Entscheidungsstichwort (Thema)

Bindung des Finanzamts an frühere Sachbehandlung. Anerkennung von Verträgen zwischen nahen Angehörigen. Bindung des Finanzgerichts an BFH-Entscheidung. Ablehnung einer Terminsverlegung als Verletzung des rechtlichen Gehörs

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Dem EStG liegt das Prinzip der Abschnittsbesteuerung zugrunde, so daß für jeden Steuerabschnitt die Grundlagen der Besteuerung neu festzustellen und damit Sachverhalt wie Rechtslage neu zu prüfen sind. Folglich ist das Finanzamt an die Sachbehandlung in früherer Zeit grundsätzlich nicht gebunden und kann jeder Veranlagung eine gewandelte Rechtsauffassung zugrunde legen. Das gilt nur dann nicht, wenn sich das Finanzamt für die Folgejahre durch Zusagen oder Zusicherungen gebunden hat.

2. Es ist Sache des Steuerrechts, aus zivilrechtlichen Verträgen steuerrechtliche Folgen zu ziehen. Von Verfassungs wegen kann nicht beanstandet werden, daß an einen Nachweis der Ernstlichkeit eines Vertrages zwischen nahen Angehörigen, der einkommensteuermindernde Betriebsausgaben zur Folge hat, besondere Anforderungen gestellt werden und daß dieser Vertrag nach Inhalt und Durchführung dem entsprechen muß, was zwischen Fremden üblich ist (hier: Pachtvertrag).

3. Einer Verfassungsbeschwerde, die geltend macht, das Urteil des Finanzgerichts verstoße – obwohl durch den BFH bestätigt – gegen eine ständige höchstrichterliche Finanzrechtsprechung, kann mit diesem Vorbringen schon deshalb kein Erfolg beschieden sein, weil es grundsätzlich nicht Aufgabe des BVerfG ist, die Richtigkeit der Auslegung des einfachen Rechts und dessen Anwendung auf den konkreten Fall nachzuprüfen. Selbst eine zweifelsfrei fehlerhafte Anwendung einfachen Rechts begründet für sich genommen noch keinen Verfassungsverstoß.

4. Eine Rüge der Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG, weil das Finanzgericht den Antrag des Prozeßbevollmächtigten zur Terminsverlegung mit der Begründung abgelehnt habe, er könne sich durch einen anderen Angehörigen der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft im Termin zur mündlichen Verhandlung vertreten lassen, muß substantiiert darlegen, was der Bevollmächtigte bei ausreichender Gewährung rechtlichen Gehörs gesondert vorgetragen hätte.

 

Normenkette

GG Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 103 Abs. 1; EStG § 2 Abs. 7, § 4 Abs. 4, § 25 Abs. 1, § 36 Abs. 1

 

Verfahrensgang

BFH (Beschluss vom 07.09.1989; Aktenzeichen X B 179/88)

FG Düsseldorf (Urteil vom 22.09.1988; Aktenzeichen 6 (10) K 79/81 E)

 

Gründe

Die Verfassungsbeschwerde hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Die angegriffenen Entscheidungen lassen, soweit ihre Prüfung zum Gegenstand des Verfassungsbeschwerde-Verfahrens gemacht worden ist, einen Grundrechtsverstoß nicht erkennen. Es ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, daß die Zahlungen aufgrund einer als Pachtvertrag bezeichneten Abrede zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Mutter einkommensteuerrechtlich nicht zum Abzug zugelassen wurden.

1. Soweit die Verfassungsbeschwerde die steuerliche Nichtanerkennung der Pachtzahlungen im Hinblick auf den Umstand rügt, daß der gleiche Sachverhalt in den vorangegangenen Veranlagungszeiträumen anders behandelt worden sei, kommt eine Grundrechtsverletzung nicht in Betracht. Dem Einkommensteuergesetz liegt das Prinzip der Abschnittsbesteuerung zugrunde. Es erfaßt das zu versteuernde Einkommen eines zurückliegenden Kalenderjahres (§§ 2 Abs. 7, 25 Abs. 1, 36 Abs. 1 EStG). Daraus ergibt sich, daß für jeden Steuerabschnitt die Grundlagen der Besteuerung neu festzustellen und damit Sachverhalt wie Rechtslage neu zu prüfen sind. Dies ist verfassungsrechtlich nicht angreifbar (vgl. BVerfGE 75, 361 ≪367 f.≫). Folglich ist das Finanzamt an die Sachbehandlung in früherer Zeit grundsätzlich nicht gebunden und kann jeder Veranlagung eine gewandelte Rechtsauffassung zugrunde legen. Der Grundsatz der Abschnittsbesteuerung schließt für sich genommen die Bildung eines Vertrauenstatbestandes aus, der über die im Steuerbescheid für ein Veranlagungsjahr zugrundegelegte Entscheidung hinausgeht. Das gilt nur dann nicht, wenn sich das Finanzamt für die Folgejahre durch Zusagen oder Zusicherungen gebunden hat (vgl. Nichtannahmebeschluß vom 20. Dezember 1989 – 1 BvR 1269/89 –, HFR 1990, S. 517). Besondere Umstände, die eine solche Bindungswirkung im vorliegenden Fall auslösen könnten, sind aber weder vorgetragen noch ersichtlich. Auch aus der Tatsache, daß das Finanzamt in dem Betriebsprüfungsbericht für das Streitjahr zunächst an der bislang vertretenen Auffassung festgehalten hatte, lassen sich weder Bindungen in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht ableiten (vgl. Schick, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO und FGO Komm., Stand: 133. Lfg., 1991, § 202 A0, Rdnr. 101 m.w.N.).

2. Soweit die Verfassungsbeschwerde rügt, die Nichtanerkennung der Pachtzahlungen als abzugsfähige Betriebsausgaben verletze den Beschwerdeführer in seinen Rechten aus Art. 12 und Art. 2 Abs. 1 GG, kommt diesem Vorbringen keine weiterführende Bedeutung zu. Es ist Sache des Steuerrechts, aus zivilrechtlichen Verträgen steuerrechtliche Folgen zu ziehen. Von Verfassungs wegen kann nicht beanstandet werden, daß an einen Nachweis der Ernstlichkeit eines Vertrages zwischen nahen Angehörigen, der einkommensteuermindernde Betriebsausgaben zur Folge hat, besondere Anforderungen gestellt werden und daß dieser Vertrag nach Inhalt und Durchführung dem entsprechen muß, was zwischen Fremden üblich ist. Eine Beeinträchtigung der Handlungsfreiheit könnte nur dann in Betracht kommen, wenn dem Einzelnen durch eine generelle Versagung der Anerkennung von Verträgen mit nahen Angehörigen ein angemessener Handlungsspielraum durch die damit einhergehende Belastung mit Abgaben nicht mehr verbliebe (vgl. BVerfGE 75, 108 ≪154 f.≫; 78, 232 ≪245≫). Hierfür ist vorliegend jedoch nichts ersichtlich.

3. Soweit die Verfassungsbeschwerde geltend macht, das Urteil des Finanzgerichts verstoße – obwohl durch den Bundesfinanzhof bestätigt – gegen eine ständige höchstrichterliche Finanzrechtsprechung, kann diesem Vorbringen der Beschwerdeführer entgegen ihrer Auffassung schon deshalb kein Erfolg beschieden sein, weil es grundsätzlich nicht Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts ist, die Richtigkeit der Auslegung des einfachen Rechts und dessen Anwendung auf den konkreten Fall nachzuprüfen. Selbst eine zweifelsfrei fehlerhafte Anwendung einfachen Rechts begründet für sich genommen noch keinen Verfassungsverstoß. Ein verfassungsgerichtliches Eingreifen gegenüber der Entscheidung der Fachgerichte kommt nur in Betracht, wenn bei der Rechtsauslegung oder Rechtsanwendung Grundrechte verletzt wurden (vgl. BVerfGE 18, 85 ≪92 f.≫; 70, 93 ≪97≫; st. Rspr.). Anhaltspunkte in diesem Sinne sind jedoch weder vorgetragen noch ersichtlich.

4. Soweit die Verfassungsbeschwerde eine Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG darin sieht, daß das Finanzgericht den Antrag des Prozeßbevollmächtigten zur Terminsverlegung mit der Begründung abgelehnt habe, er könne sich durch einen anderen Angehörigen der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft im Termin zur mündlichen Verhandlung vertreten lassen, fehlt es an einer substantiierten Darlegung, was der Bevollmächtigte bei ausreichender Gewährung rechtlichen Gehörs gesondert vorgetragen hätte, so daß nicht geprüft und entschieden werden kann, ob die angegriffene Entscheidung auf dem geltend gemachten Verfassungsverstoß beruht (vgl. BVerfGE 28, 17 ≪20≫; 82, 236 ≪256 f.≫; st. Rspr.).

5. Soweit schließlich die Verfassungsbeschwerde eine Verletzung des Rechtsstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 3 GG) darin erblickt, daß das Finanzgericht § 126 Abs. 5 FGO nicht beachtet habe, ist auch dieses Vorbringen ohne Erfolgsaussicht, denn das Finanzgericht hat die Vorgabe des Bundesfinanzhofs im ersten Rechtszug, zu prüfen, ob trotz der Verlegung der Apotheke im Streitjahr ein Geschäftswert angenommen werden könne, beachtet und das Vorliegen eines solchen Geschäftswertes verneint. Bei dieser Sachlage kann unentschieden bleiben, in welchem Umfang die Nichtbeachtung der Bindung an die rechtliche Beurteilung durch den Bundesfinanzhof überhaupt die Annahme eines Verfassungsverstoßes begründen kann.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1503274

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