Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerfreie Aufwandsentschädigung für Bundestagsabgeordnete

 

Leitsatz (amtlich)

Die Verfassungsbeschwerde gegen § 12 des Gesetzes zur Neuregelung der Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Deutschen Bundestages vom 18. Februar 1977 (BGBl. I S. 297) wird verworfen.

 

Normenkette

GG Art. 3 Abs. 1; EStG § 3 Nr. 12; AbgG § 12

 

Tatbestand

A.

I.

II.

III.

1. Gegen die die Aufwandsentschädigung der Abgeordneten bestimmenden[1]und die Steuerfreiheit anordnenden[2]Gesetzesvorschriften hat der Beschwerdeführer Verfassungsbeschwerde eingelegt und gerügt, die Regelung verletze ihn in seinem Recht auf Gleichbehandlung (Art. 3 GG). …

2. …

 

Entscheidungsgründe

B.

I.

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich unmittelbar gegen die Vorschrift des § 12 AbgG, der bestimmt, daß die vorgesehene Amtsausstattung der Abgeordneten als Aufwandsentschädigung aufzufassen ist und damit im Hinblick auf § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG die Steuerfreiheit der Ausstattung und den Umfang der gewährten Steuerbegünstigung begründet. Insoweit ist die Verfassungsbeschwerde innerhalb der Einlegungsfrist des § 93 Abs. 2 BVerfGG form- und fristgerecht erhoben worden. Daß § 3 Nr. 12 EStG, der die beanstandete steuerliche Sonderregelung mitträgt, durch das Abgeordnetengesetz nicht geändert wurde, ist unerheblich (vgl. BVerfGE 12, 10 [24]).

II.

Die Verfassungsbeschwerde ist jedoch unzulässig, weil der Beschwerdeführer durch die angegriffene gesetzliche Regelung nicht selbst betroffen ist.

Der Beschwerdeführer rügt mit der Verfassungsbeschwerde die Verletzung eines in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechts. Er macht geltend, er sei durch die angegriffene gesetzliche Regelung gegenüber der Gruppe der Abgeordneten steuerlich gleichheitswidrig benachteiligt. Damit ist zwar die eine in § 90 Abs. 2, § 92 BVerfGG genannte Voraussetzung für die Zulässigkeit der Beschwerde, die Bezeichnung eines in § 90 Abs. 1 BVerfGG bezeichneten Grundrechts, das der Gesetzgeber durch die angegriffene Vorschrift verletzt haben soll, erfüllt. Nicht ohne weiteres trifft dies jedoch auch hinsichtlich der weiteren Voraussetzungen für eine Sachentscheidung zu. Gerade bei Verfassungsbeschwerden gegen ein Gesetz bedarf es im Hinblick auf den Grundsatz der Gewaltenteilung einer strengen Prüfung, wann im einzelnen das nicht zuletzt auch für die Wahrung der verfassungsrechtlichen Grundzuständigkeiten geschaffene Verfahrensrecht dem Bundesverfassungsgericht die weittragende Prüfungsbefugnis über Akte der Rechtsetzung eröffnet Weder das Grundgesetz noch das Gesetz über das Bundesverfassungsgericht kennen eine „Popularklage” des Bürgers. Zur Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz gehört vielmehr die schlüssige Behauptung des Beschwerdeführers, daß er selbst, gegenwärtig und unmittelbar durch die öffentliche Gewalt, hier: durch die beanstandete Rechtsnorm, nicht erst nach entsprechendem Vollziehungsakt, in seinem Grundrecht verletzt sei (vgl. BVerfGE 1, 97 [101]; ständige Rechtsprechung).

Der Beschwerdeführer kann grundsätzlich in seinen Rechten nur verletzt sein, wenn die von ihm angegriffene Rechtsnorm ihn selbst betrifft. Dieser Voraussetzung wird bei einem Sachverhalt, der der Rüge verfassungswidriger Ungleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) zugrunde liegt, nicht schon dadurch genügt, daß ein entsprechendes Vergleichspaar genannt und daraus die beanstandete Ungleichheit abgeleitet wird. Selbst dann, wenn sich die zum Vergleich gestellten Sachverhalte, die vom Gesetzgeber verschieden geregelt worden sind, ist wesentlichen gleichen, sich kein plausibler Grund mehr für die Verschiedenartigkeit der Regelung anführen läßt und eines der Vergleichspaare dem Beschwerdeführer zugeordnet werden kann, ist die verfahrensrechtliche Grundlage für eine Sachentscheidung noch nicht gegeben. Auch in solchen Fällen muß vielmehr noch dargelegt werden, daß des Beschwerdeführer, sollte seine Rechtsauffassung vom Bundesverfassungsgericht bestätigt und die beanstandete Gesetzesvorschrift für nichtig erklärt werden, im Verhältnis zur bislang begünstigtes Vergleichsgruppe eine Besserstellung erfahren würde, die nicht nur in des Beseitigung der unterschiedlichen Rechtslage zum Nachteil anderer bestünde (vgl. BVerfGE 18, 1 [12, 16 f.]; 43, 58 [68]). Daran aber fehlt es hier. Die vom Beschwerdeführer, in erster Linie angegriffene, die steuerrechtliche Begünstigung der Abgeordneten bewirkende Vorschrift des Abgeordnetengesetzes regelt lediglich die Aufwandsentschädigung der Mitglieder des Deutschen Bundestages. Eine Änderung der Steuerpflicht des Beschwerdeführers ist mit dieser Regelung nicht verbunden. Das Gesetz „betrifft” ihn nicht, weil er selbst in keiner Beziehung zu dem in den beanstandeten Gesetzesvorschriften geregelten besonderen Sachverhalt, dem Abgeordnetenstatus, steht Seine rechtlichen Pflichten würden nicht gemindert, wenn die Bestimmungen des Abgeordnetengesetzes nichtig wären. Eine Änderung der Gesetzeslage zugunsten des Beschwerdeführers scheidet offensichtlich aus. Auf ein anderweitiges besonderes Interesse an der Beseitigung der andere bevorzugenden Regelung kann sich der Beschwerdeführer – dies liegt hier auf der Hand – nicht berufen (vgl. auch BVerfGE 23, 242 [257])[3].

Dem läßt sich auch nicht entgegenhalten, daß im Bereich, des Beamten- und Richterbesoldungsrechts für die Zulässigkeit einer Verlassungsbeschwerde weniger strenge Maßstäbe angelegt würden. Die dort zu entscheidenden Fragen sind mit dem Status der Bediensteten in der Regel so verknüpft, daß eine differenzierende Neuregelung hinsichtlich einer Gruppe von Beamten oder Richtern auch unmittelbare Auswirkungen, auf die dienstrechtliche Stellung der anderen, vergleichbaren Bediensteten zeitigt. Auswirkungen, die über bloße Reflexwirkungen hinausgehen (vgl. BVerfGE 6, 273 [278])).

Erweist sich die Verfassungsbeschwerde schon danach als unzulässig, so bedarf keiner weiteren Erörterung, ob der Beschwerdeführer durch die beanstandete Gesetzesvorschrift auch gegenwärtig und unmittelbar betroffen ist. Bedenken hiergegen könnten sich ergeben, weil die Festsetzung der Steuerschuld des Beschwerdeführers, mithin auch die Anerkennung seiner Aufwendungen als Werbungskosten, endgültig erst durch den Steuerbescheid erfolgt, der aufgrund der Einkommensteuererklärung oder eines Jahresausgleichsantrags ergeht. Setzt aber das angegriffene Gesetz zu seiner Durchführung rechtsnotwendig oder auch nur nach der tatsächlichen Verwaltungspraxis einen besonderen, vom Willen der vollziehenden Gewalt beeinflußbaren Vollzugsakt voraus, so kann sich die Verfassungsbeschwerde nur gegen diesen Vollzugsakt als den unmittelbaren Eingriff in die Rechte des einzelnen richten (vgl. BVerfGE 45, 104 [116 f.]),[4]. Eine Berufung auf § 90 Abs. 2 BVerfGG scheidet hier insoweit aus (BVerfGE 1, 97 [102 f.]; 2, 292 [295]; 3, 34 [36]; 15, 126 [132]).

 

Fundstellen

BStBl II 1979, 92

BVerfGE, 1

[1] § 12 des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Deutschen Bundestages – Abgeordnetengesetz (AbgG) – vom 18. Februar 1977 (BGBl. I S. 297).
[2] § 3 Nr. 12 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. Dezember 1977 (BGBl. I S. 2365).
[3] BStBl II 1968 S. 549
[4] BStBl I 1957 S. 208

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