der Geldbedarf der politischen Parteien befriedigt wird. Wenn aber der Gesetzgeber eine irgendwie geartete Regelung trifft, die die Finanzierung der politischen Parteien fördern soll, muß sie verfassungskonform sein und darf insbesondere nicht das Grundrecht der Parteien auf Chancengleichheit verletzen. Wenn der Staat gesetzgeberische Maßnahmen trifft, die der Finanzierung der politischen Parteien dienen – entweder indem er Spenden an sie steuerlich begünstigt, also gegenüber den Spendern auf Steuern verzichtet, oder indem er unmittelbar Steuermittel für die Aufgaben der Parteien zur Verfügung stellt –, so darf die Regelung nicht dazu führen, daß eine – bestimmte Partei oder Parteiengruppe vor anderen Parteien begünstigt wird.
Da der Steuersatz bei der Einkommensteuer mit der Höhe des steuerpflichtigen Einkommens steigt, und zwar bis zu 53 v.H., und da der Körperschaftsteuersatz grundsätzlich 45 v. H. beträgt, wirkt die Möglichkeit, Spenden an eine politische Partei bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Einkommens abzuziehen, als Anreiz zum Spenden in erster Linie auf die Einkommensteuerpflichtigen mit großen Einkommen und auf die Körperschaftsteuerpflichtigen. Sie sind auf Grund der Neuregelung in der Lage, ihre Spende gegenüber früher unter gewissen Voraussetzungen sogar zu verdoppeln, ohne dafür aus eigenen Mitteln einen höheren Betrag aufwenden zu müssen als bisher. Für die nur lohnsteuerpflichtigen Bezieher kleiner Einkommen dagegen bietet die steuerliche Absetzbarkeit der Spende an eine politische Partei keinerlei erhöhten Anreiz; da die ihnen finanziell mögliche Spende meist so gering sein wird, daß dadurch der ohnehin für Sonderausgaben in den Tarif eingearbeitete Pauschbetrag nicht überschritten wird.
Geldspenden an eine politische Partei werden nach der allgemeinen Lebenserfahrung aus einer bestimmten Interessenlage heraus gegeben; die politische Spende hat in der Regel politisch oder ökonomisch finalen Charakter im Gegensatz zu der Spende für mildtätige, religiöse oder wissenschaftliche Zwecke, die meist um der Sache willen aus Liberalität und ohne die Erwartung eines besonderen Vorteils für den Spender gegeben wird. Es wird also der grundsätzlichen Tendenz nach jeder Spender nur der Partei Geld geben, von der er nach Programm und bisheriger Tätigkeit in Parlament und Regierung annimmt, daß ihre Politik seinen besonderen Interessen entspricht. Dieser Umstand kann freilich nur dann von Bedeutung sein, wenn die politischen Parteien sich in ihren Zielen und in den Mitteln zu deren Verwirklichung so deutlich voneinander unterscheiden und gruppieren, daß der Spender, wenn er seine Interessen wahren will, sich für die eine (oder die einen) und gegen die andere (oder die anderen) entscheiden muß Tatsächlich bestehen in der Bundesrepublik zwischen bestimmten Parteien solche Gegensätze sie beruhen auf einer historisch begründeten verschiedenen Auffassung des Verhältnisses von Individuum Staat und Gesellschaft Daher müssen die umstrittenen Bestimmungen zur Folge haben, daß diejenigen Parteien, deren Programm und Tätigkeit kapitalkräftige Kreise ansprechen, starker begünstigt werden Gewiß ist der Gesetzgeber nicht verpflichtet, bestehende faktische, auf der unterschiedlichen soziologischen Struktur der Parteien beruhende Verschiedenheiten der Wettbewerbschancen auszugleichen Aber er darf nicht ohne zwingenden Grund eine Regelung treffen, die eine schon bestehende faktische Ungleichheit der Wettbewerbschancen der Parteien verschärft das vorhegende Gesetz ist aber so angelegt, daß der Beitrag, den der Staat durch Verzicht auf Steuern leistet, das Gewicht bestimmter politischer Parteien im Willensbildungsprozeß verstärkt. Diese Verschärfung der Unterschiede hat zwar die faktische Ungleichheit, die schon vor der gesetzlichen Regelung bestanden hat, zur Voraussetzung, sie beruht aber ausschließlich auf eben dieser gesetzlichen Regelung. Die als Folge der gesetzlichen Regelung eintretende Differenzierung des politischen Gewichts der Parteien enthält einen Verstoß gegen das formale Prinzip der Chancengleichheit, weil sie nach einem Kriterium erfolgt, das in diesem Bereich offenbar sachfremd ist Denn das Gesetz wirkt sich, obwohl es seinem Wortlaut nach alle politischen Parteien gleich behandelt, dahin aus, daß bestimmte Parteien vor anderen durch die Möglichkeit begünstigt werden, große Spenden zu erlangen und damit ihr Gewicht im politischen Konkurrenzkampf ohne sachlich zu rechtfertigenden Grund zu verstärken.
4. Dieses Ergebnis kann nicht mit dem Einwand in Frage gestellt werden, daß der Grundsatz der Chancengleichheit folgerichtig auch auf Spenden an mildtätige oder wissenschaftliche Einrichtungen, Kirchen usw Anwendung finden müsse. Dieser Schluß ist nicht zwingend. Die Tätigkeit der politischen Parteien vollzieht sich im Bereich der politischen Willensbildung. Dem Ergebnis dieser Willensbildung, der Mehrheitsentscheidung, sind alle unterworfen, auch diejenigen, die nicht die Parteien der Mehrheit unterstützt haben Deshalb ist hier hinsichtlich der Chancengleichheit ein besonders strenger Maßstab anzulegen Andererseits kann etwa das Mitglied einer Religionsgemeinschaft, die nur geringe Spenden erhalt, nicht in die Gefahr kommen, in den Einflußbereich einer Religionsgemeinschaft zu geraten, der Spenden in größerem Ausmaß zufließen. Dort wo es sich nicht um politische Willensbildung oder Ausübung politischer Macht, sondern um ein Tätigwerden gesellschaftlicher Machte und Institutionen handelt, hat der Satz von der Chancengleichheit, wie er sich im Bereich der politischen Willensbildung für die Parteien entwickelt hat, keine Geltung Infolgedessen kann eine als Folge der steuerlichen Bestimmungen möglicherweise eintretende unterschiedliche Begünstigung von solchen Institutionen nicht gegen die Verfassung verstoßen.
IV.
Die zur Prüfung gestellten Vorschriften des Einkommensteuergesetzes, des Körperschaftsteuergesetzes und der beiden Durchführungsverordnungen verletzen aber auch das Grundrecht des Bürgers auf Gleichheit.
1. Der Burger, der einer politischen Partei Geld spendet, bekennt sich damit in der Regel zu den Zielen dieser Partei, ähnlich wie wenn er ihr seine Wahlstimme geben würde. Er macht von seinem Recht auf Teilhabe an der politischen Willensbildung Gebrauch. Dieses Recht äußert sich in der lebendigen Demokratie nicht nur in der Stimmabgabe bei den Wahlen, sondern auch in der Einflußnahme auf den ständigen Prozeß der politischen Meinungsbildung. Aus diesem Grunde ist der Gleichheitssatz nicht nur im Bereich des Wahlrechts im engeren Sinne, sondern auch in diesem Vorfeld der politischen Willensbildung streng formal zu verstehen. Der Gesetzgeber braucht zwar nicht faktisch vorhandene, unterschiedliche Möglichkeiten der Einflußnahme auf diesen Prozeß auszugleichen. Wenn er aber gesetzliche Bestimmungen erläßt, die dem Einzelnen besondere Möglichkeiten für eine solche Einflußnahme eröffnen, so darf dadurch nicht eine Differenzierung eintreten, die zu einer Privilegierung finanziell leistungsfähiger Bürger führt.
2. Im Gegensatz hierzu würde im Bereich des Steuerrechts eine formale Gleichbehandlung von Reich und Arm durch Anwendung desselben Steuersatzes dem Gleichheitssatz widersprechen. Hier verlangt die Gerechtigkeit, daß im Sinne der verhältnismäßigen Gleichheit der wirtschaftlich Leistungsfähigere einen höheren Prozentsatz seines Einkommens als Steuer zu zahlen hat als der wirtschaftlich Schwächere (vgl. schon Art. 134 WRV).
3. Die durch das Grundgesetz errichtete demokratische Ordnung trägt insoweit einen formalen Charakter, als sie unbeschadet der bestehenden sozialen Unterschiede im Bereich der politischen Willensbildung alle Staatsbürger grundsätzlich absolut gleich bewertet. Eine Durchbrechung dieses Grundsatzes ist nur aus zwingenden Gründen zulässig; so hat z.B. das Gericht die 5 v. H.-Klausel im Wahlrecht zur Sicherung einer funktionsfähigen Regierung für zulässig erachtet.
Der Grundsatz der progressiven Besteuerung führt nun aber dazu, daß diejenigen Bürger, die durch Parteispenden von ihrem demokratischen Recht auf Teilhabe an der staatlichen Willensbildung Gebrauch machen, als Steuerzahler einen unterschiedlichen materiellen Vorteil erlangen. Da dem Geld bei den Wahlvorbereitungen eine bedeutende Rolle zukommt, und da eine Partei, die über große Geldmittel verfügt, unter Umständen eine wirksamere Propaganda entfalten kann als eine Partei mit geringeren finanziellen Mitteln, kann der Spender mit hohem Einkommen seiner politischen Meinung zu einer größeren Werbekraft verhelfen und damit seinem politischen Einfluß eine größere Wirkung verschaffen als der Spender mit kleinem Einkommen. Da bei Spenden an politische Parteien der Bezieher eines großen Einkommens einen absolut und relativ höheren Betrag an Steuern erspart als der Bezieher eines kleinen Einkommens, wird die politische Meinung des ersteren sozusagen prämiiert. Eine solche durch ein –Gesetz geschaffene unterschiedliche steuerliche Behandlung der Einflußnahme auf die politische Willensbildung je nach der Höhe des Einkommens verträgt sich aber nicht mit dem Grundsatz der formalen Gleichheit, der die Ausübung politischer Rechte in der freien Demokratie beherrscht.
V.
Die Anerkennung der Staatsbürgerlichen Vereinigung 1954 e. V., Köln – jetzt mit Sitz in Kobenz – als juristische Person im Sinne von § 49 Ziff. 3 EStDV und § 26 Ziff. 3 KStDV durch die Zweite Verordnung über den Abzug von Spenden zur Förderung staatspolitischer Zwecke vom 23. Oktober 1956 begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Als juristische Personen nach Ziff. 3 der §§ 49 EStDV und 26 KStDV können nur solche anerkannt werden, die nach ihrer Satzung und tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich allgemeinen staatspolitischen Zwecken dienen. Auch dann, wenn die Staatsbürgerliche Vereinigung Köln außerdem nach ihrer Satzung und Geschäftsführung gemäß § 49 Ziff. 2 EStDV und § 26 Ziff. 2 KStDV Mittel an politische Parteien gibt, konnte sie nach Ziffer 3 der genannten Bestimmungen anerkannt werden. Denn das Wort „ausschließlich” in Ziffer 3 hat dieselbe Bedeutung wie in § 4 der Gemeinnützigkeitsverordnung vom 24. Dezember 1953 (BGBl I S. 1592). Notwendig ist, daß die juristische Person ausschließlich steuerbegünstigte Zwecke verfolgt. Das tut sie dann, wenn sie sich nach § 49 Ziff. 3 EStDV und § 26 Ziff. 3 KStDV betätigt, aber auch, wenn sie nach § 49 Ziff. 2 EStDV und § 26 Ziff. 2 KStDV tätig wird. Sie darf nur nicht gleichzeitig steuerbegünstigte und andere Zwecke verfolgen. Die Verfolgung der beiden steuerbegünstigten Zwecke durch eine und dieselbe juristische Person verstößt auch nicht gegen Art. 21 Abs. 1 Satz 4 GG. Die Zweite Verordnung über den Abzug von Spenden zur Förderung staatspolitischer Zwecke, vom 23. Oktober 1956 ist also gültig.
C.
1. Da § 10b EStG und § 11 Ziff. 5 KStG nur insoweit gegen das Grundgesetz verstoßen, als sie eine Steuerbegünstigung für Spenden an politische Parteien gewähren, nicht aber soweit sie diesen Vorteil für Spenden zur Förderung anderer staatspolitischer Zwecke einräumen, konnten sie nur mit dieser Einschränkung für nichtig erklärt werden.
§ 49 Ziff. 1 und 2 EStDV und § 26 Ziff. 1 und 2 KStDV beziehen sich dagegen nur auf Spenden an politische Parteien. Diese Bestimmungen waren daher im vollen Umfang für nichtig zu erklären.
2. Aus dem Vorstehenden ergibt sich, daß auch solche Spenden, die für allgemeine staatspolitische Zwecke an eine juristische Person nach § 49 Ziff. 3 EStDV oder § 26 Ziff. 3 KStDV gegeben werden, weder unmittelbar noch mittelbar einer politischen Partei zufließen dürfen.
3. Soweit Rechtsvorschriften für nichtig erklärt werden, gilt die Nichtigkeit rückwirkend vom Zeitpunkt ihres ersten Inkrafttretens an. Da sowohl das Einkommensteuergesetz wie das Körperschaftsteuergesetz und die dazu ergangenen Durchführungsverordnungen seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuordnung von Steuern vom 16. Dezember 1954 mehrfach neu gefaßt und neu bekanntgemacht worden sind und in diesen Fassungen jeweils für verschiedene Veranlagungszeiträume anzuwenden waren, sind im Interesse der Klarheit alle Fassungen für nichtig erklärt worden.
Ob und inwieweit Steuerpflichtigen, die bis zur Verkündung dieses Urteils im Vertrauen auf die Gültigkeit der Vorschriften Spenden an politische Parteien gegeben haben, der in den für nichtig erklärten Vorschriften vorgesehene Steuervorteil gewährt werden kann, muß die Finanzverwaltung in eigener Zuständigkeit entscheiden.
Fundstellen
Haufe-Index 1029640 |
BStBl I 1958, 403 |
BVerfGE, 51 |