Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsweg. rechtliches Gehör

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine dem verfassungsrechtlichen Anspruch genügende Gewährung rechtlichen Gehörs setzt auch voraus, daß der Verfahrensbeteiligte bei Anwendung der von ihm zu verlangenden Sorgfalt zu erkennen vermag, worauf es für die Entscheidung ankommen kann.

2. Die pauschalen Ausführungen, die Arbeitsbelastung der Finanzgerichte erfordere einen freien Zugang zur Revisionsinstanz, genügen den Begründungsanforderungen für eine Verfassungsbeschwerde gegen das BFHEntlG nicht.

 

Normenkette

GG Art. 19 Abs. 4, Art. 103 Abs. 1; BFHEntlG

 

Verfahrensgang

BFH (Beschluss vom 18.04.1991; Aktenzeichen XI B 13/90)

FG Düsseldorf (Urteil vom 21.02.1990; Aktenzeichen 15 K 456/83 E)

 

Gründe

Eine Annahme der Verfassungsbeschwerden zur Entscheidung ist zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte nicht angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchst. b) BVerfGG).

Es sind keine Verstöße gegen Grundrechte oder grundrechtsgleiche Rechte der Beschwerdeführer zu erkennen.

1. Art. 103 Abs. 1 GG garantiert den Beteiligten an einem gerichtlichen Verfahren, daß sie Gelegenheit erhalten, sich zu dem einer gerichtlichen Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt vor deren Erlaß zu äußern (vgl. BVerfGE 1, 418 ≪429≫; st. Rspr.). An einer solchen Gelegenheit fehlt es nicht erst dann, wenn ein Beteiligter gar nicht zu Wort gekommen ist oder wenn das Gericht seiner Entscheidung Tatsachen zugrunde legt, zu denen die Beteiligten nicht Stellung nehmen konnten (vgl. BVerfGE 10, 177 ≪182 f.≫; 19, 32 ≪36≫). Eine dem verfassungsrechtlichen Anspruch genügende Gewährung rechtlichen Gehörs setzt auch voraus, daß der Verfahrensbeteiligte bei Anwendung der von ihm zu verlangenden Sorgfalt zu erkennen vermag, worauf es für die Entscheidung ankommen kann (vgl. BVerfGE 84, 188 ≪190≫). Diesen Maßstäben werden die angegriffenen Entscheidungen gerecht. Schon im Einspruchsverfahren kam der Frage, ob die Bindungswirkung der Zusage durch die geänderte Zahl der verkauften Wohnungen entfalle, entscheidende Bedeutung zu. Es war offensichtlich und für die Beteiligten erkennbar, daß es auf diesen Umstand für die Entscheidung ankommen konnte. Art. 103 Abs. 1 GG verlangt grundsätzlich nicht, daß das Gericht vor der Entscheidung auf seine Rechtsauffassung hinweist (vgl. BVerfGE 74, 1 ≪6≫). Eines ausdrücklichen Hinweises des Gerichts auf den Umstand der Anzahl der verkauften Wohnungen bedurfte es daher nicht; das Gericht stellte keine Anforderungen an den Vortrag der Beschwerdeführer, mit denen ein gewissenhafter und kundiger Prozeßbeteiligter nach dem bisherigen Prozeßverlauf nicht zu rechnen brauchte.

Wenn die Beschwerdeführer rügen, daß ihre Auffassung, der Steueranspruch sei aufgrund überlanger Verfahrensdauer verwirkt worden, durch das Gericht nicht beschieden worden sei, sind die Verfassungsbeschwerden auch insoweit nicht begründet. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verpflichtet Art. 103 Abs. 1 GG die Fachgerichte, die Ausführungen der Prozeßbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Die Gerichte sind dabei aber nicht gehalten, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen (vgl. BVerfGE 5, 22 ≪24≫; 13, 132 ≪149≫; 79, 51 ≪61≫).

Soweit die Beschwerdeführer, gestützt auf Art. 19 Abs. 4 GG, die Dauer des finanzgerichtlichen Verfahrens von annähernd sieben Jahren rügen, ist dies unzulässig. Denn der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde erfordert, daß eine Grundrechtsverletzung im Interesse einer ordnungsgemäßen Vorprüfung der Beschwerdepunkte zunächst in dem mit der Beeinträchtigung unmittelbar zusammenhängenden sachnächsten Verfahren geltend gemacht werden muß (vgl. Beschluß der 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Januar 1992 – 1 BvR 1490/89 – ≪HFR 1992, 727≫). Dies war nicht der Fall. Die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde enthält keine Ausführungen hierzu. Schließlich ist auch eine Verletzung der Rechte der Beschwerdeführer aus Art. 2 Abs. 1 GG nicht ersichtlich.

2. Soweit sich die Beschwerdeführer mit der Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz zur Entlastung des Bundesfinanzhofs wenden, ist die Rüge schon mangels ausreichender Begründung unzulässig. Die Beschwerdeführer legen nicht dar, inwiefern sie durch das Gesetz in ihren Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten verletzt werden. Die pauschalen Ausführungen der Beschwerdeführer, die Arbeitsbelastung der Finanzgerichte erfordere einen freien Zugang zur Revisionsinstanz, genügen den Begründungsanforderungen jedenfalls nicht.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1503297

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