Leitsatz (amtlich)

Zur Verfassungsmäßigkeit der Regelungen des § 6 Abs. 2 und des § 6 Abs. 3 Nr. 8 des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG) in der Fassung des AAÜG-Änderungsgesetzes von 1996 und des 2. AAÜG-Änderungsgesetzes von 2001 über die Berücksichtigung von Arbeitsentgelten oder Arbeitseinkommen zusatz- und sonderversorgter Personen in der gesetzlichen Rentenversicherung (im Anschluss an BVerfGE 100, 59).

 

Verfahrensgang

SG Berlin (Beschluss vom 30.09.2002; Aktenzeichen S 35 RA 549/96 W01)

SG Berlin (Beschluss vom 15.04.2002; Aktenzeichen S 18 RA 3109/96 – W00-W02)

SG Halle (Saale) (Beschluss vom 17.02.1998; Aktenzeichen S 6 An 157/97)

 

Tenor

 

Tatbestand

A.

Die zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Verfahren betreffen die Überleitung von Renten aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen der Deutschen Demokratischen Republik in die gesetzliche Rentenversicherung des wiedervereinigten Deutschlands. Gegenstand der Vorlagen ist die Frage, ob es verfassungsrechtlich zulässig ist, bei Angehörigen bestimmter Versorgungssysteme und bei Inhabern bestimmter Funktionen ab einer bestimmten Gehaltsstufe den Pflichtbeitragszeiten der Rentenversicherung nicht das tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen bis zur Beitragsbemessungsgrenze, sondern das durchschnittliche Jahreseinkommen der in der Deutschen Demokratischen Republik erwerbstätigen Bevölkerung zugrunde zu legen.

I.

1. Die Altersversorgung in der Deutschen Demokratischen Republik umfasste eine einheitliche Sozialpflichtversicherung und eine ergänzende Freiwillige Zusatzrentenversicherung. Darüber hinaus bestanden zahlreiche Zusatzversorgungssysteme. Für bestimmte Gruppen von Staatsbediensteten existierten Sonderversorgungssysteme (vgl. näher dazu BVerfGE 100, 1 ≪3 ff.≫; 100, 59 ≪61 ff.≫). Im Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands – Einigungsvertrag – (im Folgenden: EV) vom 31. August 1990 (BGBl II S. 889) wurde in Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet H Abschnitt III Nr. 9 Buchstabe b eine Konzeption für die Überführung der Zusatz- und Sonderversorgungssysteme festgelegt, die der weiteren gesamtdeutschen Gesetzgebung zugrunde lag. Die Vorschrift lautet:

Die erworbenen Ansprüche und Anwartschaften auf Leistungen wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, Alter und Tod sind, soweit dies noch nicht geschehen ist, bis zum 31. Dezember 1991 in die Rentenversicherung zu überführen… Ansprüche und Anwartschaften sind, auch soweit sie bereits überführt sind oder das jeweilige Versorgungssystem bereits geschlossen ist,

1. nach Art, Grund und Umfang den Ansprüchen und Anwartschaften nach den allgemeinen Regelungen der Sozialversicherung in dem in Artikel 3 des Vertrages genannten Gebiet unter Berücksichtigung der jeweiligen Beitragszahlungen anzupassen, wobei ungerechtfertigte Leistungen abzuschaffen und überhöhte Leistungen abzubauen sind sowie eine Besserstellung gegenüber vergleichbaren Ansprüchen und Anwartschaften aus anderen öffentlichen Versorgungssystemen nicht erfolgen darf, und

2. darüber hinaus zu kürzen oder abzuerkennen, wenn der Berechtigte gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit verstoßen hat oder in schwerwiegendem Maße seine Stellung zum eigenen Vorteil oder zum Nachteil anderer missbraucht hat.

Durch Art. 1 des Gesetzes zur Herstellung der Rechtseinheit in der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung (Renten-Überleitungsgesetz – RÜG) vom 25. Juli 1991 (BGBl I S. 1606) wurden die rentenrechtlichen Regelungen des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) auf das Beitrittsgebiet erstreckt.

2. Einzelheiten der Überleitung der Zusatz- und Sonderversorgungssysteme enthielt das als Art. 3 RÜG verkündete Gesetz zur Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen des Beitrittsgebiets (Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz – AAÜG) vom 25. Juli 1991 (BGBl I S. 1606, 1677). Nach § 5 Abs. 1 AAÜG galten Zeiten der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen als Pflichtbeitragszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung. Die Bewertung der Zeiten richtete sich bis zur Höhe der in der gesetzlichen Rentenversicherung geltenden Beitragsbemessungsgrenze nach dem Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen.

Von diesem Grundsatz machte das Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz zahlreiche Ausnahmen nach der jeweiligen Zugehörigkeit zu einem bestimmten Versorgungssystem, also “bereichsspezifisch”, oder nach Zugehörigkeit zu bestimmten Funktionsebenen, also “funktionsspezifisch”, oder sowohl “bereichsspezifisch” als auch “funktionsspezifisch” (vgl. näher BVerfGE 100, 59 ≪67 f.≫). Die dafür maßgeblichen Vorschriften des § 6 Abs. 2 (i.V.m. den Anlagen 4, 5 und 8) und des § 6 Abs. 3 Nr. 7 AAÜG in der Fassung des Gesetzes zur Ergänzung der Rentenüberleitung (Rentenüberleitungs-Ergänzungsgesetz – Rü-ErgG) vom 24. Juni 1993 (BGBl I S. 1038) erklärte das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 28. April 1999 (BVerfGE 100, 59) für die Zeit nach dem 1. Juli 1993 für verfassungswidrig; der Gesetzgeber wurde verpflichtet, bis zum 30. Juni 2001 eine verfassungsgemäße Regelung zu treffen.

3. Noch vor dieser Entscheidung trat das Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG-Änderungsgesetz – AAÜG-ÄndG) vom 11. November 1996 (BGBl I S. 1674) in Kraft, das die Vorschriften des § 6 Abs. 2 und 3 für Bezugszeiten ab dem 1. Januar 1997 zugunsten der Betroffenen änderte. Es war nicht Gegenstand des oben genannten Urteils des Bundesverfassungsgerichts, ist aber nach Auffassung der vorlegenden Sozialgerichte ebenfalls verfassungswidrig.

Abgesehen von den hauptberuflichen Mitarbeitern des Ministeriums für Staatssicherheit und des Amtes für Nationale Sicherheit (MfS/AfNS) sind nach diesem Gesetz von Kürzungen betroffen nur noch Angehörige “staats- oder systemnaher” Zusatz- und Sonderversorgungssysteme in einkommensmäßig privilegierter Stellung und Personen in “staats- oder systemnahen” Funktionen mit einer ebenfalls einkommensmäßig besonders hervorgehobenen Stellung. Das Ziel, überhöhte Leistungen abzubauen, soll dadurch erreicht werden, dass das Einkommen, ab dem eine Entgeltbegrenzung stattfindet, durch die Gehaltsstufe E 3 (ab 1985: Gehaltsstufe 12) einschließlich Aufwandsentschädigung bestimmt wird. Ist diese Gehaltsstufe erreicht oder überschritten, so wird als Arbeitsentgelt das durchschnittliche Jahresarbeitseinkommen der Beschäftigten in der Deutschen Demokratischen Republik der Rentenberechnung zugrunde gelegt. Ein Gehalt dieser Stufe bezog ein Hauptabteilungsleiter im zentralen Staatsapparat der Deutschen Demokratischen Republik. Der Hauptabteilungsleiter stand in der Verwaltungshierarchie direkt unterhalb des Staatssekretärs. Die jährlichen Werte dieser Gehaltsstufe sind in der neuen Anlage 4 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz festgelegt. Damit wird das berücksichtigungsfähige Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen nur noch für Personen begrenzt, die aufgrund der Wahrnehmung politischer Verantwortung oder Mitverantwortung in der Deutschen Demokratischen Republik ein besonders hohes, privilegiertes Einkommen erzielt haben (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung zum AAÜG-Änderungsgesetz, BTDrucks 13/4587, S. 8; Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung des Deutschen Bundestages vom 25. September 1996, BTDrucks 13/5606, S. 16). Wird diese Gehaltsstufe erreicht oder überschritten, so wird der Rentenberechnung als Arbeitsentgelt das durchschnittliche Jahresarbeitseinkommen der Beschäftigten in der Deutschen Demokratischen Republik zugrunde gelegt.

Schon bei den parlamentarischen Beratungen wurde gegen die Regelung eingewandt, der Begrenzung liege weiterhin ein sehr grober Kürzungsmechanismus zugrunde; die Abgrenzung des betroffenen Personenkreises sei nicht überzeugend gelungen (vgl. Äußerung der Abgeordneten Mascher, 108. Sitzung des 13. Deutschen Bundestages vom 24. Mai 1996, StenBer 13/108, S. 9585 f.; vgl. zur Diskussion auch Beratung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung des Deutschen Bundestags, BTDrucks 13/5606, S. 16 ff.). Die zahlreichen Änderungsanträge konnten sich aber nicht durchsetzen (vgl. BTDrucks 13/5626, 13/5628, 13/5629, 13/5630, 13/5631, 13/5632, 13/5633 und 13/5652; BRDrucks 682/1/96).

4. Anfang 2001 legte die Bundesregierung den Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (2. AAÜG-Änderungsgesetz – 2. AAÜG-ÄndG) vor (BTDrucks 14/5640). Mit diesem Gesetz sollte dem genannten Urteil und weiteren Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Rechnung getragen werden (vgl. BTDrucks, a.a.O., S. 1). Im Gesetzentwurf ist ausgeführt (BTDrucks, a.a.O., S. 13):

Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und die dessen Vorgaben für eine verfassungskonforme Regelung konkretisierende Rechtsprechung des Bundessozialgerichts haben in einem ausgesprochen kontrovers diskutierten Bereich des deutschen Einigungsprozesses die notwendige Klärung herbeigeführt und damit zum Rechtsfrieden beigetragen. Bei der Umsetzung der Vorgaben der Gerichte für eine verfassungskonforme Regelung der Überführung von Ansprüchen und Anwartschaften aus den Zusatz- und Sonderversorgungssystemen der ehemaligen DDR lässt sich der Gesetzgeber von der befriedenden Wirkung dieser Entscheidungen leiten. Zur Vermeidung erneuter ideologisch geführter Diskussionen geht der Gesetzgeber grundsätzlich nicht über die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts hinaus.

Die schließlich getroffene Neuregelung sieht vor, dass die zum 1. Januar 1997 durch das AAÜG-Änderungsgesetz von 1996 erfolgte Anhebung der Entgeltbegrenzungsstufe rückwirkend zum 1. Juli 1993 in Kraft tritt. Die entsprechende Vorschrift des Artikels 13 Abs. 7 des 2. AAÜG-Änderungsgesetzes vom 27. Juli 2001 (BGBl I S. 1939) lautet:

Mit Wirkung vom 1. Juli 1993 treten § 6 Abs. 2 und 3 sowie Anlage 4 und 5 des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes in der Fassung des AAÜG-Änderungsgesetzes vom 11. November 1996 (BGBl. I S. 1674) für Personen in Kraft, für die am 28. April 1999 ein Überführungsbescheid eines Versorgungsträgers noch nicht bindend war; Absatz 8 bleibt unberührt. Dies gilt nicht für Personen, die in den Geltungsbereich der Anlage 7 zu § 6 Abs. 4 des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes in der Fassung des Rentenüberleitungs-Ergänzungsgesetzes vom 24. Juni 1993 (BGBl. I S. 1038) fallen.

Auch diese Regelung war im Gesetzgebungsverfahren umstritten (vgl. 161. Sitzung des 14. Deutschen Bundestags vom 29. März 2001, StenBer 14/161, S. 15782 bis 15793; 171. Sitzung des 14. Deutschen Bundestags vom 18. Mai 2001, StenBer 14/171, S. 16771 bis 16779; BRDrucks 3/2/01; BTDrucks 14/6106, S. 2; 14/6088; 14/6092). Die Diskussion führte insbesondere dazu, dass die Änderung des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes mit einer Verbesserung der Rechte der Opfer des SED-Regimes verknüpft wurde (vgl. Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses, BTDrucks 14/6355; vgl. auch 764. Sitzung des Bundesrates vom 1. Juni 2001, StenBer S. 261 f.). Mit einer entsprechenden Ergänzung durch Änderung des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes wurde das 2. AAÜG-Änderungsgesetz am 2. August 2001 verkündet (BGBl I S. 1939).

II.

Den Ausgangsverfahren liegen folgende Sachverhalte zugrunde:

1. a) Der Kläger des Ausgangsverfahrens zu der Vorlage 1 BvL 3/98 trat 1953 nach einer Ausbildung zum Diplom-Ingenieur (Vermessungswesen) im Dienstrang eines Leutnants in die Nationale Volksarmee ein. Er wurde für geodätische und topografische Arbeiten eingesetzt. Nach 1957 wurde er mehrfach befördert, 1968 schließlich zum Oberst. Von 1969 bis 1990 arbeitete er in diesem Dienstrang als Direktor des VEB Militärkartografischer Dienst in Halle.

Das Gehalt des Klägers richtete sich nach der Besoldungsordnung für die Angehörigen der Nationalen Volksarmee. Es bestand, wie bei anderen Soldaten auch, aus einer Vergütung für den Dienstgrad, einer Vergütung für die Dienststellung, einer Vergütung für das Dienstalter, weiteren Zulagen sowie einem Wohnungsgeld. Die Vergütung für den Dienstgrad wurde dem Kläger seit 1968, also dem Erreichen des Rangs eines Oberst, unverändert in Höhe von 800 Mark gewährt. Die Vergütung für die Dienststellung hing von der jeweils konkret ausgeübten Tätigkeit ab. Sie wurde regelmäßig im Abstand von mehreren Jahren erhöht. Auf diese Weise stieg die monatliche Vergütung für die Dienststellung des Klägers zum 1. März 1981 von 1.200 auf 1.300 Mark und zum 1. März 1986 auf 1.450 Mark an. Eine weitere Anhebung der Bezüge erfolgte durch die Erhöhung der Vergütung für das Dienstalter sowie die Gewährung einer Zulage (zuletzt in Höhe von 100 Mark monatlich) und von Wohnungsgeld (zuletzt 50 Mark monatlich). Die Bezüge des Klägers im Jahr 1953 beliefen sich auf 10.400 Mark. Im Jahr der Beförderung zum Oberst erhielt er jährliche Bezüge in Höhe von 22.560 Mark. Sein Jahresgehalt 1989 betrug 34.200 Mark. Er gehörte der Sonderversorgung der Angehörigen der Nationalen Volksarmee an (vgl. Nr. 1 der Anlage 2 zum AAÜG).

Gemäß Bescheid vom September 1990 erhielt der Kläger ab dem 1. September 1990 eine Invalidenrente nach der Versorgungsordnung der Nationalen Volksarmee in Höhe von 2.010 Mark monatlich. 1995 stellte die Bundesrepublik Deutschland als Funktionsnachfolgerin für dieses Versorgungssystem (vgl. § 8 Abs. 4 Nr. 2 AAÜG) durch die Wehrbereichsverwaltung VII als Trägerin der Zusatzversorgung in einem so genannten Entgelt-Überführungsbescheid nach § 8 Abs. 2 AAÜG fest, dass die erzielten Entgelte nach den Anlagen 5 und 8 zu § 6 Abs. 2 AAÜG nur begrenzt berücksichtigungsfähig seien. Der dagegen eingelegte Widerspruch wurde zurückgewiesen. Während des anschließenden Klageverfahrens änderte die Beklagte 1997 auf Grund des AAÜG-Änderungsgesetzes den angefochtenen Bescheid dahingehend, dass nur noch für die Zeit von 1986 bis 1990 eine Entgeltbegrenzung erfolgte.

b) Das Sozialgericht hat das Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage zur Entscheidung vorgelegt,

ob § 6 Abs. 2 Satz 1 und 2 AAÜG in der Fassung des AAÜG-Änderungsgesetzes von 1996 insoweit mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist, als die bei der Berechnung einer Rente nach dem SGB VI zugrunde zu legenden Arbeitsentgelte aus einer Tätigkeit als Offizier der Nationalen Volksarmee der Deutschen Demokratischen Republik in jedem Fall zu kürzen sind, falls sie die Werte der Anlage 4 zum AAÜG bei einer Addition der in § 6 Abs. 2 Satz 2 AAÜG genannten Entgelte – insbesondere für das Dienstalter – überschreiten.

Für die Entscheidung über das Klagebegehren komme es auf die Gültigkeit der zur Prüfung vorgelegten Vorschriften an. Erwiesen sich diese als verfassungsgemäß, so müsse die zulässige Klage abgewiesen werden. Die Feststellungen der Beklagten in Bezug auf die Anwendung des § 6 Abs. 2 AAÜG im Entgelt-Überführungsbescheid nach § 8 Abs. 2 AAÜG flössen gemäß § 254d Abs. 1 Nr. 1 SGB VI rechtsverbindlich in die persönlichen Entgeltpunkte (Ost) ein und mit diesen gemäß § 254b Abs. 1 SGB VI in den Monatsbetrag der Rente, auf die der Kläger einen Anspruch habe. Das Bruttojahreseinkommen des Klägers überschreite ab dem Jahre 1986 die Werte der Anlage 4 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz. Nach § 6 Abs. 2 AAÜG löse dies zwingend die Rechtsfolge aus, dass die Entgelte auf den Betrag der Anlage 5 als berücksichtigungsfähigen Verdienst zu begrenzen seien.

Das Gericht ist davon überzeugt, dass § 6 Abs. 2 AAÜG in der zur Prüfung gestellten Fassung gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt. Es fehle an einem sachgemäßen Kriterium für die vom Gesetz vorgenommene Differenzierung. Aus der besonderen “Staats- und Systemnähe” der Berufstätigkeit allein folge nicht, dass diesen Personengruppen durchgängig Entgelte gezahlt worden seien, die nicht durch Arbeit und Leistung gerechtfertigt und deshalb überhöht gewesen seien. Es liege eine unzulässige Typisierung vor. Andere Personengruppen als die in § 6 Abs. 2 AAÜG erfassten habe man auch nicht ansatzweise daraufhin überprüft, ob sie durch ihre berufliche Tätigkeit erheblich zur Aufrechterhaltung und Stärkung des DDR-Regimes beigetragen hätten. Der zu entscheidende Fall zeige klar die Sachwidrigkeit des vom Gesetzgeber gewählten Kriteriums auf. Es sei nicht nachvollziehbar, dass das Arbeitsentgelt des Klägers als Major oder Oberstleutnant seiner Leistung entsprochen habe, dass aber nach seiner Beförderung zum Oberst ohne Veränderung der Dienstaufgaben dies nicht mehr gelte. Wegen des Kürzungsmodus des § 6 Abs. 2 AAÜG dürfe nicht einmal der frühere Arbeitsverdienst der Rentenberechnung zugrunde gelegt werden.

Es fehle in jedem Falle an einer Härteklausel, die die Folgen der vom Gesetzgeber vorgenommenen groben Typisierung verfassungsrechtlich hinnehmbar werden lasse. Auch sei die in Anlage 4 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz festgesetzte Grenze zu starr. Sie entspreche nicht der tatsächlichen Entwicklung der Verdienste in der Deutschen Demokratischen Republik. Wie sich aus der Anlage 5 ergebe, habe sich der Durchschnittsverdienst in der Deutschen Demokratischen Republik fast gleichmäßig langsam gesteigert. Die fehlende Anpassung der Anlage 4 habe das im Gesetz typischerweise angelegte absurde Ergebnis, dass in der Nationalen Volksarmee Beschäftigte ab dem Rang eines Oberst besonders systemnützlich geworden seien. Auch die Berücksichtigung des Dienstalters sei problematisch. Denn es sei kein Anhaltspunkt dafür vorhanden, dass gerade mit dem Erreichen eines bestimmten Dienstalters eine besondere Systemnützlichkeit verbunden sei. Eher bestehe bei jüngeren Kadern, die bereits hohe Dienstränge in frühen Lebensjahren erreicht hätten, der Verdacht auf eine besondere Systemnähe.

2. a) Der Kläger des Ausgangsrechtsstreits zu dem Vorlageverfahren 1 BvL 9/02 ist promovierter Jurist. Er wurde im Oktober 1961 zum Präsidenten des Amtes für Erfindungs- und Patentwesen der Deutschen Demokratischen Republik berufen. Diese Tätigkeit übte er bis zum 2. Oktober 1990 aus. Zuvor war er Dozent für Staats- und Rechtstheorie an der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität. Mit Wirkung vom 1. September 1973 wurde er zum nebenamtlichen Honorarprofessor an die Sektion Rechtswissenschaft der Humboldt-Universität berufen. Der Kläger bezog bis zum August 1958 ein monatliches Gehalt von 2.010 Mark. Anschließend hatte er als Dozent und Institutsdirektor Bezüge in Höhe von 2.500 Mark monatlich. Nach seiner Ernennung zum Präsidenten des Patentamtes bezog er ein Gehalt von 2.500 Mark, das bis Juni 1990 gezahlt wurde. Zusätzlich zu den Bezügen erhielt er eine Aufwandsentschädigung in Höhe von 9.000 bis 15.000 Mark jährlich. Die durchschnittlichen jährlichen Einkünfte lagen seit 1956 mindestens bei 33.120 Mark und ab 1962 mindestens bei 42.000 Mark.

Für seine Dozententätigkeit hatte er eine Versorgungszusage in Höhe von 70 vom Hundert seines letzten Bruttoeinkommens, höchstens jedoch 800 Mark, monatlich erhalten. Außerdem war er seit dem 1. März 1971 Mitglied der Freiwilligen Zusatzversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter des Staatsapparates der Deutschen Demokratischen Republik (FZVSt-Versorgungsordnung nach Nr. 19 der Anlage 1 zum AAÜG).

b) Das Deutsche Patentamt gewährte dem Kläger mit Bescheid vom Februar 1991 eine Gesamtversorgung in Höhe von monatlich 2.049 DM. Diese bestand aus einer Sozialversicherungsrente in Höhe von 549 DM sowie einer Zusatzversorgung, die auf den Betrag von 1.500 DM monatlich begrenzt war. Im August 1991 verringerte die Überleitungsanstalt Sozialversicherung den Zahlbetrag der Rente auf 2.010 DM. Im November 1991 wurde die Altersversorgung in eine Altersrente nach dem SGB VI umgewandelt. Es blieb bei einer monatlichen Zahlung von 2.010 DM.

Mit Entgelt-Überführungsbescheid vom April 1994 stellte die Bundesversicherungsanstalt in ihrer Eigenschaft als Zusatzversorgungsträger die Zugehörigkeit des Klägers zu Zusatzversorgungssystemen ab 1951 bis 1990 und die in diesem Zeitraum erzielten Einkommen fest und nahm Kürzungen nach der Anlage 8 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz vor. Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein. Im Widerspruchsverfahren stellte die Bundesversicherungsanstalt im Januar 1995 fest, dass der Kläger bereits seit September 1961 eine hauptamtliche Berufungsfunktion im Sinne von § 6 Abs. 3 Nr. 8 AAÜG ausgeübt habe. Deshalb seien die Arbeitsentgelte für die Zeit vom 11. September 1961 bis 28. Februar 1971 zu begrenzen. Den Widerspruch des Klägers wies sie zurück. Im Klageverfahren half die Bundesversicherungsanstalt dem Klagebegehren insoweit ab, als sie 1995 und 1997 mit Entgelt-Überführungsbescheiden die Voraussetzungen für eine Entgeltbegrenzung für die Zeit vom September 1961 bis Juli 1963 und für das Jahr 1951 verneinte. 2002 wurden die Feststellungen auf die ab Juli 1993 gewährten Leistungen erweitert.

Im Jahre 1994 stellte die Bundesversicherungsanstalt als Träger der Rentenversicherung die zuvor gewährte Regelaltersrente nach den Vorschriften des SGB VI neu fest. Auch dagegen beschritt der Kläger nach erfolglosem Widerspruch den Rechtsweg.

c) Das Sozialgericht hat die Klagen verbunden, das Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt,

ob § 6 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Nr. 8 in Verbindung mit Anlage 4 und 5 AAÜG in der Fassung des 2. AAÜG-Änderungsgesetzes von 2001 insoweit mit Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 Satz 1 sowie Art. 20 Abs. 1 des Grundgesetzes vereinbar ist, als die sozialversicherungsrechtlichen Entgelte in jedem Fall um die Beträge oberhalb der jeweiligen Durchschnittsverdienste, wie sie in der Anlage 5 des AAÜG bestimmt sind, gekürzt werden, falls die Summe der in § 6 Abs. 2 Satz 2 AAÜG genannten Einkünfte die jeweiligen Werte der Anlage 4 zum AAÜG überschreitet.

Für die Klagebegehren komme es auf die Gültigkeit der zur Prüfung gestellten Vorschriften an. Erwiesen sich diese als verfassungsgemäß, müssten die Klagen in Bezug auf die Aufhebung der Begrenzung der festgestellten Arbeitsverdienste abgewiesen werden. Die Klagen seien zulässig. Bereits die Feststellungen in den Entgelt-Überführungsbescheiden verletzten den Kläger möglicherweise in seinem Recht auf eine zutreffende Feststellung der berücksichtigungsfähigen Arbeitsentgelte. Der Kläger sei Angehöriger der Zusatzversorgungssysteme der Anlage 1 Nr. 4 und 19 AAÜG gewesen. Wegen der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem nach Anlage 1 Nr. 19 zum AAÜG sei § 6 Abs. 2 AAÜG auf den Kläger anwendbar. Auf ihn komme aber unabhängig hiervon auch § 6 Abs. 3 Nr. 8 AAÜG zur Anwendung. Denn er habe eine hauptamtliche Berufungsfunktion im Staatsapparat oberhalb der Kreisebene ausgeübt. Das DDR-Patentamt habe entsprechende originäre staatliche Aufgaben erfüllt.

Das vorlegende Gericht ist überzeugt, dass die Vorschrift des § 6 Abs. 2 AAÜG in Verbindung mit den Anlagen 4 und 5 gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt. Sie führe zu einer Benachteiligung gegenüber Rentnern aus dem Beitrittsgebiet, deren tatsächlich erzielte Arbeitsentgelte bei der Rentenberechnung nur durch die Beitragsbemessungsgrenze gekappt werden. Für die Ungleichbehandlung fehle es an einem rechtfertigenden Grund. Sie verfehle das angestrebte Ziel, indem sie unzulässig typisiere. Außerdem gehe sie über das angestrebte Ziel hinaus. Die Regelung sei daher in der Rechtsfolge nicht mehr von dem legitimen Zweck gedeckt, der mit der Begrenzung verfolgt werde.

Der Gesetzgeber habe in einer unzulässig typisierenden Weise unterstellt, die Arbeitsentgelte der von der Regelung erfassten Personen seien durchweg überhöht gewesen. Bereits mit der Überführung der Zusatz- und Sonderversorgungssysteme in die gesetzliche Rentenversicherung seien neben hohen auch überhöhte Rentenansprüche auf das durch die Beitragsbemessungsgrenze vorgegebene Maß vermindert worden. Mit § 6 Abs. 2 AAÜG sei der Gesetzgeber noch einen Schritt weiter gegangen. Für bestimmte Gruppen von Personen lasse er Arbeitsverdienste auch unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze für die Rentenberechnung unberücksichtigt. Diese Gruppen würden durch die Zugehörigkeit zu bestimmten Versorgungssystemen und – zusätzlich – pauschal durch die Höhe der Arbeitsentgelte bestimmt. Es sei nichts dafür ersichtlich, dass die Umsetzung dieser Kriterien durch § 6 Abs. 2 AAÜG auf Tatsachen beruhe, welche die Annahme rechtfertigten, dass überhöhte Arbeitsentgelte gerade an die vom Gesetz erfassten Personen gezahlt worden seien oder dass gerade Entgelte ab den vom Gesetz festgelegten Grenzen der Anlage 4 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz als überhöht angesehen werden müssten. Aus der besonderen “Staats- und Systemnähe” der Berufstätigkeit allein folge nicht, dass diesen Personengruppen durchgängig Entgelte gezahlt worden seien, die nicht durch Arbeit und Leistung gerechtfertigt und deswegen insoweit überhöht gewesen seien.

Der Gesetzgeber habe die von ihm vorgenommene Gruppenbildung auch nicht auf einschlägige Tatsachen gestützt. Den Gesetzesmaterialien sei jedenfalls nicht zu entnehmen, in welchen Zusatz- und Sonderversorgungssystemen strukturell überhöhte Arbeitsentgelte oder Arbeitseinkommen bezogen worden seien. Wenn der Gesetzgeber das Einkommen E 3 (seit 1985 Gehaltsstufe 12) und darüber zum Maßstab für überhöhte Einkommen mache, sei damit noch nichts über die Leistungsadäquanz der in der jeweiligen Position geleisteten Arbeit ausgesagt. Mit der Grenzziehung beim Gehalt nach der Stufe E 3 habe er zwar anerkannt, dass eine überdurchschnittliche Entlohnung selbst jenseits der Beitragsbemessungsgrenze nicht in jedem Falle als überhöht anzusehen sei. Er habe dabei auch nicht auf einen beliebigen Grenzwert, sondern auf einen funktionsabhängigen Verdienst Bezug genommen. Dies mache aber die Bestimmung des Grenzwertes nicht wirklichkeitsnäher, weil sie nicht durch Erkenntnisse zur wirklichen Verteilung überhöhter Arbeitsverdienste im Bereich zwischen dem allgemeinen Durchschnittsentgelt und Entgelten an der Beitragsbemessungsgrenze getragen werde, sondern gerade um etliches davon entfernt sei.

Dies zeige sich auch deutlich bei der Betrachtung des Falles des Klägers. Dieser habe nämlich im Vergleich mit dem Präsidenten des Deutschen Patentamtes von 1963 bis 1989 einen vergleichbaren Mehrverdienst gegenüber dem Durchschnittsentgelt erzielt. Außerdem sei auffallend, dass die Höhe der Einkünfte des Klägers im Verhältnis zu den Durchschnittsversicherten von 1950 bis 1989 drastisch gefallen sei; das Durchschnittsgehalt habe sich im selben Zeitraum auf das 3,9-fache erhöht. Diese Veränderung der Relation spreche eher gegen die Annahme besonderer Privilegien finanzieller Art. Auf die Befugnisse zur Typisierung könne sich der Gesetzgeber nicht berufen, da die dafür erforderlichen Voraussetzungen nicht gegeben seien. Durch die Vorschrift des § 6 Abs. 2 AAÜG sei auch Art. 14 GG verletzt. Die Regelung verstoße gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, weil sie nicht geeignet sei, den von ihr verfolgten Gemeinwohlzweck zu verwirklichen.

Auch § 6 Abs. 3 Nr. 8 AAÜG verletze Art. 3 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG. § 6 Abs. 3 AAÜG hafte der gleiche verfassungsrechtliche Mangel an wie § 6 Abs. 2 AAÜG, weil der Gesetzgeber hinter den Inhabern der genannten Funktion Personen vermute, die insofern “Förderer” des Systems gewesen seien, als sie durch ihre besondere Stellung in der Deutschen Demokratischen Republik zur Stärkung oder Aufrechterhaltung des Staats- oder Gesellschaftssystems beigetragen hätten. Es seien jedoch keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass in diesen Funktionen im Vergleich zu anderen ebenfalls leitenden Funktionen in der Deutschen Demokratischen Republik ”überhöhte” Entgelte gezahlt wurden.

3. a) Der Kläger des der Vorlage 1 BvL 2/03 zugrunde liegenden Ausgangsverfahrens war seit 1967 Leiter der Abteilung Planung und Bilanzierung im Ministerium für Bauwesen der Deutschen Demokratischen Republik. Diese Tätigkeit übte er bis zum 30. Juni 1990 aus. Seit dem 1. Juni 1963 gehörte er der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (Verordnung vom 17. August 1950; vgl. Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG) an. Als Abteilungsleiter im Bauministerium erhielt der Kläger eine monatliche Vergütung von 1.880 Mark sowie eine Aufwandsentschädigung entsprechend der Vergütungsgruppe E 3. Seit dem 1. März 1971 gehörte er der freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter des Staatsapparates an (vgl. Nr. 19 der Anlage 1 zum AAÜG).

Im Juli 1995 stellte der Zusatzversorgungsträger in einem Entgelt-Überführungsbescheid die Daten nach dem Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz fest. Da bestimmte Zeiten den Wert der Anlage 4 überschritten, wurden sie auf den Wert der Anlage 5 gekürzt. Dagegen erhob der Kläger 1996 nach erfolglosem Widerspruchsverfahren Klage zum Sozialgericht. 1997 wurden die Versorgungsdaten nach Maßgabe des AAÜG-Änderungsgesetzes von 1996 neu festgesetzt. Danach waren die Arbeitsentgelte des Klägers seit dem 1. März 1971 nach § 6 Abs. 2 AAÜG nur begrenzt berücksichtigungsfähig. Beigefügt war der Zusatz, die Daten seien vom Rentenversicherungsträger für Leistungszeiträume ab dem 1. Januar 1997 zu berücksichtigen. Dies wurde vom Zusatzversorgungsträger im Oktober 2001 im Hinblick auf das 2. AAÜG-Änderungsgesetz von 2001 dahingehend abgeändert, dass die Feststellungen von 1997 bereits für Leistungszeiträume ab dem 1. Juli 1993 gelten.

Auf der Grundlage der Feststellungen des Zusatzversorgungsträgers bewilligte der Rentenversicherungsträger im Januar 1996 eine Regelaltersrente mit Wirkung vom 1. Oktober 1995. Die monatliche Rentenzahlung belief sich zu diesem Zeitpunkt auf 1.862,13 DM. Hierbei wurden die vom Zusatzversorgungsträger mitgeteilten Entgelte, die für die Zeit vom 1. März 1971 bis zum 17. März 1990 erzielt wurden, nur gemäß der Anlage 5 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz berücksichtigt. Im Juni 1997 wurde die Regelaltersrente nach dem AAÜG-Änderungsgesetz rückwirkend neu festgestellt. Anschließend erfolgte im November 2001 die Neufeststellung auf der Grundlage des 2. AAÜG-Änderungsgesetzes von 2001. Der monatliche Zahlbetrag der Rente betrug danach ab dem 1. Januar 2002 1.384,85 Euro.

b) Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren rief der Kläger das Sozialgericht an. Das Gericht hat die auf eine höhere Regelaltersrente gegen den Rentenversicherungsträger gerichtete Klage mit der Klage gegen den Entgelt-Überführungsbescheid des Zusatzversorgungsträgers verbunden, das Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt,

ob § 6 Abs. 2 Satz 1 und 2 AAÜG in der Fassung des 2. AAÜG-Änderungsgesetzes von 2001 insoweit mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist, als die bei der Berechnung einer Rente nach dem SGB VI zugrunde zu legenden Arbeitsentgelte aus einer Tätigkeit als Abteilungsleiter im Ministerium für Bauwesen der Deutschen Demokratischen Republik in jedem Fall zu kürzen sind, falls sie die Werte der Anlage 4 zum AAÜG bei einer Addition der in § 6 Abs. 2 Satz 2 AAÜG genannten Beträge erreichen.

Sollte die zur Prüfung vorgelegte Vorschrift mit dem Grundgesetz vereinbar sein, müsse die Klage abgewiesen werden. Im anderen Falle wäre jedenfalls die Klage gegen den Rentenversicherungsträger erfolgreich. Die Klage sei zulässig. Daran ändere auch nichts die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, wonach erst der Rentenversicherungsträger verbindlich entscheide, in welcher Höhe Arbeitsentgelte bei der Rentenberechnung zu berücksichtigen seien, und dass diese Entscheidung erst getroffen werden könne, wenn der Entgelt-Überführungsbescheid des Versorgungsträgers bestandskräftig sei.

Das Gericht sei davon überzeugt, dass die zur Prüfung gestellte Vorschrift gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoße, weil es für die angeordnete Ungleichbehandlung an einem rechtfertigenden Grund fehle. Die Änderungen des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes durch die Änderungsgesetze von 1996 und 2001 hätten an dem Gleichheitsverstoß, den das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 28. April 1999 festgestellt habe (BVerfGE 100, 59), nichts geändert. Beide Gesetze hätten lediglich die Gruppe der Betroffenen verkleinert. Die Gesetzesmaterialien bewiesen, dass der Gesetzgeber erneut auf Abgrenzungskriterien zurückgegriffen habe, die vom Bundesverfassungsgericht zu Recht bereits als unzureichend und damit verfassungswidrig beanstandet worden seien. Das Bundesverfassungsgericht habe hierzu festgestellt, aus der “Staats- und Systemnähe” der Berufstätigkeit allein ergebe sich keinesfalls, dass diesen Personengruppen durchgängig Entgelte gezahlt worden seien, die nicht durch Arbeit und Leistung gerechtfertigt und insoweit ”überhöht” gewesen seien. Der für die Rechtfertigung der Typisierung entscheidende Schluss, dass diese Personengruppen bei generalisierender Betrachtungsweise leistungsfremde, politisch begründete und damit überhöhte Arbeitsverdienste bezogen hätten, folge daraus nicht.

Der Gesetzgeber könne sich auch nicht auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Überleitung der versorgungsrechtlichen Ansprüche und Anwartschaften aus dem Sonderversorgungssystem der Mitarbeiter des MfS berufen (BVerfGE 100, 138). Im Gegensatz zu der zur Prüfung gestellten Regelung habe sich das Gericht bei diesem Personenkreis nicht nur auf die Relation zwischen dem Arbeitsentgelt und dem Durchschnittsentgelt in der Deutschen Demokratischen Republik berufen. Es habe die besondere Situation der MfS-Mitarbeiter vielmehr durch eine Vielzahl von Faktoren belegt, aus denen hervorgehe, dass der Gesetzgeber von einer Sonderstellung der MfS-Mitarbeiter habe ausgehen und daher ihre Arbeitsentgelte nach § 7 AAÜG in typisierender Weise begrenzen dürfen. Soweit der Gesetzgeber zur Feststellung überhöhter Entgelte auf die Relation zwischen der Gehaltsstufe E 3 und dem Durchschnittsverdienst der Arbeitnehmer in der Deutschen Demokratischen Republik abstelle, sei die daraus folgende Regelung bereits in sich nicht schlüssig. Denn sie berücksichtige nicht, dass sich diese Relation in der Zeit zwischen 1950 und 1989 erheblich verringert habe. Sie sei zuletzt auf 160 Prozent des Durchschnittseinkommens aller Arbeitnehmer der Deutschen Demokratischen Republik gesunken. Ein Einkommen in dieser Höhe stelle für sich allein aber keinen ausreichenden Nachweis dafür dar, dass das Gehalt aus politischen Gründen überhöht war.

Auch das konkrete Beispiel des Klägers enthalte keinen Anhaltspunkt dafür, dass die ihm zugeflossenen Arbeitsentgelte auf politischer Vergünstigung beruht hätten. Die festgestellte Ungleichbehandlung sei nicht durch eine Typisierung zu rechtfertigen. Die Berufsbiografie des Klägers und die Entwicklung seiner Einkünfte seien kein vereinzelter Sonderfall, bei dem die pauschale Kürzung im Rahmen einer Massenverwaltung hingenommen werden müsse. Auch die sonstigen Voraussetzungen für eine verfassungsrechtlich zulässige Typisierung lägen nicht vor. § 6 Abs. 2 AAÜG verletze zudem Art. 14 GG. Eine verfassungskonforme Auslegung sei nicht möglich.

III.

Zu den Vorlagen haben das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung namens der Bundesregierung, das Justizministerium Mecklenburg-Vorpommern namens der Landesregierung, das Bundessozialgericht, der Verband Deutscher Rentenversicherungsträger, der Bund der Ruhestandsbeamten, Rentner und Hinterbliebenen, der Deutsche BundeswehrVerband, die Gesellschaft zum Schutz von Bürgerrecht und Menschenwürde e.V., die Initiativgemeinschaft zum Schutz der sozialen Rechte ehemaliger Angehöriger bewaffneter Organe und der Zollverwaltung der DDR und die Kläger der Ausgangsverfahren Stellung genommen. Außerdem hat sich das Sozialgericht Halle ergänzend zur Frage der Zulässigkeit der Vorlage 1 BvL 3/98 geäußert.

1. Das Bundesministerium hält die zur Prüfung gestellte Regelung für verfassungsgemäß. Der an den Bundesgesetzgeber gerichtete Regelungsauftrag habe vor allem bei den Opfern politischer Verfolgung durch das SED-Regime Diskussionen ausgelöst. Unter Berufung auf die vom Bundesverfassungsgericht vorgegebene Neuregelung und die damit verbundene Verbesserung für Berufsgruppen, denen auch die für die politische Verfolgung Verantwortlichen angehörten, seien weitere Verbesserungen für die Opfer des SED-Regimes für notwendig erachtet worden. Im Hinblick darauf, dass innerhalb der Systematik des rentenrechtlichen Nachteilsausgleichs nach dem Gesetz über die berufliche Rehabilitierung ein Ausgleich für die durch politische Verfolgung erlittenen politischen Nachteile nur begrenzt möglich sei, hätten Bundestag und Bundesrat im Rahmen des Vermittlungsverfahrens zum 2. AAÜG-Änderungsgesetz einen politisch ausgewogenen Ausgleich angestrebt. Nach der grundlegenden Neufassung des § 6 AAÜG durch das Änderungsgesetz von 1996 seien mindestens 75 vom Hundert von allen bis dahin maßgeblichen Entgeltbegrenzungen nicht mehr erfasst. Bei einer vollständigen Aufhebung aller Entgeltbegrenzungen wäre ein entsprechender Ausgleich mit den Interessen der von beruflichen Verfolgungsmaßnahmen des SED-Regimes Betroffenen durch eine Verbesserung des rentenrechtlichen Nachteilsausgleichs auf der Grundlage der beruflichen Rehabilitierung nicht zu erreichen gewesen.

Wegen der grundlegenden Einengung des Kreises der von Entgeltbegrenzungen Betroffenen durch das AAÜG-Änderungsgesetz von 1996 könne die Beanstandung der ursprünglichen Regelung im Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28. April 1999 (BVerfGE 100, 59) nicht auf die Neuregelung des § 6 AAÜG übertragen werden. Aus dieser Entscheidung ergäben sich zwar verfassungsrechtliche Maßstäbe, an denen sich auch die zur Prüfung gestellte Entgeltbegrenzung des § 6 AAÜG messen lassen müsse. Solche Maßstäbe enthalte aber auch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom gleichen Tage (BVerfGE 100, 138), welches die Sonderregelungen zum Sonderversorgungssystem des MfS betreffe. In dieser Entscheidung werde für dessen höchste Funktionsträger im Ergebnis eine Begrenzung auf das Durchschnittsentgelt – unabhängig von Arbeit und Leistung – zugelassen, und zwar auch dann, wenn bei ehemaligen MfS-Mitarbeitern mit qualifizierter Ausbildung und besonders hohem Arbeitseinkommen auch nach Abzug der Einkommensanteile, die auf einer strukturellen Überhöhung des in diesem Versorgungssystem bestehenden Einkommengefüges beruhten, ein Einkommen verbleibe, das noch immer deutlich über dem Durchschnittseinkommen liege oder sogar die Beitragsbemessungsgrenze erreiche oder übersteige.

2. Demgegenüber hält das Justizministerium des Landes Mecklenburg-Vorpommern eine weitere Novellierung des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes für erforderlich. Die Argumentation des Sozialgerichts Berlin in der Vorlage 1 BvL 9/02 sei überzeugend.

3. Der für die Rechtsfragen der Überleitung der Zusatz- und Sonderversorgungssysteme des Beitrittsgebiets zuständige 4. Senat des Bundessozialgerichts verweist in seiner Stellungnahme in vollem Umfang auf die Begründung seiner Vorlagen, die zu der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28. April 1999 geführt haben (vgl. BVerfGE 100, 59 ≪83 ff.≫). Bereits damals sei darauf hingewiesen worden, dass die bloße Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem und die Höhe des bezogenen Arbeitsentgelts oder Arbeitsverdienstes bis zur Beitragsbemessungsgrenze für sich genommen von vornherein nicht geeignet seien, “politisch überhöhte” und damit für die Wertbestimmung von Rentenrechten nach dem SGB VI außer Acht zu lassende Entgelt- oder Verdienstanteile auszusondern. An der Untauglichkeit der zur Differenzierung gewählten Methode und der sich hieraus im Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG ergebenden Verfassungswidrigkeit der Regelung ändere sich auch dann nichts, wenn der seiner Art nach untaugliche Maßstab so weit gefasst werde, dass er im Ergebnis nur noch bei einer verhältnismäßig geringen Anzahl Betroffener eine geminderte Berücksichtigung tatsächlich erzielten Entgelts oder Verdienstes bewirke.

Das Bundessozialgericht hat zu dem Verfahren 1 BvL 2/03 in einer weiteren Stellungnahme die Auffassung geäußert, es fehle der Vorlage bereits die Entscheidungserheblichkeit. Es verweist hierzu auf seine Rechtsprechung, nach der nur vorläufige Verwaltungsakte des Rentenversicherungsträgers über die Höhe der Rente zulässig seien, solange die Entgelt-Überführungsbescheide des Versorgungsträgers noch nicht bestandskräftig geworden sind (vgl. BSG SozR 3-2600 § 307b Nr. 10).

4. Der Verband Deutscher Rentenversicherungsträger hat mitgeteilt, der Sachverhalt weise im Vergleich zu dem vorausgegangenen und vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Verfahren keine grundlegenden neuen Aspekte auf.

5. Der Bund der Ruhestandsbeamten, Rentner und Hinterbliebenen stimmt den Feststellungen des vorlegenden Gerichts im Verfahren 1 BvL 3/98 in allen Punkten zu. Der Kläger des Ausgangsverfahrens habe seit 1968 immer dieselbe Tätigkeit ausgeübt. Zu Kürzungen sei es jedoch lediglich in den Jahren ab 1986 gekommen. Dies beruhe auf einer Anpassung der Vergütung für die Dienststellung, die jedoch keinen wesentlichen anderen Tätigkeitsbereich mit sich gebracht habe. Es sei nicht nachvollziehbar, dass die Tätigkeit eines Majors oder Oberstleutnants ohne Rentenkürzung akzeptiert werde, während dieselbe Tätigkeit nach der Beförderung zum Oberst als regimefördernd eingestuft werde.

6. Auch der Deutsche BundeswehrVerband hält die zur Prüfung gestellte Vorschrift des § 6 Abs. 2 AAÜG für verfassungswidrig. Sie verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG, weil sie aufgrund unzulässiger Typisierung das an sich legitime Ziel verfehle, systembedingten Privilegien entspringende überhöhte Arbeitsentgelte zu begrenzen. Der Fall des Betroffenen im Vorlageverfahren 1 BvL 3/98 verdeutliche die Bedenken gegen die Vorschrift. Durch die zur Prüfung gestellte Vorschrift werde dessen Tätigkeit erst ab 1986 erfasst, obwohl er zu diesem Zeitpunkt schon jahrelang Oberst der Nationalen Volksarmee gewesen und die maßgebliche, die Entgeltbegrenzung auslösende Gehaltserhöhung ausschließlich aufgrund seines gesteigerten Dienstalters erfolgt sei. Außerdem habe sich in einer gegenläufigen Entwicklung während der Zeit, in welcher der Betroffene Oberst gewesen sei, das Durchschnittseinkommen im Beitrittsgebiet eher nivelliert. Auch im Vergleich zu einem Soldaten der Bundeswehr sei davon auszugehen, dass der Kläger ein seiner Qualifikation entsprechendes Einkommen erzielt habe.

7. Die Gesellschaft zum Schutz von Bürgerrecht und Menschenwürde e.V. hält die neue Fassung des § 6 Abs. 2 AAÜG für willkürlich und verfassungswidrig. Eine empirische Grundlage für die Prüfung, warum gerade die Gehaltsstufe E 3 und Einkommen in gleicher Höhe zum Maßstab der Begrenzung auf das Durchschnittseinkommen genommen werden sollen, sei nicht ansatzweise vorhanden. Es wird auf die Gutachter Simon und Rürup (vgl. BVerfGE 100, 59 ≪87≫) verwiesen, die für eine Grenzziehung sachliche Gründe gefordert und die Einführung einer Härteklausel befürwortet hätten. Die Gesellschaft setzt sich eingehend mit der Einkommensstruktur der Deutschen Demokratischen Republik auseinander und kommt zu der Schlussfolgerung, dass Anhaltspunkte für überhöhte Einkommen der Betroffenen nicht vorlägen.

8. Die Initiativgemeinschaft zum Schutz der sozialen Rechte ehemaliger Angehöriger bewaffneter Organe und der Zollverwaltung der DDR schließt sich den Ausführungen des Vorlagebeschlusses 1 BvL 3/98 an und verweist auf eine frühere Stellungnahme gegenüber dem Bundesverfassungsgericht (vgl. BVerfGE 100, 59 ≪88 f.≫).

9. Die Kläger der Ausgangsverfahren halten die zur Prüfung vorgelegten Vorschriften für verfassungswidrig und beziehen sich auf die Begründung der Vorlagen.

 

Entscheidungsgründe

B.

Die Vorlagen sind zulässig. Die Sozialgerichte haben sich insbesondere mit der Entscheidungserheblichkeit des § 6 Abs. 2 und 3 Nr. 8 AAÜG auseinander gesetzt. Sie haben hierzu die Rechtsauffassung vertreten, dass – wie im Falle der Vorlagen 1 BvL 3/98 und 1 BvL 9/02 – die im Entgelt-Überführungsbescheid getroffene Feststellung über die Anwendung der Entgeltbegrenzung des § 6 Abs. 2 und 3 AAÜG rechtsverbindlich und einer entsprechenden gerichtlichen Überprüfung zugänglich ist und dass – wie im Falle der Vorlage 1 BvL 2/03 – Klagen auf höhere Altersrente aus einem Zusatzversorgungssystem auch vor dem Eintritt der Bestandskraft des Entgelt-Überführungsbescheides zulässig sind. Von dieser zumindest vertretbaren Auffassung hat das Bundesverfassungsgericht im Verfahren der konkreten Normenkontrolle auszugehen.

C.

§ 6 Abs. 2 (in Verbindung mit den Anlagen 4 und 5) und § 6 Abs. 3 Nr. 8 AAÜG in der Fassung des AAÜG-Änderungsgesetzes von 1996 und des 2. AAÜG-Änderungsgesetzes von 2001 verstoßen gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

I.

1. a) Art. 3 Abs. 1 GG, der hier vor allem als Prüfungsmaßstab heranzuziehen ist (vgl. BVerfGE 100, 59 ≪90≫), gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Damit ist dem Gesetzgeber allerdings nicht jede Differenzierung verwehrt. Er verletzt aber das Grundrecht, wenn er eine Gruppe von Normadressaten anders als eine andere behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl. BVerfG, a.a.O.).

Bei der Ordnung von Massenerscheinungen wie im vorliegenden Fall ist der Gesetzgeber berechtigt, generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen zu verwenden, ohne allein wegen der damit verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen. Typisierung bedeutet, bestimmte in wesentlichen Elementen gleich geartete Lebenssachverhalte normativ zusammenzufassen. Besonderheiten, die im Tatsächlichen durchaus bekannt sind, können generalisierend vernachlässigt werden. Begünstigungen oder Belastungen können in einer gewissen Bandbreite zum Zwecke der Verwaltungsvereinfachung nach oben und unten pauschalierend bestimmt werden. Allerdings liegt eine typisierende Gruppenbildung nur vor, wenn die tatsächlichen Anknüpfungspunkte im Normzweck angelegt sind. Sie ist außerdem nur zulässig, wenn die mit ihr verbundenen Härten nicht besonders schwer wiegen und nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären.

b) Diese allgemeinen Grundsätze hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 100, 59 ≪90 ff.≫) in Bezug auf die Entgeltbegrenzungen in § 6 Abs. 2 und 3 AAÜG in der Fassung von 1993 bereits konkretisiert. Danach sind die Zugehörigkeit zu bestimmten Versorgungssystemen und – als zusätzliches Kriterium – die Höhe der Arbeitsentgelte nicht von vornherein ungeeignet, den Tatbestand eines überhöhten Entgelts zu erfassen. Die Umsetzung einer solchen Regelung muss aber – um den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 GG zu genügen – auf Tatsachen beruhen, die die Annahme rechtfertigen, dass überhöhte Arbeitsentgelte gerade an die vom Gesetz erfassten Gruppen gezahlt worden sind oder dass Entgelte ab den vom Gesetz festgelegten Grenzen als überhöht angesehen werden müssen. Allein schon mit der Überführung der Zusatz- und Sonderversorgungssysteme in die gesetzliche Rentenversicherung sind neben hohen auch überhöhte Rentenansprüche auf das durch die Beitragsbemessungsgrenze vorgegebene Maß vermindert worden. Einer darüber hinausgehenden zusätzlichen Bestimmung von Überhöhungstatbeständen müssen Kriterien zugrunde gelegt werden, die in den tatsächlichen Verhältnissen eine Entsprechung finden.

Das Bundesverfassungsgericht hat insoweit beanstandet, dass der Gesetzgeber für die Angehörigen der in § 6 Abs. 2 AAÜG genannten Versorgungssysteme generell angenommen hat, sie hätten in der Deutschen Demokratischen Republik ab einer bestimmten Schwelle überhöhte Arbeitsentgelte bezogen, ohne dass Zahlen über Lohn- und Gehaltsstrukturen in der Deutschen Demokratischen Republik, über das Einkommensgefüge in den einschlägigen Beschäftigungsbereichen und über das Verhältnis der dort erzielten Verdienste zum volkswirtschaftlichen Mittelwert vorlagen, die darüber hätten Auskunft geben können. Der Gesetzgeber habe auch nicht für Arbeitsleistungen, die der Deutschen Demokratischen Republik politisch nützten, den Rentenbezug ausschließen wollen. Vielmehr sei sein gesetzgeberisches Ziel gewesen, lediglich Versorgungszusagen, denen keine Arbeitsleistung entsprach, als allein politisch motivierten die rentenrechtliche Anerkennung zu versagen. Aus der bloßen “Staats- und Systemnähe” der Berufstätigkeit folge nicht, dass man diesen Personengruppen durchgängig Entgelte gezahlt habe, die nicht durch Arbeit und Leistung gerechtfertigt gewesen seien (vgl. BVerfGE 100, 59 ≪95≫).

Für die Entgeltbegrenzung müsse ein sachgerechter Kürzungsmechanismus gewählt werden. Die festgesetzten Grenzwerte müssten sich auf Erkenntnisse zur wirklichen Verteilung überhöhter Arbeitsverdienste im Bereich zwischen dem Durchschnittsentgelt und Entgelten an der Beitragsbemessungsgrenze stützen können. In der Deutschen Demokratischen Republik erzielte hohe Arbeitsentgelte oder Arbeitseinkommen seien nicht notwendig auch ”überhöhte” Entgelte, deren rentenrechtliche Anerkennung der Gesetzgeber ohne weitere Nachprüfung versagen darf. An diesen Grundsätzen ist festzuhalten.

2. Die hier zur Prüfung gestellten Vorschriften des § 6 Abs. 2 und 3 Nr. 8 AAÜG in der Fassung von 1996 und 2001 führen zu einer Benachteiligung von Personengruppen, zu denen die Kläger der Ausgangsverfahren gehören. Diese Benachteiligung trifft insbesondere gegenüber Versicherten mit Anspruch auf eine Zusatzversorgung zu, deren Versorgungssystem nicht von § 6 Abs. 2 und Abs. 3 Nr. 8 AAÜG erfasst wird, sowie gegenüber Versicherten, deren Versorgungssystem zwar erfasst wird, deren Entgelte jedoch die so genannte E 3-Grenze nicht erreichen. Die von diesen beiden Personengruppen tatsächlich erzielten Entgelte werden bei der Rentenberechnung nur durch die Beitragsbemessungsgrenze gekappt (vgl. BVerfGE 100, 59 ≪90 f.≫). Bis zum Erreichen dieser Grenze führt ein höheres Arbeitseinkommen bei ihnen auch zu einer höheren Altersrente, während bei der Gruppe der Kläger der Ausgangsverfahren immer eine Absenkung der berücksichtigungsfähigen Arbeitsverdienste auf ein Durchschnittseinkommen erfolgt.

3. Den unter C I 1 dargestellten Maßstäben wird die Neuregelung in § 6 Abs. 2 und Abs. 3 Nr. 8 AAÜG nicht gerecht. Mit ihr ist bei gleich bleibendem Mechanismus ohne weitere tatsächliche Erkenntnisse lediglich die benachteiligte Gruppe verkleinert, der Kürzungsmechanismus allerdings vergröbert worden. Das vom Gesetzgeber nach wie vor mit der Begrenzungsregelung entsprechend dem Einigungsvertrag (vgl. oben unter A I 1) verfolgte Ziel, Versorgungszusagen, denen keine entsprechende Leistung zugrunde lag und die politisch motiviert waren, die Anerkennung zu versagen (vgl. etwa Entwurf des AAÜG-Änderungsgesetzes, BTDrucks 13/4587, S. 1, 8; Stellungnahmen des Staatsministers Geisler, 696. Sitzung des Bundesrates vom 3. Mai 1996, StenBer, S. 192; des Abgeordneten Grund, 126. Sitzung des 13. Deutschen Bundestages vom 27. September 1996, StenBer 13/126, S. 11328; des Bundesministers Blüm, ebd., S. 11336; des Ministerpräsidenten Biedenkopf, 703. Sitzung des Bundesrates vom 18. Oktober 1996, StenBer, S. 504; Entwurf des 2. AAÜG-Änderungsgesetzes, BTDrucks 14/5640, S. 1, 13), ist zwar einsichtig und legitim (vgl. BVerfGE 100, 59 ≪92 f.≫). Die zur Prüfung gestellten Regelungen verfehlen jedoch ebenfalls das angestrebte Ziel, indem sie nach wie vor unzulässig typisieren. Es ist nicht erkennbar, dass die dargestellte unterschiedliche Behandlung der Angehörigen von Zusatz- und Sonderversorgungssystemen auf Tatsachen beruht, welche die Annahme rechtfertigen, dass überhöhte Arbeitsentgelte gerade an die von § 6 Abs. 2 AAÜG erfassten Personengruppen gezahlt wurden. Dies gilt auch für die in § 6 Abs. 3 Nr. 8 AAÜG vorgenommene Anknüpfung der Differenzierung an Funktionsebenen, die Gegenstand der Vorlage 1 BvL 9/02 ist.

a) Auch den hier zu prüfenden Regelungen liegen weiterhin keine konkreten Erkenntnisse darüber zugrunde, ob und gegebenenfalls in welchen Bereichen in der Deutschen Demokratischen Republik überhöhte Entgelte gezahlt wurden. Den Gesetzgebungsmaterialien lassen sich jedenfalls solche Erkenntnisse nicht entnehmen. Zahlen über Lohn- und Gehaltsstrukturen in der Deutschen Demokratischen Republik, insbesondere über das Einkommensgefüge der hier betroffenen Beschäftigungsbereiche und dessen Verhältnis zum Durchschnittseinkommen, sind nach wie vor nicht verfügbar. Es genügt nicht den aus Art. 3 Abs. 1 GG herzuleitenden Anforderungen an eine verfassungsgemäße Regelung der Entgeltbegrenzung, wenn der Gesetzgeber die in § 6 Abs. 2 AAÜG genannte Personengruppe unverändert lässt und lediglich dadurch einengt, dass eine höhere Einkommensgrenze gewählt und auf diese Weise innerhalb dieser Gruppe die Anzahl der von der Kürzung der berücksichtigungsfähigen Entgelte Betroffenen verringert wird. Hohe Arbeitsverdienste sind nicht notwendig überhöhte Arbeitsverdienste (vgl. BVerfGE 100, 59 ≪97≫).

Der Gesetzgeber hat in den zur Prüfung gestellten Regelungen zwei Kriterien, die nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28. April 1999 unzulässig differenzieren (BVerfGE 100, 59 ≪93 ff.≫), nicht in verfassungsgemäßer Weise abgewandelt, sondern lediglich eines der beiden – die Höhe des Arbeitsentgeltes – in der Wirkung abgemildert. Die Abgrenzung der Berechtigten nach ihrer Zugehörigkeit zu bestimmten Zusatzversorgungssystemen ist unverändert geblieben. Bei den Zusatzversorgungssystemen, die weiterhin Kürzungen bei den Betroffenen auslösen, ist die maßgebliche Einkommensgrenze zwar großzügiger festgelegt, beruht aber nicht auf sachgemäßen Erwägungen. Auch für die nach der Neuregelung maßgebliche Gehaltsstufe E 3 (ab 1985: Gehaltsstufe 12) bleibt offen, wie diese Anknüpfung zu begründen ist. Der Gesetzgeber, der bei Erreichen dieser Gehaltsstufe die Kürzung in § 6 Abs. 2 und 3 AAÜG einsetzen lässt, kommt der Wirklichkeit nicht näher, weil auch diese Anknüpfung nicht von Erkenntnissen über eine strukturelle Erhöhung von Gehältern getragen wird. Die unzulässige Gleichstellung von “hohem Einkommen” und ”überhöhtem Einkommen” bestimmt auch das Konzept der hier zu prüfenden Vorschriften (vgl. etwa die Äußerungen der Abgeordneten Mascher, 108. Sitzung des 13. Deutschen Bundestages vom 24. Mai 1996, StenBer 13/108, S. 9585 f.; 126. Sitzung vom 27. September 1996, StenBer 13/126, S. 11331).

In den Gesetzesberatungen findet sich immer wieder die Erwägung, eine Entgeltbegrenzung sei nur noch für Personen vorgesehen, die aufgrund der Wahrnehmung politischer Verantwortung oder Mitverantwortung in der Deutschen Demokratischen Republik ein besonders hohes Einkommen erzielt haben (vgl. etwa Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung des Deutschen Bundestages vom 25. September 1996, BTDrucks 13/5606, S. 16). Erkenntnisse darüber, dass gerade in den betroffenen Versorgungssystemen ab Überschreiten der Gehaltsstufe E 3 überhöhte, weil nicht mehr leistungsorientierte Entgelte erzielt wurden, sind aber nicht verfügbar. Dies räumt die Bundesregierung in der Begründung zum Entwurf des AAÜG-Änderungsgesetzes von 1996 auch ein, wenn dort formuliert ist, dass die auf politische Begünstigung entfallenden Einkommensanteile “nicht bestimmbar” sind und deswegen “ein solches Einkommen als Berechnungsgrundlage für die neu zu schaffenden Rentenansprüche insgesamt ungeeignet” ist (BTDrucks 13/4587, S. 8).

b) Die Unzulässigkeit der Typisierung ergibt sich nicht nur aus der Wahl der in die Rentenkürzung einbezogenen Berufsgruppen und der Wahl der maßgeblichen Entgelthöhe, sondern umgekehrt auch daraus, welche Berufsgruppen nicht in die Kürzung von Versorgungsrenten einbezogen worden sind. Dies zeigt ein Blick in die Anlagen 1 und 2 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz. Es erschließt sich keineswegs, weshalb – ohne Betrachtung der individuellen beruflichen Biographien – die Kürzung der Rente eines hauptamtlichen Mitarbeiters der Gesellschaft für Sport und Technik oder eines hauptamtlichen Mitarbeiters gesellschaftlicher Organisationen (Versorgungssysteme nach Nr. 20 und 21 der Anlage 1) sowie von Angehörigen der Feuerwehr (Versorgungssystem nach Nr. 2 der Anlage 2) politisch privilegierte Einkommen betreffen, eine Entgeltbegrenzung aber beispielsweise nicht bei Angehörigen der technischen Intelligenz greifen soll (Versorgungssystem nach Nr. 1 der Anlage 1).

c) Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die hier zu prüfenden Regelungen ergeben sich zudem daraus, dass der Gesetzgeber die im Laufe der Zeit erfolgten Veränderungen im Einkommensgefüge der Deutschen Demokratischen Republik nicht hinreichend berücksichtigt hat. So wurde 1950 in der Gehaltsstufe E 3 das 9-fache des Durchschnitts, 1989 aber nur noch ein den Durchschnitt des Einkommens wesentlich weniger übersteigendes Gehalt (das 1,6-fache des Durchschnittsverdienstes; siehe BRDrucks 209/96, S. 11 und Vorlage 1 BvL 2/03; hingegen Vorlage 1 BvL 3/98: noch das 2,5-fache) gezahlt. Trotz einer so deutlichen Verschiebung der Einkommensverhältnisse stellt der Gesetzgeber durchgängig auf eine einheitliche, feste Gehaltsstufe ab.

Bereits durch die Überführung in die gesetzliche Rentenversicherung sind hohe und möglicherweise überhöhte Ansprüche aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen unterschiedslos dadurch begrenzt worden, dass eine Berücksichtigung nur noch bis zur allgemeinen Beitragsbemessungsgrenze möglich ist. Die Beitragsbemessungsgrenze entspricht dabei etwa dem 1,8-fachen des erzielten Durchschnittsverdienstes. Auch die von § 6 Abs. 2 und 3 AAÜG in der hier zu prüfenden Fassung betroffenen Personen würden hierdurch erfasst, gäbe es diese besonderen Begrenzungsvorschriften nicht. Da die Gehaltsstufe E 3 in der Deutschen Demokratischen Republik – wie dargestellt – im Vergleich zum Durchschnittseinkommen einen erheblichen Abstieg zu verzeichnen hatte, ist angesichts des Fehlens von fundierten Informationen zum Einkommensgefüge jedenfalls die über Jahre unveränderte Anknüpfung an die Gehaltsstufe E 3, deren Gehaltsvorteil von 1950 bis 1989 erheblich an Bedeutung verlor, nicht sachlich nachvollziehbar. Denn hat der Gesetzgeber, weil ihm solche Informationen nicht zur Verfügung stehen, an die relative Höhe des Einkommens anknüpfen wollen, dann wäre es konsequent gewesen, hierfür einen relativen Wert zu wählen, der der Entwicklung der Durchschnittseinkommen folgt.

d) Schließlich hat der Gesetzgeber die rentenrechtliche Berücksichtigung altersabhängiger Einkommenselemente nicht im Einklang mit Art. 3 Abs. 1 GG geregelt. Nach § 6 Abs. 2 Satz 2 AAÜG wird auch der für das Dienstalter festgelegte Vergütungsteil in das für die Kürzung maßgebliche Entgelt einbezogen. Weshalb eine altersbedingte Steigerung des Arbeitsentgelts in politischer Begünstigung begründet sein soll, ist jedoch nicht erkennbar. Näher liegt die Vermutung, dass erst bei Erreichen einer relevanten Einkommensgrenze ohne Berücksichtigung der Komponente “Vergütung für das Dienstalter” eine Privilegierung beim Arbeitsentgelt vorgelegen hat, die durch eine besondere Systemnähe bewirkt worden ist. Steigt dagegen das Arbeitsentgelt allein deshalb, weil eine höhere Altersstufe erreicht ist, lässt sich daraus gerade nicht auf eine nunmehr überhöhte Entlohnung wegen besonderer Systemnähe schließen, da sich an der Tätigkeit hierdurch nichts ändert. Zu Recht wird in der Vorlage 1 BvL 3/98 darauf hingewiesen, dass der junge und früh beförderte Berufsinhaber dem System viel näher gestanden haben dürfte als der ältere, der aufgrund seines Lebens- und Dienstalters befördert wurde.

e) Verfassungsrechtlich unzulässig ist darüber hinaus auch der vom Gesetzgeber gewählte Kürzungsmechanismus. Er verfehlt schon im Ansatz die Merkmale einer Typisierung oder Pauschalierung. Indem die Regelung der Begrenzung zwar erst ab einem in den 50er und 60er Jahren vergleichsweise sehr hohen und später relativ hohen Einkommen greift, dann aber alle erfassten Arbeitsentgelte “fallbeilartig” auf das Durchschnittseinkommen kürzt, bleiben die Grundsätze unbeachtet, die für Regelungen solcher Art im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG maßgeblich sind (vgl. BVerfGE 100, 59 ≪97≫). Überschreitet das Einkommen eines Betroffenen eine bestimmte Grenze, fällt er weit hinter den Rentenbetrag zurück, der ihm zuvor für seine niedrigeren Entgelte zugeordnet war. Das gilt sogar dann, wenn mit der Einkommenserhöhung keine Funktionsänderung eingetreten ist. Möglichkeiten, den Besonderheiten des Einzelfalles gerecht zu werden, sieht das Gesetz nicht vor. Der Gesetzgeber hat damit einen Weg gewählt, der auch unter Berücksichtigung seiner besonderen Gestaltungsfreiheit bei der Neuordnung der sozialrechtlichen Verhältnisse in der Folge der Wiedervereinigung nicht mehr vertretbar ist. Vergleicht man die hier in Frage stehende Regelung mit der verfassungsrechtlich beanstandeten Vorgängerregelung, die eine progressive Absenkung des berücksichtigungsfähigen Entgelts vorsah (vgl. BVerfGE 100, 59 ≪71 f., 97≫), hat der Gesetzgeber den Typisierungsfehler noch verstärkt. Dadurch setzt sich der Gesetzgeber erst recht in Widerspruch zu seiner eigenen Annahme, dass jedenfalls bis zum Erreichen der Beitragsbemessungsgrenze (vgl. § 6 Abs. 1 AAÜG) in keinem der von § 6 Abs. 2 und 3 AAÜG “verschonten” Versorgungssysteme eine Entgeltbegrenzung veranlasst ist. Denn wenn in den nicht erfassten Versorgungssystemen der Einkommensanteil zwischen dem Durchschnittseinkommen und der Beitragsbemessungsgrenze nicht als überhöht gilt, ist schwer einzusehen, weshalb dies in den ausgewählten Versorgungssystemen der Fall sein soll.

f) Der Gesetzgeber kann sich zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung der von ihm getroffenen Regelungen nicht darauf berufen, die Opfer des SED-Regimes erhielten auf der Grundlage des Gesetzes über die berufliche Rehabilitierung oft nur eine sehr geringe Altersversorgung; deswegen seien die Kürzungen in § 6 Abs. 2 und 3 AAÜG ein Gebot der Gerechtigkeit und lägen im Interesse der politischen Akzeptanz. Damit wird ein Zusammenhang hergestellt, der verfassungsrechtlich zur Rechtfertigung der hier festgestellten Ungleichbehandlung nicht trägt. Es ist Sache des Gesetzgebers, Änderungen in der Altersversorgung der Opfer des SED-Regimes herbeizuführen, wenn sich im Zuge der Rentenüberleitung eine Rechtslage ergibt, die im Verhältnis zu den Menschen, die in der Deutschen Demokratischen Republik berufliches Unrecht erfahren haben, als nicht hinnehmbar angesehen wird. Unausgewogenheit in der Altersversorgung kann nicht dazu gereichen, die Beibehaltung einer gleichheitswidrigen Rentenkürzung zu legitimieren.

Der Gesetzgeber kann sich zur Rechtfertigung seiner Regelung auch nicht darauf berufen, das Bundesverfassungsgericht habe im Falle der rentenrechtlichen Überleitung von Ansprüchen und Anwartschaften aus dem Sonderversorgungssystem der Angehörigen des MfS/AfNS eine Pauschalierung für verfassungsrechtlich unbedenklich angesehen, die er nun lediglich auch in anderen Versorgungssystemen auf die Einkommen ab der Gehaltsstufe E 3 zur Anwendung bringe. Das Bundesverfassungsgericht hat dem Gesetzgeber Pauschalierungsmöglichkeiten bei der Ausgestaltung der Kürzungsregelung in § 7 AAÜG aus Gründen eingeräumt, die in den ganz spezifischen Verhältnissen des von dieser Vorschrift erfassten Bereichs begründet sind (vgl. BVerfGE 100, 138 ≪178 bis 180≫).

4. Steht somit schon die in § 6 Abs. 2 Satz 1 AAÜG in der hier zu prüfenden Fassung getroffene Grundentscheidung mit Art. 3 Abs. 1 GG nicht in Einklang, bedarf es keiner Prüfung mehr, ob es im Hinblick auf das Ziel des Gesetzgebers, privilegierte Entgeltbestandteile rentenrechtlich nicht wirksam werden zu lassen, mit dem Gleichheitssatz vereinbar ist, wenn die Gewährung einer Aufwandsentschädigung bei der Ermittlung des nach Anlage 4 jeweils maßgebenden Betrags Berücksichtigung findet, die Gewährung einer Zulage dagegen nicht (§ 6 Abs. 2 Satz 2 und 3 AAÜG). Jede Gleichbehandlung und jede Differenzierung hat sich allerdings an nachvollziehbaren Kriterien im Hinblick auf den Regelungszweck auszurichten. Die Befugnis zur Typisierung entbindet nicht vom Gebot der Rationalität und der grundsätzlichen Beachtung des Art. 3 Abs. 1 GG.

II.

Da die überprüften Vorschriften schon wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG verfassungswidrig sind, erübrigt sich eine Prüfung anhand des Maßstabs des Art. 14 Abs. 1 GG (vgl. aber BVerfGE 100, 59 ≪97 f., 101≫).

D.

I.

Da dem Gesetzgeber mehrere Möglichkeiten zur Verfügung stehen, die Verfassungswidrigkeit der zur Prüfung gestellten Vorschriften zu beseitigen, sind diese nicht für nichtig, sondern lediglich für mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar zu erklären. Der Gesetzgeber ist verfassungsrechtlich verpflichtet, bis zum 30. Juni 2005 eine verfassungsgemäße Regelung zu treffen. Diese Verpflichtung erstreckt sich auf den gesamten von der Unvereinbarerklärung betroffenen Zeitraum. Kommt es bis zu diesem Zeitpunkt zu keiner verfassungsgemäßen Neuregelung, tritt Nichtigkeit der beanstandeten Vorschriften ein.

II.

Die Unvereinbarerklärung führt dazu, dass § 6 Abs. 2 und § 6 Abs. 3 Nr. 8 AAÜG von Gerichten und Verwaltungsbehörden nicht mehr angewendet werden dürfen. Die Gerichte müssen die Verfahren ausgesetzt lassen oder aussetzen, bis der Gesetzgeber die verfassungswidrigen Vorschriften durch mit der Verfassung vereinbare Regelungen ersetzt hat oder Nichtigkeit entsprechend D I eintritt.

III.

Bescheide, durch die die verfassungswidrigen Vorschriften rechtsverbindlich angewandt wurden und die im Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Entscheidung bereits bestandskräftig sind, bleiben für die Zeit vor der Bekanntgabe unberührt (vgl. BVerfGE 104, 126 ≪150≫). Es ist dem Gesetzgeber aber unbenommen, im Zusammenhang mit dem Gegenstand der vorliegenden Entscheidung eine andere Regelung zu treffen. Er kann die erforderliche Neuregelung auch auf bereits bestandskräftige Bescheide erstrecken; von Verfassungs wegen verpflichtet ist er hierzu nicht.

 

Unterschriften

Jaeger, Hömig, Steiner, Hohmann-Dennhardt, Hoffmann-Riem, Bryde, Lübbe-Wolff

Frau Haas ist gehindert, ihre Unterschrift beizufügen.

Jaeger

 

Fundstellen

Haufe-Index 1338729

FamRZ 2004, 1274

LKV 2004, 409

LKV 2005, 351

BGBl. I 2004, 2058

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